Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
In der Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2019 berücksichtigte die Vermieterin versehentlich nicht die für Dezember geleistete Abschlagszahlung. Die Mieterin verlangte eine korrigierte Abrechnung und wies darauf hin, dass sie diese ggf. zur Vorlage beim Jobcenter benötige. Zur Durchsetzung dieses Anspruchs übte sie u.a. ein Zurückbehaltungsrecht an der Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung aus.
Die Vermieterin erhob Klage auf Zahlung des einbehaltenen Betrags. Nach Rechtshängigkeit und Beendigung des Mietverhältnisses verrechnete sie diesen Betrag mit der hinterlegten Mietsicherheit und beantragte festzustellen, dass sich der Rechtsstreit erledigt habe. Sie ist der Auffassung, es bestehe hinsichtlich der Betriebskostenabrechnung keine Pflicht zur Nacherfüllung. Die fehlende Angabe der Betriebskostenvorauszahlung stelle einen von der beklagten Mieterin leicht selbst zu behebenden Mangel dar, was einem Korrekturanspruch entgegenstehe.
Das LG Krefeld hat die Klage auf Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits in zweiter Instanz abgewiesen.
Der von der Vermieterin geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der einbehaltenen Betriebskostennachzahlung habe nicht bestanden. Der Durchsetzbarkeit dieses Anspruchs habe ein wirksam ausgeübtes Zurückbehaltungsrecht der beklagten Mieterin entgegengestanden. Es sei unstreitig, dass die Vermieterin die Vorauszahlung für Dezember in der Betriebskostenabrechnung für 2019 nicht verrechnet habe. Damit habe sie eine inhaltlich fehlerhafte Abrechnung vorgelegt. Das LG Krefeld hat zunächst klargestellt, dass ein Korrekturanspruch des Mieters nicht schon stets dann besteht, wenn der Vermieter nicht korrekt über die Betriebskosten abgerechnet hat. Der Vermieter genüge seiner Pflicht zur Vorlage einer formell ordnungsgemäßen und sachlich richtigen Abrechnung bereits dann, wenn die Abrechnung nur solche inhaltlichen Mängel aufweise, die der Mieter selbst beheben könne (BGH, Urt. v. 20.10.2010 - VIII ZR 73/10). Die beklagte Mieterin hätte die fehlende Angabe der von ihr geleisteten Abschlagszahlung für Dezember und die daraus folgende Anpassung des abschließenden Saldos leicht selbst korrigieren können. Die Höhe der von ihr selbst geleisteten Vorauszahlungen sei ihr naturgemäß bekannt oder jedenfalls ohne weiteres erkennbar gewesen.
Das LG Krefeld hat der Mieterin dennoch einen Anspruch auf Korrektur der gerügten Betriebskostenabrechnung zugesprochen. Dieser Anspruch ergebe sich aus den §§ 535, 241 Abs. 2 BGB. Danach sei in einem gegenseitigen Schuldverhältnis jede Partei verpflichtet, Rücksicht auf die Interessen des jeweils anderen Teils zu nehmen. Hier habe die Mieterin ein berechtigtes Interesse an der Vorlage einer korrigierten Betriebskostenabrechnung. Die beklagte Mieterin habe unter Vorlage eines Schreibens des Jobcenters unbestritten ausgeführt, dass sie eine inhaltlich korrekte Betriebskostenabrechnung benötige, damit das Jobcenter ggf. prüfen könne, ob sie Anspruch auf entsprechende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II habe. Solange die Mieterin nicht über eine inhaltlich richtige Betriebskostenabrechnung verfüge, sei sie dem Risiko ausgesetzt, dass der Sozialleistungsträger die von ihr bezogenen Leistungen kürze. Der Vermieterin wäre es hingegen ohne nennenswerten Aufwand möglich gewesen, die begehrte Korrektur vorzunehmen.
