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Anmerkung zu:BFH 8. Senat, Urteil vom 28.09.2022 - VIII R 39/19
Autor:Prof. Dr. Monika Jachmann-Michel, Vors. Ri’inBFH
Erscheinungsdatum:03.04.2023
Quelle:juris Logo
Normen:§ 1 MuSchG 2018, § 19 MuSchG, § 18 MuSchG, § 74 FGO, Art 100 GG, § 80 BVerfGG, § 20 MuSchG, § 18 EStG, § 19 EStG, § 1 MuSchG, § 8 EStG, § 4 EStG, § 13 MuSchG, § 14 MuSchG, Art 3 GG, § 3 EStG
Fundstelle:jurisPR-SteuerR 14/2023 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Peter Fischer, Vors. RiBFH a.D.
Prof. Dr. Franz Dötsch, Vors. RiBFH a.D.
Zitiervorschlag:Jachmann-Michel, jurisPR-SteuerR 14/2023 Anm. 1 Zitiervorschlag

Keine Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG bei Zuschüssen aufgrund eines Tarifvertrags



Leitsätze

1. Tarifvertragliche Zuschüsse einer Rundfunkanstalt an eine selbstständige Journalistin anlässlich ihrer Schwangerschaft und Mutterschaft sind nicht gemäß § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG steuerfrei.
2. Die Vorschrift des § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG verletzt insoweit nicht den allgemeinen Gleichheitssatz des Grundgesetzes.



A.
Problemstellung
Zu entscheiden war über die Besteuerung von Zuschüssen aufgrund eines Tarifvertrages, die solchen zum Mutterschaftsgeld ähneln.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin ist Journalistin und bei den Rundfunkanstalten E und X beschäftigt. Aus ihren beruflichen Tätigkeiten erzielte sie im Streitjahr 2014 zum einen geringfügige, nach Steuerklasse VI lohnversteuerte Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. In überwiegendem Umfang erzielte die Klägerin als arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiterin der E und der X Einkünfte aus selbstständiger Arbeit gemäß § 18 EStG. Aufgrund ihrer Schwangerschaft und der Geburt ihrer Tochter im März 2014 erhielt die Klägerin im Rahmen ihrer selbstständigen Tätigkeiten von den beiden Rundfunkanstalten im Streitjahr Beträge von 10.159 Euro (E) und 5.704 Euro (X) gutgeschrieben. Grundlage der Zahlungen waren für E und X geltende Tarifverträge, die im Fall des Nachweises einer Schwangerschaft jeweils Ansprüche auf Zuschusszahlungen für die Dauer von sechs Wochen vor der Geburt und acht (bei Frühgeburten oder Mehrlingsgeburten zwölf) Wochen nach der Geburt vorsahen.
Laut der Bescheinigung der E handelte es sich bei der Zahlung an die Klägerin um einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld, nicht um ein Honorar für Urheberleistungen. Nach dem für alle arbeitnehmerähnlichen freien Mitarbeiterinnen der E geltenden Tarifvertrag (E-Tarifvertrag) betrug der Zuschuss zusammen mit den Leistungen der Krankenversicherung oder eines vergleichbaren Trägers der Sozialversicherung je Kalendertag 75% von 1/365 der Vorjahresbezüge bei E zuzüglich einer etwaigen tariflichen Honorarerhöhung. Laut der Bescheinigung der X handelte es sich um eine Zuschusszahlung zu Leistungen der Krankenversicherung für die Dauer von sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Geburt. Nach dem Tarifvertrag der X (X-Tarifvertrag) wurde der Zuschuss wie folgt berechnet: „Die Beschäftigte erhält auf Antrag … einen Zuschuss, der zusammen mit den Leistungen der Krankenversicherung je Tag 1/365 der Vergütung beträgt, die sie in den letzten Monaten vor Beginn der 6-Wochen-Frist erzielt hat“.
