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Anmerkung zu:BFH 6. Senat, Urteil vom 10.08.2023 - VI R 29/21
Autor:Dr. Marko Oldenburger, RA, FA für Familienrecht und FA für Medizinrecht
Erscheinungsdatum:26.10.2023
Quelle:juris Logo
Normen:§ 1 ESchG, § 33 EStG, Art 1 GG
Fundstelle:jurisPR-MedizinR 10/2023 Anm. 1
Herausgeber:Möller und Partner - Kanzlei für Medizinrecht
Zitiervorschlag:Oldenburger, jurisPR-MedizinR 10/2023 Anm. 1 Zitiervorschlag

Keine außergewöhnlichen Belastungen bei Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Ersatzmutterschaft



Leitsatz

Aufwendungen eines gleichgeschlechtlichen (Ehe-)Paares im Zusammenhang mit einer Ersatzmutterschaft sind nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.



Orientierungssatz zur Anmerkung

Die ungewollte Kinderlosigkeit gleichgeschlechtlicher Ehepaare stellt keinen regelwidrigen körperlichen Zustand dar.



A.
Problemstellung
Nach h.M. können Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung als außergewöhnliche Belastung nach § 33 Abs. 1 EStG berücksichtigt werden. Erforderlich dafür ist, dass die künstliche Befruchtung mit dem Ziel erfolgt, die auf einer Krankheit beruhende Kinderlosigkeit zu beheben. Der BFH hat klargestellt, dass die Aufwendungen jedoch nur dann zu berücksichtigen sind, wenn die Behandlung nicht gegen das Embryonenschutzgesetz (ESchG) verstößt. Die Aufwendungen bei Verwendung einer gespendeten Eizelle sind von daher nicht anerkennungsfähig (Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Nr. 1, 2 ESchG). Wird im Ausland legal eine Leihmutterschaft durchgeführt, weil die Erfüllung des Kinderwunsches durch eine Erkrankung (im Inland) unmöglich ist, kann der Anerkennungsfähigkeit also bereits ein Verstoß gegen das ESchG entgegenstehen. Ungeklärt ist aber, ob bei einer ausländischen Kinderwunscherfüllung mittels Leihmutter eines gleichgeschlechtlichen Paares ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen unabhängig eines Verstoßes gegen das ESchG bereits grundsätzlich eine Anerkennung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen ist.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Kläger, ein gleichgeschlechtliches verheiratetes Paar, erfüllten sich den Kinderwunsch unter Zuhilfenahme einer Leihmutter in den USA. Die dafür entstandenen Aufwendungen haben sie im Rahmen ihrer Steuererklärung als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 EStG in Ansatz gebracht.
Das Finanzamt hat den Abzug nicht vorgenommen und zur Begründung angeführt, dass Leihmutterschaft in Deutschland gemäß § 1 Abs. 1 ESchG verboten sei. Auf einer Verbotsnorm beruhende Aufwendungen seien aber grundsätzlich nicht steuerlich zu berücksichtigen. Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen. Der BFH hat die dagegen eingelegte Revision zurückgewiesen.
Die Voraussetzungen einer Ermäßigung der Einkommensteuer gemäß § 33 Abs. 1 EStG lägen nicht vor. Zwar sei es anerkannt, dass Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastungen in Ansatz gebracht werden können, wenn sie zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel erbracht werden, die Krankheit erträglich zu machen (BFH, Urt. v. 10.03.2015 - VI R 60/11 - BFHE 249, 468 = BStBl II 2015, 695 Rn. 10; BFH, Urt. v. 14.11.2013 - VI R 20/12 - BFHE 244, 285 = BStBl II 2014, 456 Rn. 13). Eine Leihmutterschaft stelle aber keine krankheitsbedingte Aufwendung dar. Eine ungewollte Kinderlosigkeit eines gleichgeschlechtlichen Paares gründe sich nicht auf einem regelwidrigen körperlichen Zustand, sondern auf den biologischen Grenzen der Fortpflanzung. Das folge im Übrigen auch aus dem Krankheitsbegriff der WHO, welchem bei ungewollter Kinderlosigkeit, der nicht zur Schwangerschaft führt, immer eine Zeugung durch Sexualverkehr zugrunde liege. Zudem müssten die Aufwendungen zur Heilung oder Linderung einer Krankheit medizinisch indiziert sein. Ein durch eine Leihmutter zur Welt gebrachtes Kind könne jedoch nicht als eine solche medizinisch indizierte Heilbehandlung zur Vermeidung, Linderung oder Beseitigung einer (seelischen) Erkrankung angesehen werden. Schließlich sei die künstliche Befruchtung und das Austragen eines Kindes durch eine andere Frau einer Anerkennung als außergewöhnliche Belastung deshalb entgegenstehend, da andernfalls unter Berücksichtigung von Art. 1 Abs. 1 und 3 GG das Kind zu einem bloßen Objekt herabgewürdigt werde. Der dafür notwendige Entschluss entstamme, so der BFH, zudem nicht einer rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Zwangslage. Eine solche sei aber Voraussetzung für die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung. Zwar könne eine ungewollte Kinderlosigkeit eine schwere Belastung sein, als Mittel zur Verwirklichung eines individuellen Lebensplans nach steuerlichen Maßstäben sei der Entschluss, eine Leihmutterschaft durchzuführen, aber dem durch den Einzelnen gestaltbaren privaten Lebensbereich zuzurechnen. Da die Ersatz- bzw. Leihmutterschaft dem geltenden Verbot im ESchG zuwiderlaufe, an dessen Verfassungsgemäßheit im Übrigen keine Zweifel bestehen, liege bei den geltend gemachten Aufwendungen auch ein Verstoß gegen die innerstaatliche Rechtsordnung vor. Der BFH weist darauf hin, dass nach seinen Erwägungen die Verbotsnorm durch biologische Gegebenheiten einen sachlichen Grund habe, welcher eine Ungleichbehandlung auch gegenüber einer Samenspende rechtfertige. Die gleichgeschlechtliche Ehe habe an dieser Wertung nichts geändert, da die vorgenommene Angleichung nicht sogleich auch verpflichte, zeugungsbiologische Grenzen einer Ehe steuerlich auszugleichen.