Kontext der Entscheidung
Der Mieter hat gegen den Vermieter einen Anspruch auf jährliche Erteilung einer ordnungsgemäßen Betriebskostenabrechnung, wenn hierzu eine entsprechende mietvertragliche Vereinbarung besteht. Der Vermieter genügt dieser Pflicht durch die Vorlage einer formell ordnungsgemäßen und inhaltlich richtigen Abrechnung. Ein sich aus der Abrechnung ergebender Nachzahlungsbetrag ist nicht fällig, wenn der Mieter wegen enthaltener Fehler die Erstellung einer neuen Abrechnung verlangt und damit ein Zurückbehaltungsrecht ausübt. Es stellt sich die Frage, inwieweit dem Mieter ein solcher Korrekturanspruch zusteht. Zunächst ist zu unterscheiden, ob es sich um einen formellen oder inhaltlichen Mangel handelt.
1. Enthält die Abrechnung formelle Mängel, ist keine Forderung zur Entstehung gelangt. Es tritt demnach auch keine Fälligkeit ein (BGH, Urt. v. 17.11.2004 - VIII ZR 115/04 - NJW 2005, 219). Der Mieter hat nach wie vor Anspruch auf Vorlage einer Abrechnung, die den formellen Anforderungen genügt. Zur Verdeutlichung: Die Vorlage einer formell unwirksamen Betriebskostenabrechnung ist der Übermittlung eines leeren Blatt Papiers gleichzusetzen.
Wie der BGH bereits im Jahr 1981 entscheiden hat, besteht ein formeller Fehler, wenn es der Abrechnung an einer der vier Grundelemente mangelt: der Angabe der Gesamtkosten für jede Betriebskostenart, der Angabe und ggf. Erläuterung der Umlageschlüssel, der Berechnung des Mieteranteils oder dem Abzug der Vorauszahlungen (BGH, Urt. v. 23.11.1981 - VIII ZR 298/80 - WuM 1982, 207; vgl. auch BGH, Urt. v. 20.07.2005 - VIII ZR 371/04 - WuM 2005, 579; BGH, Urt. v. 17.11.2004 - VIII ZR 115/04 - WuM 2005, 61). Eine formelle Unwirksamkeit kann sich auch daraus ergeben, dass die Abrechnung für einen durchschnittlich verständigen Mieter nicht nachvollziehbar ist. Nach dem BGH sind hieran aber keine strengen Maßstäbe anzulegen.
Zu beachten ist, dass eine Abrechnung auch teilweise unwirksam sein kann, etwa wenn der Umlageschlüssel nur für nur eine Betriebskostenart nicht mitgeteilt ist. Dann ist die bestehende Abrechnung zu korrigieren und das Abrechnungsergebnis um den betroffenen Betrag zu reduzieren. Der Vermieter muss keine neue Abrechnung vorlegen.
Im vorliegenden Fall genügte die Abrechnung den formellen Anforderungen. Die Summe der Vorauszahlungen war angegeben und in Abzug gebracht worden. Dass die Summe dieser Abschlagszahlungen wegen des fehlenden Dezemberbetrags zu gering war, lässt die formelle Wirksamkeit unberührt. Es handelt sich um einen inhaltlichen Fehler.
2. Ist die Abrechnung formell ordnungsgemäß erstellt, weist sie jedoch inhaltliche Mängel auf, ist zu differenzieren:
a) Grundsätzlich kann der Mieter nicht beanspruchen, dass der Vermieter eine neue Abrechnung vorlegt. Der Mieter ist gehalten, den Fehler selbst zu korrigieren. Voraussetzung ist – wie bei formeller Teilunwirksamkeit –, dass der Mieter die betroffenen Positionen unschwer herausrechnen kann (BGH, Urt. v. 20.10.2010 - VIII ZR 73/10 Rn. 16 - NJW 2011, 368; AG Brandenburg, Urt. v. 28.09.2018 - 31 C 68/16 Rn. 91; AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg, Urt. v. 20.03.2002 - 5 C 688/01 - Grundeigentum 2002, 932; Meyer-Abich, NZM 2019, 425, 432; Zehelein in: Langenberg/Zehelein, Betriebskosten- und Heizkostenrecht, Teil I, Rn. 8). Der Mieter muss jedoch hierzu ohne größere Schwierigkeiten in der Lage sein. Falls erforderlich, muss er sich durch Belegeinsicht genauere Anhaltspunkte verschaffen.