In der Einkommensteuererklärung erklärte die Klägerin ihren Gewinn aus selbstständiger Tätigkeit ohne die tarifvertraglichen Zuschüsse. Sie wies diese stattdessen in der Anlage N als steuerfreie Lohnersatzleistungen aus. Eine Lohnsteuerbescheinigung mit einem Eintrag in der betreffenden Zeile 15 legte sie nicht vor. Das FA erfasste die Zuschüsse von 15.863 Euro als steuerpflichtige Einnahmen aus selbstständiger Arbeit. Einspruch und Klage (EFG 2020, 1114) hatten keinen Erfolg. Die Revision gegen das Urteil des FG hat der BFH als unbegründet zurückgewiesen. Er führte zur Begründung aus:
I. Bei den Zuschüssen handelt es sich um freiberufliche Einnahmen. Die Würdigung des FG, dass die der Klägerin im Streitjahr von E und X gutgeschriebenen Beträge steuerbare Betriebseinnahmen der Klägerin sind, ist nicht zu beanstanden. Der Umstand, dass mit den Zuschusszahlungen keine von der Klägerin erbrachten journalistischen Leistungen vergütet wurden, steht dem Vorliegen steuerbarer Einnahmen i.S.d. § 18 EStG nicht entgegen. Denn nur aufgrund ihrer selbstständigen Tätigkeiten für die beiden Rundfunkanstalten fanden der E-Tarifvertrag und der X-Tarifvertrag auf die Klägerin Anwendung. Die Veranlassung der Zuschusszahlungen durch ihre selbstständigen journalistischen Tätigkeiten als freie Mitarbeiterin der Rundfunkanstalten (d.h. nicht durch eine abhängige Beschäftigung bei diesen) ist gegeben, so dass der erforderliche Bezug zu dem freiberuflichen Betrieb der Klägerin (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) vorliegt.
II. Die freiberuflichen Betriebseinnahmen i.H.v. 15.863 Euro sind steuerpflichtig. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG sind nicht erfüllt.
1. Nach § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG sind insbesondere das Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG und der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG steuerfrei. Bei den von der Klägerin im Streitjahr vereinnahmten tarifvertraglichen Leistungen handelt es sich nicht um „Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG“. Die Auftraggeber E und X haben an die Klägerin auch keinen „Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG“ i.S.d. § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG gezahlt.
Die von den Auftraggebern gutgeschriebenen Zuschüsse wurden nicht auf der Grundlage des MuSchG an die Klägerin als Arbeitnehmerin der jeweiligen Rundfunkanstalt und auch nicht nach anderen in § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG ausdrücklich genannten Vorschriften gewährt, sondern nach den für freie Mitarbeiterinnen geltenden Tarifverträgen der E und der X.
2. Tarifvertragliche, dem Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG nachgebildete Zuschusszahlungen sind nicht nach § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG steuerbefreit. Zwar orientierten sich die tarifvertraglichen Zuschüsse an die Klägerin im Streitjahr an den Zuschüssen zum Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG, die Arbeitnehmerinnen von ihrem Arbeitgeber erhielten. Die Voraussetzungen des § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG sind bei tarifvertraglichen Zuschüssen jedoch nicht erfüllt, da nach dem Wortlaut des Gesetzes ausschließlich Zuschüsse auf der Grundlage des MuSchG (d.h. im Streitjahr nach § 14 MuSchG a.F.) erfasst werden. Während Arbeitnehmerinnen Zuschüsse zum Mutterschaftsgeld, die der Arbeitgeber an sie entrichtet, nach § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG steuerfrei erhalten, sieht das Gesetz eine Steuerbefreiung für Zuschüsse an selbstständige Frauen nicht vor. Die Steuerfreiheit kann nach dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes selbstständigen Müttern de lege lata auch dann nicht gewährt werden, wenn ihre Tätigkeit – wie bei der Klägerin als einer langjährigen freien Mitarbeiterin der Rundfunkanstalten E und X – „arbeitnehmerähnlich“ ausgestaltet ist.
3. § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG ist auf tarifvertragliche Zuschüsse auch nicht analog anwendbar (ebenso Brandis/Heuermann/Valta, § 3 Nr. 1 EStG Rn. 14; Niklaus in: BeckOK EStG, § 3 Nr. 1 EStG Rn. 172; vgl. auch Schmidt/Levedag, EStG, 41. Aufl., § 3 Rn. 11 und Kreft, Gestaltende Steuerberatung 2020, 261). Es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke, die durch eine analoge Anwendung der Vorschrift geschlossen werden müsste.
