juris PraxisReporte

Anmerkung zu:BFH 8. Senat, Beschluss vom 07.06.2024 - VIII B 113/23 (AdV)
Autor:Dr. Franziska von Freeden, Ri’inBFH
Erscheinungsdatum:04.11.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 69 FGO, § 32d EStG, Art 100 GG, § 20 EStG, Art 3 GG
Fundstelle:jurisPR-SteuerR 44/2024 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Peter Fischer, Vors. RiBFH a.D.
Prof. Dr. Franz Dötsch, Vors. RiBFH a.D.
Zitiervorschlag:von Freeden, jurisPR-SteuerR 44/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte



Leitsatz

Bei der im Aussetzungsverfahren nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung gebotenen summarischen Prüfung ist die Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) nicht mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes vereinbar.



A.
Problemstellung
Die Besprechungsentscheidung betrifft die Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte. Es handelt sich um eine Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz, also eine Prüfung im summarischen Verfahren.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Antragsteller handelte im Streitjahr 2021 über einen Broker Differenzkontrakte („Contracts for Difference“ (CFD)). Er erzielte im Streitjahr neben Einkünften aus Kapitalvermögen auch steuerfreie, dem Progressionsvorbehalt unterliegende Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit in Luxemburg. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärten die Antragsteller (zusammenveranlagte Eheleute) unter anderem ausländische Kapitalerträge aus Termingeschäften gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG i.H.v. 250.631 Euro und Verluste aus Termingeschäften im Sinne dieser Vorschrift i.H.v. 227.289 Euro.
In den Erläuterungen des Einkommensteuerbescheids für das Streitjahr 2021 führte das Finanzamt aus, dass die Verluste aus den Termingeschäften des Antragstellers in Höhe des gesetzlichen Höchstbetrags von 20.000 Euro gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG mit den Gewinnen aus Termingeschäften des Streitjahres verrechnet und die noch nicht verrechneten Verluste i.H.v. 207.289 Euro in der Verlustfeststellung berücksichtigt worden seien. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen des Antragstellers, die dem gesonderten Tarif gemäß § 32d Abs. 1 EStG unterliegen, ermittelte das FA wie folgt:
Abbildung
Das FA setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr i.H.v. 52.280 Euro fest. Gegen den Bescheid legten die Antragsteller Einspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung (AdV) beim FA. Sie erhoben verfassungsrechtliche Einwände gegen die Beschränkung des Verlustausgleichs der Gewinne und Verluste aus den Termingeschäften des Streitjahrs und machten geltend, dass nur der Gesamtgewinn nach Verrechnung der erzielten Gewinne und Verluste aus Termingeschäften i.H.v. 23.342 Euro der Besteuerung unterworfen werden dürfe. Bei einem wirtschaftlichen Netto-Gewinn aus Termingeschäften i.H.v. 23.342 Euro müssten sie aufgrund der Gesetzeslage jedoch insgesamt 59.860,60 Euro an Steuern bezahlen.
Das FA lehnte den Antrag auf AdV mit Bescheid vom 11.07.2023 ab. Das FG gab dem AdV-Antrag mit Beschluss vom 05.12.2023 wegen erheblicher verfassungsrechtlicher Bedenken statt. Die hiergegen vom FA erhobene Beschwerde hatte keinen Erfolg. Der VIII. Senat des BFH sah bei der im Aussetzungsverfahren nach § 69 Abs. 3 FGO gebotenen summarischen Prüfung die Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2020 vom 21.12.2020 (BGBl I 2020, 3096) als nicht mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes vereinbar an und teilte dementsprechend die ernstlichen Zweifel des FG an der Rechtmäßigkeit des Einkommensteuerbescheids für das Streitjahr.
Im Einzelnen führte der BFH aus:
I. § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG bewirke eine doppelte Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen, die Verluste aus Termingeschäften erzielten. Der besondere Verrechnungskreis für Verluste aus Termingeschäften führe zu einer Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen je nachdem, ob diese Verluste aus Termingeschäften oder aus anderen Kapitalanlagen erzielt hätten. Innerhalb des besonderen Verrechnungskreises für Verluste aus Termingeschäften komme es darüber hinaus zu einer Ungleichbehandlung der vom Steuerpflichtigen erzielten Gewinne und Verluste aus Termingeschäften. Bei summarischer Prüfung sei diese doppelte Ungleichbehandlung sachlich nicht durch ausreichend tragfähige Gründe gerechtfertigt.