C.
Kontext der Entscheidung
Der BFH konkretisiert seine Rechtsprechung zu den Voraussetzungen von Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen bei Kinderwunschbehandlungen. Dazu hatte er bereits entschieden, dass eine Berücksichtigungsfähigkeit nur dann in Betracht komme, wenn kein Verstoß gegen das ESchG vorliege (BFH, Urt. v. 25.01.2022 - VI R 34/19 - FamRZ 2022, 1066). Nunmehr stellt der BFH auch klar, dass die Nutzung einer Leihmutter in keinem Fall mit einer medizinisch indizierten Heilbehandlung vergleichbar ist. Zwar kann im Einzelfall ein unerfüllter Kinderwunsch zu einer erheblichen, auch psychischen, Belastung führen, was die Inanspruchnahme beispielsweise einer Embryospende, die nach dem ESchG nicht grundsätzlich verboten ist, in Betracht ziehen könnte. Bei gleichgeschlechtlichen Paaren wird vom BFH allerdings eine Krankheitsbehandlung auf Basis eines regelwidrigen Zustandes grundsätzlich abgelehnt, soweit es fortpflanzungsmedizinische Maßnahmen betrifft. Aber auch dann, wenn solche Aufwendungen als Krankheitsbehandlung interpretiert werden könnten, läge ein Verstoß gegen das ESchG vor: Wenn im Ausland eine Leihmutterschaft legal durchgeführt wird, ist für das deutsche Steuerrecht die deutsche Rechtsordnung heranzuziehen und maßgeblich. Diese verbietet Leihmutterschaft, so dass jede entsprechende Aufwendung (auch im Ausland) steuerlich nicht anzuerkennen ist. Der BFH bestätigte damit die Auffassung des FG Münster (Urt. v. 07.10.2021 - 10 K 3172/19 E - DStRE 2023, 14).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Leihmutterschaft ist im Ausland (auch) für deutsche verschieden- und gleichgeschlechtliche Paare möglich. Damit in Verbindung stehende Aufwendungen sind grundsätzlich als außergewöhnliche Belastungen nicht abzugsfähig. Die Nutzung einer Leihmutter ist keine Krankheitsbehandlung, die insoweit auf einer ausreichenden medizinischen Indikation beruht. Das gilt für alle Wunscheltern unabhängig vom Geschlecht. Aber auch für den Fall, dass durch körperliche Anomalien und Abweichungen vom Regelzustand Kinderwunschbehandlungen medizinisch indiziert wären, müssen bei all diesen Behandlungen die Voraussetzungen des ESchG beachtet werden, und zwar auch bei Behandlungen im Ausland (inwieweit bei einer möglichen medizinischen Indikation Aufwendungen einer nach dem ESchG zulässigen Behandlung für nicht miteinander verheiratete Eltern zulässig sind, vgl. FG Hannover, Urt. v. 14.12.2021 - 6 K 20/21, Anm. Oldenburger, jurisPR-MedizinR 9/2022 Anm. 5; zum Erstattungsanspruch für Behandlungen im Ausland SG München, Gerichtsbescheid v. 26.01.2022 - S 7 KR 242/21 - MedR 2022, 631 mit Anm. Oldenburger; SG Dresden, Gerichtsbescheid v. 31.08.2016 - S 25 KR 236/14). Daher können dementsprechende Aufwendungen steuerlich nicht anerkannt werden.



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