Aus der Entstehungsgeschichte des § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG und des MuSchG gehen keine Anhaltspunkte für eine planwidrige Lücke des Gesetzes hervor. Vor der Aufnahme der Steuerbefreiung in § 3 EStG bestand eine Steuerbefreiungsvorschrift für das Mutterschaftsgeld und den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld im MuSchG selbst (vgl. § 17 MuSchG i.d.F. v. 18.04.1968, BGBl I 1968, 315, 320). Durch das Gesetz zur Änderung des EStG und des Mutterschutzgesetzes v. 27.06.1979 (BGBl I 1979, 823) wurde der Buchstabe d in § 3 Nr. 1 EStG angefügt (zur Gesetzesbegründung vgl. BT-Drs. 8/2667 und 8/2816). Das Mutterschaftsgeld und der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld wurden im Gesetz ausdrücklich und nur unter Bezugnahme auf das MuSchG steuerbefreit. Die Gesetzeshistorie bestätigt damit die sprachliche Auslegung des § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG und lässt eine planwidrige Regelungslücke nicht erkennen.
4. Die seit dem 01.01.2018 geltende Neufassung des MuSchG (MuSchG n.F.) spricht ebenfalls gegen eine analoge Anwendung des § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG auf tarifvertragliche Zuschüsse an arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiterinnen. Im Gegensatz zur Rechtslage nach § 1 MuSchG a.F. erfasst der persönliche Anwendungsbereich des MuSchG nun zwar auch „Frauen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Person anzusehen sind“ (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 MuSchG n.F. und BT-Drs. 18/8963, S. 43, 51, 91). Bezüglich des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld nach § 20 MuSchG n.F. werden arbeitnehmerähnliche Personen hingegen auch weiterhin nicht in den gesetzlichen Mutterschutz nach dem MuSchG einbezogen (vgl. BAG, Urt. v. 23.05.2018 - 5 AZR 263/17 Rn. 34 - BAGE 162, 387). Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 MuSchG n.F. gilt das Gesetz für arbeitnehmerähnlich beschäftigte Frauen nur „mit der Maßgabe, dass die §§ 18, 19 Abs. 2 und § 20 MuSchG auf sie nicht anzuwenden sind“. Von den gesetzlichen Regelungen zum Mutterschutzlohn, zum Mutterschaftsgeld und zum Zuschuss zum Mutterschaftsgeld (§§ 18 bis 20 MuSchG n.F.) ist lediglich § 19 Abs. 1 MuSchG n.F. (Mutterschaftsgeld für Mitglieder einer gesetzlichen Krankenkasse) auf arbeitnehmerähnliche Frauen anwendbar. Nicht in den gesetzlichen Mutterschutz für arbeitnehmerähnliche Frauen einbezogen sind nach wie vor die Zuschüsse zum Mutterschaftsgeld. Die Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG a.F. ist auch nicht – wie von den Klägern geltend gemacht wird – dahingehend unionsrechtskonform auszulegen, dass auch selbstständige Frauen einen Anspruch auf den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld haben (vgl. BAG, Urt. v. 23.05.2018 - 5 AZR 263/17 Rn. 32 ff. - BAGE 162, 387).
III. Eine Aussetzung des Revisionsverfahrens gemäß § 74 FGO und eine Vorlage an das BVerfG zur verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. den §§ 80 ff. BVerfGG) kommen nicht in Betracht. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG in seiner beschriebenen Auslegung den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt.
1. Für die Prüfung der Vereinbarkeit einer Steuerbefreiung des EStG mit Art. 3 Abs. 1 GG gelten die folgenden Grundsätze.
a) Nach Art. 3 Abs. 1 GG sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Das hieraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches seinem Wesen entsprechend ungleich zu behandeln, gilt für Belastungen wie auch für Begünstigungen. Verboten ist daher auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem eine Begünstigung einem Personenkreis gewährt, einem anderen, vergleichbaren Personenkreis aber vorenthalten wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.06.2022 - 2 BvL 9/14 Rn. 68 - HFR 2022, 872). Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen. Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst sachlich einleuchtender Grund für eine gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich insbesondere ergeben, wenn und soweit sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann. Zudem verschärfen sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für Einzelne verfügbar sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.12.2021 - 2 BvL 1/13 Rn. 51 ff. - NJW 2022, 532; BVerfG, Beschl. v. 07.04.2022 - 1 BvL 3/18 Rn. 239 - NJW 2022, 2169; BVerfG, Beschl. v. 28.06.2022 - 2 BvL 9/14, 2 BvL 10/14, 2 BvL 13/14, 2 BvL 14/14 Rn. 69 ff. m.w.N. - FamRZ 2022, 1526 = HFR 2022, 872).