II. In § 20 Abs. 6 Sätze 1 und 2 EStG habe der Gesetzgeber die Grundentscheidung getroffen, dass negative Kapitalerträge zwar nicht mit positiven Einkünften anderer Einkunftsarten ausgeglichen werden dürften, aber innerhalb der Schedule positive und negative Kapitalerträge ausgeglichen und miteinander verrechnet werden könnten. Während eine Verlustverrechnungsbeschränkung für negative Kapitalerträge, die dem gesonderten Tarif (§ 32d Abs. 1 EStG) unterliegen, folgerichtig sei, gelte dies nicht für spezielle Verlustverrechnungskreise innerhalb der Schedule für dem gesonderten Tarif unterliegende positive und negative Kapitalerträge. Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die Besteuerung der Kapitaleinkünfte mit einer abgeltenden Besteuerung der Kapitalerträge anderen Regelungen zu unterwerfen als bei den anderen Einkunftsarten, um hierdurch den Erfordernissen des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts Rechnung tragen zu können, entbinde ihn nicht von der Verpflichtung, die Besteuerung innerhalb der Schedule der Kapitaleinkünfte folgerichtig, das heißt gleichheitsgerecht auszugestalten. Diese Verpflichtung beinhalte auch, positive und negative Kapitalerträge innerhalb der Schedule folgerichtig zu besteuern.
III. In der Einführung des weiteren Verlustverrechnungskreises in § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG sei kein Systemwechsel des Gesetzgebers weg von dem nach wie vor in § 20 Abs. 6 Satz 2 EStG geregelten Grundprinzip der Gleichbehandlung positiver und negativer Kapitalerträge innerhalb der nach dem gesonderten Tarif zu besteuernden Kapitalerträge zu erkennen.
Jeder der gesonderten Verlustverrechnungskreise sei danach für sich betrachtet an Art. 3 Abs. 1 GG zu messen. Aus dem Vorhandensein mehrerer Verlustverrechnungskreise innerhalb der Schedule der Kapitaleinkünfte lasse sich auch nicht ableiten, dass für die einzelnen Verlustverrechnungskreise geringere Anforderungen für die folgerichtige Ausgestaltung des Gesetzes und für die Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung zu stellen sind, als vom Senat im Vorlagebeschluss vom 17.11.2020 (VIII R 11/18 - BFHE 271, 399 = BStBl II 2021, 562) zur Verlustverrechnungsbeschränkung für Aktienveräußerungsverluste dargelegt worden seien.
IV. Während § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG eine Verrechnung von Verlusten und Gewinnen innerhalb artgleicher Aktienveräußerungsgeschäfte im Verlustentstehungsjahr unbegrenzt zulasse, werde die Verlustverrechnung durch § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG innerhalb der artgleichen Termingeschäfte betragsmäßig eingeschränkt. Verluste aus Termingeschäften, denen (artgleiche) Gewinne aus Termingeschäften gegenüberstünden, würden im Verlustentstehungsjahr hingegen oberhalb der Verlustverrechnungsgrenze von 20.000 Euro vom Verlustausgleich ausgeschlossen, während verbleibende Gewinne aus Termingeschäften – vorbehaltlich der Verrechnung mit sonstigen Verlusten aus Kapitalvermögen – vollumfänglich der Besteuerung unterworfen würden. Diese asymmetrische Besteuerung von Gewinnen und Verlusten aus Termingeschäften widerspreche dem objektiven Nettoprinzip, dessen Ausfluss es gerade sei, dass Gewinne und Verluste steuerlich gleichbehandelt würden.
V. § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG bewirke bei einem Sachverhalt wie im Streitfall, dass im Verlustentstehungsjahr Gewinne aus Termingeschäften besteuert werden würden, die der Steuerpflichtige wirtschaftlich nicht erzielt habe. Dies führe zu einer Nachschusspflicht des Steuerpflichtigen aus anderen Einkünften oder versteuertem Vermögen, wenn die anfallende Einkommensteuer nicht aus den durch Termingeschäfte erwirtschafteten Einnahmen entrichtet werden könne. So übersteige im Streitfall die auf die Einnahmen aus Termingeschäften anfallende Einkommensteuer (213.826 Euro * 25% = 53.456 Euro) den wirtschaftlichen Gesamtgewinn aus den Termingeschäften des Streitjahrs (23.342 Euro).
VI. § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG könne zudem einen vollständigen Ausschluss des Ausgleichs von Verlusten aus Termingeschäften oberhalb eines Betrags von 20.000 Euro in der Totalperiode begünstigen. Die doppelte Begrenzung des Verlustausgleichs und der Verlustverrechnung führe zu einer zeitlichen Streckung der Verrechnung von Verlusten aus Termingeschäften. Die Grundkonzeption einer zeitlichen Streckung der Verlustverrechnung sei verfassungsrechtlich nur dann nicht zu beanstanden, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Verlustausgleich in der Totalperiode gänzlich ausgeschlossen sei. Hiervon sei bei § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG aber gerade nicht auszugehen. Ebenso wie bei der Verlustverrechnungsbeschränkung für Aktienveräußerungsverluste (vgl. BFH, Vorlagebeschl. v. 17.11.2020 - VIII R 11/18 Rn. 47 - BFHE 271, 399 = BStBl II 2021, 562) könne bei der Verlustverrechnungsbeschränkung für Termingeschäfte in § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG nicht wie bei einer einkünfteübergreifenden Verlustverrechnungsbeschränkung im Wege typisierender Betrachtung davon ausgegangen werden, dass Verluste aus Termingeschäften in der Totalperiode vollständig ausgeglichen werden würden, so dass dem Steuerpflichtigen die ganze oder teilweise Nichtberücksichtigung des Verlustes drohe. Da ein Verlustrücktrag nicht