b) In Ausnahmefällen ist der Mieter berechtigt, eine neue Abrechnung einzufordern. Das LG Krefeld hat sich mit dem Sonderfall befasst, dass der Mieter die Abrechnung selbst hätte berichtigen können, er aber ggf. eine ordnungsgemäße Abrechnung zur Vorlage beim Sozialleistungsträger benötigt.
Ausnahmen bestehen auch, wenn der Mieter die Fehlerkorrektur objektiv nicht oder nur unter größeren Schwierigkeiten vornehmen kann (LG Düsseldorf, Urt. v. 09.07.2015 - 10 U 126/14 Rn. 8; AG Brandenburg, Urt. v. 28.09.2018 - 31 C 68/16 Rn. 91; Meyer-Abich, NZM 2019, 425, 432; a.A. LG Hamburg, Urt. v. 13.02.1997 - 307 S 170/96 - WuM 1998, 727). Das trifft zu, wenn er die notwendigen Rechenschritte nicht selbst vornehmen kann oder ihm die Berechnungsgrundlagen trotz Belegeinsicht fehlen (BGH, Urt. v. 20.10.2010 - VIII ZR 73/10 Rn. 16 - WuM 2010, 742 = NJW 2011, 368). Das wirft die Frage auf, wann der Mieter in der Lage ist, einen inhaltlichen Fehler selbst zu beheben und wann nicht. Dazu einige Beispiele:
– Im vorliegenden Fall hätte der Mieter die nicht berücksichtigte Abschlagszahlung für Dezember addieren und den Saldo entsprechend korrigieren können. Das ist eine einfache Berechnung, die der Mieter durch Addition und Subtraktion ohne weiteres bewerkstelligen kann.
– Die Gesamtkosten einer Betriebskostenart sind zu hoch angesetzt. Voraussetzung für die Möglichkeit zur Fehlerbehebung ist zunächst, dass der Mieter den korrekten Betrag kennt oder er ihn durch Belegeinsicht ermitteln kann (vgl. dazu auch die folgende BGH-Entscheidung). Unter Ansatz dieses Betrags müsste er die auf ihn entfallenden Kosten mithilfe des angewandten Umlageschlüssels unter Zugrundelegung der Gesamtanteile und des Anteils seiner Wohnung neu bestimmen. Diese Dreisatzrechnung dürfte nicht wenige Mieter bereits überfordern, ist wohl aber noch als „unschwer“ einzustufen.
– Der Vermieter hat mit einem nicht vereinbarten Umlageschlüssel abgerechnet. Der BGH hat einen Anspruch auf Neuabrechnung anerkannt, weil der Mieter die erforderlichen Bezugsdaten für den vereinbarten Abrechnungsmaßstab nicht kannte (BGH, Urt. v. 17.11.2004 - VIII ZR 115/04 Rn. 12 - NJW 2005, 219).
– Der Vermieter hat es versäumt, einen notwendigen sog. Vorwegabzug vorzunehmen. Zumeist kann der Mieter den Betriebskostenbelegen nicht ohne weiteres entnehmen, wie hoch dieser Anteil ist. Das betrifft u.a. die gemäß § 2 Nr. 14 BetrKV in Abzug zu bringenden Kosten für Instandhaltung und Verwaltungsaufgaben von den Hauswartkosten und den Abzug bei gemischt genutzten Gebäuden, wenn die gewerblichen Mieter erheblich höhere Betriebskosten verursachen als die Wohnungsmieter.
– Die verbrauchsabhängige Heizkostenabrechnung enthält einen Fehler, etwa nicht abrechnungsfähige Kosten. Vom Mieter kann nicht erwartet werden, dass er die komplizierten Neuberechnungen zur Bestimmung seiner Kosten selbst vornimmt.