b) Art. 3 Abs. 1 GG belässt dem Steuergesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstands ebenso wie bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Der allgemeine Gleichheitssatz bindet ihn an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit, der insbesondere im Einkommensteuerrecht gebietet, die steuerliche Belastung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten. Gemäß dem Gebot möglichst gleich hoher Belastung bei gleicher Leistungsfähigkeit (horizontale Steuergerechtigkeit) muss die Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands folgerichtig i.S.v. belastungsgleich erfolgen. Ausnahmen bedürfen eines besonderen sachlichen Grunds, der die Ungleichbehandlung nach Art und Ausmaß zu rechtfertigen vermag (vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.12.2021 - 2 BvL 1/13 Rn. 56 f. - NJW 2022, 532; BVerfG, Beschl. v. 28.06.2022 - 2 BvL 9/14, 2 BvL 10/14, 2 BvL 13/14, 2 BvL 14/14 Rn. 75 f. - HFR 2022, 872, und BVerfG, Beschl. v. 19.11.2019 - 2 BvL 22/14 Rn. 99 f. m.w.N. - BVerfGE 152, 274).
c) Der Gesetzgeber darf bei der Ausgestaltung der mit der Wahl des Steuergegenstands getroffenen Belastungsentscheidung generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen, ohne allein schon wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Die gesetzlichen Verallgemeinerungen müssen allerdings von einer möglichst breiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beobachtung ausgehen. Insbesondere darf der Gesetzgeber keinen atypischen Fall als Leitbild wählen, sondern muss realitätsgerecht den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen. Die Vorteile der Typisierung müssen im rechten Verhältnis zu der mit ihr notwendig verbundenen Ungleichheit der steuerlichen Belastung stehen. Typisierung setzt voraus, dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und das Ausmaß der Ungleichbehandlung gering ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.11.2019 - 2 BvL 22/14 Rn. 101 ff. - BVerfGE 152, 274, und BVerfG, Beschl. v. 28.06.2022 - 2 BvL 9/14, 2 BvL 10/14, 2 BvL 13/14, 2 BvL 14/14 Rn. 73 f. m.w.N. - HFR 2022, 872).
2. Gemessen an diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben ist der Senat nicht von der Verfassungswidrigkeit des § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG überzeugt.
a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG wird nicht dadurch verletzt, dass § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG keine Steuerbefreiung für Zuschüsse an freie Mitarbeiterinnen auf tarifvertraglicher Grundlage vorsieht, die Zuschüssen zum Mutterschaftsgeld (§ 14 MuSchG a.F., § 20 MuSchG n.F.) nachgebildet sind. Im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit durfte der Gesetzgeber bei der Abgrenzung der Steuerbefreiung für Leistungen während der Mutterschutzfristen zwischen Einkünfte gemäß § 18 EStG erzielenden selbstständigen Frauen und Einkünfte gemäß § 19 EStG erzielenden nichtselbstständigen Frauen differenzieren.
b) Soweit das Ausgangsverfahren die Zuschüsse nach dem X-Tarifvertrag betrifft, hat der Senat schon deshalb keinen Zweifel an der Vereinbarkeit der Steuerpflicht mit Art. 3 Abs. 1 GG, weil der Zuschuss danach zusammen mit den Leistungen der Krankenversicherung „je Tag 1/365“ der Vergütung in den letzten Monaten vor Beginn der Sechs-Wochen-Frist vor der Geburt beträgt. Im Gegensatz zur Bemessung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG wird der Zuschuss nach dem X-Tarifvertrag ohne Verminderung um gesetzliche Abzüge bemessen (anders die Bezugsgröße „75% von 1/365“ nach dem E-Tarifvertrag, die einen pauschalen Abzug vorsieht). Die Besteuerung der nach den ungekürzten Vergütungen bemessenen Zuschüsse nach dem X-Tarifvertrag entspricht der Besteuerung der Vergütungen bei aktiver Beschäftigung und ist damit folgerichtig. Auch im Vergleich zur Steuerfreiheit der nach dem Gesetz nur in gekürzter Höhe bemessenen Zuschüsse zum Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG ist die Steuerpflicht ungekürzter Zuschusszahlungen nach einem Tarifvertrag sachlich begründet.