möglich sei, bestehe bereits zu Lebzeiten des Steuerpflichtigen die typische Gefahr einer weitgehenden Nichtverrechenbarkeit, wenn nach der Realisation eines Verlustes aus Termingeschäften keine gleichartigen Gewinne nachfolgten. Die jährliche Betragsgrenze von 20.000 Euro verschärfe diesen Effekt und begünstige bei hohen Verlusten die Gefahr eines endgültigen Verlustuntergangs. Ein Steuerpflichtiger müsse beispielsweise zur Verrechnung eines Verlustes aus einem Termingeschäft i.H.v. 1 Mio. Euro noch weitere 50 Jahre leben und in jedem dieser 50 Jahre hinreichende Gewinne aus Termingeschäften und Stillhalterprämien erzielen, um eine vollständige Verlustverrechnung zu erreichen; würde er in den Folgejahren auch jeweils Verluste aus Termingeschäften erzielen, würde sich die Verrechnung der Verluste entsprechend verlängern. Auch im Streitfall bräuchte der Antragsteller für die Verrechnung des gesondert festgestellten Verlustes i.H.v. 207.289 Euro über zehn Jahre, um die Verluste auszugleichen, vorausgesetzt, er würde in den Folgejahren jedes Jahr positive Einkünfte aus Termingeschäften und Stillhalterprämien i.H.v. mindestens 20.000 Euro und keine weiteren ausgleichsfähigen Verluste aus Kapitalvermögen erzielen. Hinzu komme, dass dann, wenn der Steuerpflichtige im Folgejahr der Verlustentstehung weitere Termingeschäfte tätige und hieraus Verluste erziele, diese neuen Verluste vorrangig mit aktuellen Gewinnen aus Termingeschäften und solchen aus Stillhalterprämien gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG dieses Jahres bis zur absoluten Verlustverrechnungsgrenze von 20.000 Euro auszugleichen seien. In Fällen wie im Streitfall sei deshalb nicht nur eine sofortige vollständige Berücksichtigung ausgeschlossen, sondern die Verlustberücksichtigung könne endgültig unmöglich sein.
VII. Bei der gebotenen summarischen Prüfung seien keine tragfähigen sachlichen Rechtfertigungsgründe für die dargelegten Ungleichbehandlungen ersichtlich. Anders, als es der Gesetzgeber beabsichtigt habe, sei § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG nicht geeignet, die für Anleger bestehenden Verlustrisiken zu begrenzen. Der Steuerpflichtige werde durch die Verluststreckung im Gegenteil dazu angehalten, weiterhin in Termingeschäfte zu investieren, um die entstandenen Verluste mit künftigen Gewinnen verrechnen zu können. Die Einschränkung der Verlustverrechnung erhöhe zudem die aus wirtschaftlicher Sicht nachteiligen Folgen für den Steuerpflichtigen, da er die Möglichkeit verliere, seine Verluste aus Termingeschäften steuerlich geltend zu machen und sie damit zum Teil wirtschaftlich auszugleichen. § 20 Abs. 6 Satz 5 Halbsatz 1 EStG bewirke die Besteuerung wirtschaftlicher Scheingewinne. Dies lege zumindest nahe, dass der Gesetzgeber weniger den Anleger davor habe schützen wollen, zu hohe Verlustrisiken einzugehen, als den Fiskus vielmehr vor den Risiken für das Steueraufkommen, die aber weder beziffert noch inhaltlich konkretisiert würden. Auch ein etwaiger Abschreckungscharakter für die Durchführung von Termingeschäften, den die Regelung in § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG aufgrund der dargelegten gravierenden Folgen für den Steuerpflichtigen bei einem hohen Verlust beinhalte, stelle keinen tragfähigen Rechtfertigungsgrund dar. Termingeschäfte seien nicht in jedem Fall hochspekulative Anlagen, sondern dienten regelmäßig als Absicherungsgeschäfte, etwa zur Absicherung von Kurs-, Währungs- oder Zinsrisiken, und entfalteten als solche risikomindernde Wirkung.
VIII. Das FG habe zu Recht ein berechtigtes Interesse an der AdV des angefochtenen Einkommensteuerbescheids bejaht. Dabei könne offenbleiben, ob es in den Fällen, in denen die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts auf verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Gültigkeit der dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm beruhen, eines besonderen Aussetzungsinteresses bedürfe (vgl. zum Streitstand BFH, Beschl. v. 23.05.2022 - V B 4/22 (AdV) Rn. 22 f. m.w.N. - BFH/NV 2022, 1030; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 24.10.2011 - 1 BvR 1848/11, 1 BvR 2162/11 Rn. 4 - HFR 2012, 89 und BVerfG, Beschl. v. 06.05.2013 - 1 BvR 821/13 Rn. 7 - HFR 2013, 639). Jedenfalls im Streitfall falle die Interessenabwägung zugunsten der Antragsteller aus. Die Bedenken bezüglich der Verfassungsmäßigkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG i.d.F. des JStG 2020 seien von hinreichendem Gewicht und die Anwendung der Vorschrift habe für den Antragsteller Auswirkungen von erheblichem Gewicht, da sie dazu führe, dass auf einen wirtschaftlich im Streitjahr erzielten Gesamtgewinn aus Termingeschäften i.H.v. 23.342 Euro Einkommensteuer i.H.v. 53.456 Euro gezahlt werden müsse. Außerdem sei weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass die Gewährung der AdV im Streitfall das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung berühren könne.


