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Anmerkung zu:BFH 6. Senat, Urteil vom 23.11.2023 - VI R 9/21
Autor:Dr. Stephan Geserich, RiBFH
Erscheinungsdatum:02.04.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 22 EStG, § 19 EStG, § 3 EStG
Fundstelle:jurisPR-SteuerR 13/2024 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Peter Fischer, Vors. RiBFH a.D.
Prof. Dr. Franz Dötsch, Vors. RiBFH a.D.
Zitiervorschlag:Geserich, jurisPR-SteuerR 13/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Arbeitslohn bei Teilerlass eines nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz geförderten Darlehens



Leitsatz

Der allein vom Bestehen der Abschlussprüfung abhängige Darlehensteilerlass bei der beruflichen Aufstiegsfortbildung ist Ersatz von Werbungskosten aus in der Erwerbssphäre liegenden Gründen und führt daher zu Arbeitslohn.



A.
Problemstellung
Streitig ist, ob Arbeitslohn bei Teilerlass eines nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz geförderten Darlehens vorliegt.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin nahm in den Jahren 2014 und 2015 an sogenannten Aufstiegsfortbildungen teil, die von der Investitions- und Förderbank Niedersachsen mit Zuschüssen und Darlehen für die Kosten der Lehrveranstaltungen gefördert wurden. Die Darlehen wurden der Klägerin auf ihren Antrag von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) gewährt. In den Bedingungen war vorgesehen, dass dem Darlehensnehmer bei Bestehen der Fortbildungsprüfung ein bestimmter Prozentsatz des zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig gewordenen Darlehens für die Lehrgangs- und Prüfungsgebühren erlassen wird. Die Kosten der Lehrveranstaltungen – teilweise gekürzt um die Zuschüsse – erkannte das Finanzamt in den Jahren 2014 und 2015 als Werbungskosten an. Nach dem erfolgreichen Abschluss der Fortbildungen erließ die KfW der Klägerin im Streitjahr 2018 40% der noch valutierenden Darlehen. Das Finanzamt erhöhte den Bruttoarbeitslohn der Klägerin im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr um diesen Erlassbetrag. Der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage hat das FG stattgegeben. Es war der Ansicht, dass der gewährte Darlehensteilerlass keine Einnahme bei der Einkunftsart (§ 19 EStG) darstelle, bei der die durch das Darlehen finanzierten Lehrgangs- und Prüfungsgebühren als Werbungskosten steuermindernd berücksichtigt worden seien. Ein solcher Darlehenserlass sei auch nicht als sonstige Leistung nach § 22 Nr. 3 EStG zu besteuern (FG Hannover, Urt. v. 31.03.2021 - 14 K 47/20 - EFG 2021, 1366). Auf die Revision des FA hat der BFH die Vorentscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen.


C.
Kontext der Entscheidung
Der Rückfluss beziehungsweise die Erstattung (der Ersatz) von als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen aus in der Erwerbssphäre liegenden Gründen ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH als Einnahme bei der Einkunftsart zu erfassen, bei der die Werbungskosten früher abgezogen worden sind. So führen beispielsweise Leistungen aus einem Stipendium dann zu Arbeitslohn i.S.v. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, wenn das Stipendium dem Ersatz von Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit aus in der Erwerbssphäre liegenden Gründen dient (BFH, Urt. v. 29.09.2022 - VI R 34/20 - BStBl II 2023, 142 m.w.N.; Geserich, jurisPR-SteuerR 1/2023 Anm. 2). Dies gilt auch hinsichtlich der Erstattung von Lebenshaltungskosten (Unterkunft/Verpflegung), wenn diese ausnahmsweise z.B. im Rahmen einer steuerlich anzuerkennenden doppelten Haushaltsführung oder als Verpflegungsmehraufwand als Werbungskosten zu berücksichtigen sind. Ein Zusammenhang mit einem gegenwärtig bestehenden Arbeitsverhältnis ist nicht erforderlich.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Auf diesen (unstreitigen) Rechtsgrundsätzen gründete auch die Vorentscheidung. Gleichwohl hat sie der BFH aufgehoben. Denn das FG hat zwar darauf erkannt, dass der Darlehensteilerlass vorliegend einen zusätzlichen Anreiz (Erfolgsbonus) schaffen soll, eine berufliche Fortbildung durchzuführen und erfolgreich abzuschließen; diesen Umstand aber nicht der Erwerbssphäre der Klägerin zugeordnet. Dem ist der BFH in der Besprechungsentscheidung entgegengetreten. Für das Vorliegen eines mit dem Beruf zusammenhängenden und damit erwerbsbezogenen Grundes genüge es, dass das Darlehen zur Finanzierung von Werbungskosten hingegeben worden sei und der Erlass im Streitfall dem Grunde nach vom erfolgreichen Bestehen – der Abschlussprüfung – einer beruflichen Fortbildungsmaßnahme und nicht von der finanziellen Bedürftigkeit oder den persönlichen Lebensumständen des Darlehensnehmers abhänge (a. A. FG München, Urt. v. 30.05.2016 - 15 K 474/16 - EFG 2016, 1513: keine Kürzung von Werbungskosten um einen vom Freistaat Bayern gewährter Meisterbonus bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit; vgl. auch Bayerisches Landesamt für Steuern, 06.07.2016, S 2324.2.1-262/6 St32, FMNR41b130016). Ebenfalls ausgeschlossen ist der Erwerbsbezug bei Zahlungen aufgrund privater (z.B. verwandtschaftlicher) Nähebeziehungen. Eine solche stand hier aber nicht in Rede. Auch bei Zahlungen im Rahmen des sog. „Berliner Lehramts-Stipendiums“, bei dem sich die Stipendiaten zu einer mindestens dreijährigen Tätigkeit im Berliner Schuldienst nach Abschluss der Ausbildung, anderenfalls zur Rückzahlung des Stipendiums verpflichten, soll es sich um steuerbare und nicht steuerfreie Einkünfte handeln (FG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 30.03.2022 - 16 K 2083/20 - EFG 2022, 1186). Die vom FG zugelassene Revision zu der Frage, ob und in welcher Höhe die bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit geltend gemachten Werbungskosten um die gewährten Stipendienzahlungen (Zweckbestimmung Lebenshaltung) zu kürzen sind bzw. unter welchen Voraussetzungen ein Lehramtsstipendium eine freigebige Zuwendung und damit eine steuerfreie Einnahme (keine Verpflichtung zu einer bestimmten Arbeitnehmertätigkeit i.S. von § 3 Nr. 44 Satz 3 EStG) ist, hat jedoch zu keiner Entscheidung in der Sache geführt. Der BFH hat die Revision vielmehr als unzulässig verworfen (BFH, Beschl. v. 31.01.2024 - VI R 13/22).



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