c) Auch unabhängig von der Zuschusshöhe (gekürzt oder ungekürzt) durfte der Gesetzgeber im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 GG bei der normativen Ausgestaltung der Steuerbefreiung für Zuschüsse zum Mutterschaftsgeld typisierend danach differenzieren, ob eine abhängige Beschäftigung mit Zuschussberechtigung nach dem MuSchG vorliegt oder ob dies – wie im Fall der Klägerin – nicht der Fall ist. Es besteht von Verfassungs wegen keine Verpflichtung, Zuschüsse an selbstständig beschäftigte Schwangere und Mütter aufgrund eines Tarifvertrags in die Steuerbefreiung einzubeziehen. Unter Inkaufnahme gewisser Härten in Einzelfällen durfte der Gesetzgeber darauf verzichten, „arbeitgeberähnliche Auftraggeber“ zu definieren, um auch deren Zuschusszahlungen steuerfrei zu stellen. Mit der Bezugnahme auf das MuSchG hat der Gesetzgeber den typischen Fall als für die Steuerbefreiung maßgeblich zugrunde gelegt. Der sachliche Grund, der die nach der Art der Beschäftigung differenzierende Befreiung von der Einkommensteuer zu rechtfertigen vermag, ist die Wesensverschiedenheit von selbstständiger und nichtselbstständiger Arbeit. Selbstständige und Nichtselbstständige unterscheiden sich nicht nur bezüglich der einkommensteuerlichen Einkunftsart, sondern auch in ihrem wirtschaftlichen und sozialen Status wesentlich. Im Gegensatz zu nichtselbstständig beschäftigten Frauen auf der Grundlage des MuSchG erhalten selbstständige Frauen im typischen Fall von ihren Auftraggebern keinen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld und haben darauf auch keinen gesetzlichen oder vertraglichen Anspruch. Die Vergütung einer selbstständig tätigen Person durch ihren Auftraggeber ist vielmehr regelmäßig von einer tatsächlich erbrachten Dienstleistung abhängig, während leistungsunabhängige Vergütungen bei selbstständiger Arbeit atypisch sind. Dass sich dies im Bereich des Rundfunks aufgrund seiner besonderen rechtlichen und tariflichen Rahmenbedingungen anders verhält, ist nicht zuletzt auf rundfunkspezifische Besonderheiten zurückzuführen (vgl. zum Status programmgestaltender Rundfunkmitarbeiter BAG, Urt. v. 19.01.2000 - 5 AZR 644/98 - BAGE 93, 218; BAG, Urt. v. 25.08.2020 - 9 AZR 373/19 Rn. 20 ff. - NJW 2020, 3802; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 13.01.1982 - 1 BvR 848/77 - BVerfGE 59, 231). Hiervon ausgehend besteht auch in diesem Bereich die Möglichkeit, sozial motivierte Tarifverträge im Interesse selbstständiger Mütter so auszugestalten, dass der Schutz und Lebensstandard der Schwangeren und Mütter während der Mutterschutzfristen vollständig gewahrt bleiben (vgl. X-Tarifvertrag).
d) Die Unterscheidung nach der Art der Beschäftigung liegt ferner auch der Abgrenzung des Kreises der anspruchsberechtigten Frauen nach dem MuSchG zugrunde. Laut der Gesetzesbegründung zum MuSchG n.F. (vgl. BT-Drs. 18/8963, S. 51, 91) findet der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld für Frauen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbstständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind, gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 MuSchG n.F. keine Anwendung, da Art und Umfang der finanziellen Absicherung der Entscheidung der selbstständig Tätigen vorbehalten sei und somit außerhalb des Verantwortungs- und Gestaltungsbereichs des Auftraggebers liege. Das MuSchG selbst und insbesondere der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG sind zwar weder einfachrechtlich noch verfassungsrechtlich unmittelbarer Gegenstand des vorliegenden Revisionsverfahrens. Es stellt sich hier deshalb nicht die Frage, ob es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist, dass arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiterinnen hinsichtlich des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld nach dem MuSchG abhängig Beschäftigten gesetzlich nicht gleichgestellt sind (Ungleichbehandlung durch das MuSchG). Der aus der Gesetzesbegründung zum MuSchG n.F. hervorgehende sachliche Grund für die Differenzierung auf der Ebene des MuSchG spricht nach Auffassung des Senats jedoch ebenfalls für die Vereinbarkeit von § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG mit Art. 3 Abs. 1 GG.