C.
Kontext der Entscheidung
I. Der durch Art. 5 Nr. 1 des Gesetzes zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen vom 21.12.2019 (BGBl I 2019, 2875) geschaffene und durch das Jahressteuergesetz 2020 modifizierte § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG, der auf nach dem 31.12.2020 entstehende Verluste aus Termingeschäften anzuwenden ist , schafft – vergleichbar dem Verlustverrechnungskreis für Aktienverluste gemäß § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG – neben dem allgemeinen Verlustverrechnungsverbot des § 20 Abs. 6 Satz 1 EStG einen speziellen Verlustverrechnungskreis für Termingeschäfte, indem Verluste aus Termingeschäften gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG nur mit Gewinnen aus Termingeschäften gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG und solchen aus Stillhalterprämien gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG, nicht aber mit Gewinnen aus anderen Kapitalanlagen ausgeglichen und verrechnet werden dürfen. Darüber hinaus sind der Verlustausgleich und die Verlustverrechnung – anders als bei Aktienverlusten – auch der Höhe nach auf jährlich 20.000 Euro beschränkt. Nicht ausgeglichene Verluste aus Termingeschäften sind in die Folgejahre vorzutragen und dort jeweils i.H.v. 20.000 Euro mit Gewinnen aus Termingeschäften oder mit Einkünften aus Stillhalterprämien zu verrechnen, wenn nach dem unterjährigen Ausgleich mit Verlusten aus Termingeschäften dieses Jahres ein verrechenbarer Gewinn verbleibt und das Verrechnungsvolumen i.H.v. 20.000 Euro durch den unterjährigen Verlustausgleich noch nicht verbraucht ist. Verbleiben nach Durchführung des sachlich und betragsmäßigen Verlustausgleichs und der Verlustverrechnung gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG in einem Veranlagungszeitraum positive Kapitalerträge aus Termingeschäften, können diese in diesem Jahr mit sonstigen negativen Kapitalerträgen des Verlustentstehungsjahrs verrechnet werden; sie können zudem mit vorgetragenen Verlusten gemäß § 20 Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 6 Satz 6 EStG und mit vorgetragenen Verlusten gemäß § 20 Abs. 6 Satz 3 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 EStG verrechnet werden (vgl. im Einzelnen ergänzendes BMF-Schreiben vom 11.07.2023, BStBl I 2023, 1471, Tz. 118). Diese doppelte Begrenzung des Verlustausgleichs und der Verlustverrechnung führt zu einer zeitlichen Streckung der Verrechnung von Verlusten aus Termingeschäften. Durch die betragsmäßige Begrenzung wirkt 20 Abs. 6 Satz 5 EStG außerdem schärfer als die Verlustverrechnungsbeschränkung für Verluste aus der Veräußerung von Aktien des § 20 Abs. 6 Satz 4 EStG. Bei beiden Verlustverrechnungskreisen handelt es sich um „Schedulen innerhalb der Schedule“ der Kapitaleinkünfte (Bleschick in: Kirchhof/Seer, EStG, 23. Aufl., § 20 Rn. 177a).
II. Der VIII. Senat des BFH hatte bereits in seinem Vorlagebeschluss vom 17.11.2020 (VIII R 11/18 - BFHE 271, 399 = BStBl II 2021, 562) die Verlustverrechnungsbeschränkung für artgleiche Aktienveräußerungsverluste für verfassungswidrig erachtet. Durch § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG wird für Termingeschäftsverluste die Verlustverrechnung weiter gehend nicht nur auf artgleiche Termingeschäfte beschränkt, sondern zusätzlich betragsmäßig eingeschränkt. Verluste aus Termingeschäften, denen (artgleiche) Gewinne aus Termingeschäften gegenüberstehen, werden im Verlustentstehungsjahr oberhalb von 20.000 Euro vom Verlustausgleich ausgeschlossen, während verbleibende Gewinne aus Termingeschäften – vorbehaltlich der Verrechnung mit sonstigen Verlusten aus Kapitalvermögen – vollumfänglich der Besteuerung unterworfen werden. Darin liegt nach Auffassung des VIII. Senats in der Besprechungsentscheidung eine doppelte Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen, die Verluste aus Termingeschäften erzielen, die bei der im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung gebotenen summarischen Prüfung sachlich nicht durch ausreichend tragfähige Gründe gerechtfertigt ist.


D.
Auswirkungen für die Praxis
I. Bei der Besprechungsentscheidung handelt es sich um einen Beschluss im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung, das keinen Rahmen für eine Vorlage an das BVerfG im Wege der konkreten Normenkontrolle (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG) bietet.
II. Mit Urteil vom 29.04.2024 (10 K 1091/23 - EFG 2024, 1505) hat das FG Stuttgart entschieden, dass § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG i.d.F. des JStG 2020 v. 21.12.2020 trotz bestehender verfassungsrechtlicher Bedenken noch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Von der Einholung einer Entscheidung des BVerfG hat das FG dementsprechend abgesehen. Das FG Stuttgart hat die Revision zugelassen, die unter dem Az. VIII R 11/24 beim BFH anhängig ist.



Immer auf dem aktuellen Rechtsstand sein!

IHRE VORTEILE:

  • Unverzichtbare Literatur, Rechtsprechung und Vorschriften
  • Alle Rechtsinformationen sind untereinander intelligent vernetzt
  • Deutliche Zeitersparnis dank der juris Wissensmanagement-Technologie
  • Online-First-Konzept

Testen Sie das juris Portal 30 Tage kostenfrei!

Produkt auswählen

Sie benötigen Unterstützung?
Mit unserem kostenfreien Online-Beratungstool finden Sie das passende Produkt!