C.
Kontext der Entscheidung
I. Betriebseinnahmen sind in Anlehnung an die §§ 8 Abs. 1 und 4 Abs. 4 EStG alle Zugänge in Geld oder Geldeswert, die durch den Betrieb veranlasst sind. Eine Zuwendung ist betrieblich veranlasst, wenn insoweit ein nicht nur äußerlicher, sondern sachlicher, wirtschaftlicher Zusammenhang gegeben ist. Für die Beurteilung des Veranlassungszusammenhangs kommt es nicht auf die zivilrechtliche Rechtsgrundlage der Leistung an. Als betrieblich veranlasst sind nicht nur solche Einnahmen zu werten, die aus der maßgeblichen Sicht des Unternehmers Entgelt für betriebliche Leistungen darstellen. Es ist weder erforderlich, dass der Vermögenszuwachs im Betrieb erwirtschaftet wurde, noch, dass der Steuerpflichtige einen Rechtsanspruch auf die Einnahme hat. Betriebseinnahmen können somit auch vorliegen, wenn der Steuerpflichtige als Betriebsinhaber unentgeltliche Zuwendungen erhält, mit denen weder ein zuvor begründeter Rechtsanspruch erfüllt noch eine in der Vergangenheit erbrachte Leistung vergütet werden soll. Erforderlich ist nur, dass die Zuwendung einen wirtschaftlichen Bezug zum Betrieb aufweist.
II. Rechtsgrundlage des Mutterschaftsgeldes war im Streitjahr § 13 MuSchG a.F. Im Fall der Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse erhielten Frauen gemäß § 13 Abs. 1 MuSchG a.F. für die Zeit der Mutterschutzfristen (d.h. grundsätzlich sechs Wochen vor und acht Wochen nach der Entbindung) Mutterschaftsgeld nach krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften (insbesondere nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch) sowie bei fehlender Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse gemäß § 13 Abs. 2 MuSchG a.F. zulasten des Bundes.
Der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld war im Streitjahr in § 14 MuSchG a.F. geregelt. Mutterschaftsgeldberechtigte Frauen erhielten danach während ihres bestehenden Arbeitsverhältnisses für die Zeit der Mutterschutzfristen und für den Entbindungstag von ihrem Arbeitgeber einen Zuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen 13 Euro und dem um die gesetzlichen Abzüge verminderten durchschnittlichen kalendertäglichen Arbeitsentgelt (§ 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG a.F.; zur Ermittlung vgl. § 14 Abs. 1 Sätze 2 ff. MuSchG a.F.).
III. Eine für eine Analogie erforderliche, erkennbar planwidrige Regelungslücke liegt nur vor, wenn das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und der ihm immanenten Teleologie, unvollständig und somit ergänzungsbedürftig ist und seine Ergänzung nicht einer gesetzlich gewollten Beschränkung auf bestimmte Tatbestände widerspricht. Hiervon zu unterscheiden ist der sog. rechtspolitische Fehler, der gegeben ist, wenn sich eine gesetzliche Regelung zwar als rechtspolitisch verbesserungsbedürftig, aber doch nicht – gemessen an der dem Gesetz immanenten Teleologie – als planwidrig unvollständig und ergänzungsbedürftig erweist. Ob es sich um eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke oder lediglich um einen sog. rechtspolitischen Fehler handelt, ist unter Heranziehung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) zu ermitteln, wobei für den danach erforderlichen Vergleich auf die Wertungen des Gesetzes und insbesondere auf dessen Entstehungsgeschichte zurückzugreifen ist.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Der BFH stellt in der Besprechungsentscheidung klar, dass § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG wortlautgetreu auszulegen und nicht auf Leistungen zu erstrecken ist, die den explizit geregelten Leistungen sozial- bzw. wirtschaftlich vergleichbar sind. Dies entspricht dem allgemeinen Auslegungsgrundsatz, wonach Steuerbefreiungsvorschriften eng auszulegen sind.



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