Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Das Vorabentscheidungsersuchen ergeht im Rahmen eines in Spanien anhängigen Rechtsstreits zwischen MA und der Ibercaja Banco SA über einen Antrag auf Zahlung von Kreditzinsen in Anbetracht dessen, dass MA und PO nicht erfüllt haben. Der EuGH hat auf Vorabentscheidungsersuchen des spanischen Gerichts wie folgt entschieden:
„1. Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen sind dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, die in Anbetracht von Rechtskraft und Ausschlusswirkung weder dem Gericht erlauben, von Amts wegen die Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln im Rahmen eines Hypothekenvollstreckungsverfahrens zu prüfen, noch dem Verbraucher erlauben, nach dem Ablauf der Einspruchsfrist die Missbräuchlichkeit dieser Klauseln in diesem Verfahren oder einem späteren Erkenntnisverfahren geltend zu machen, wenn diese Klauseln bereits bei der Einleitung des Hypothekenvollstreckungsverfahrens von Amts wegen von dem Gericht auf ihre etwaige Missbräuchlichkeit hin geprüft wurden, die gerichtliche Entscheidung, mit der die Zwangsvollstreckung aus der Hypothek gestattet wird, aber keine – selbst summarische – Begründung enthält, die diese Prüfung belegt, und in dieser Entscheidung nicht darauf hingewiesen wird, dass die Beurteilung, zu der das Gericht am Ende dieser Prüfung gelangt ist, nicht mehr in Frage gestellt werden kann, wenn nicht fristgemäß Einspruch eingelegt wird.
2. Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 sind dahin auszulegen, dass sie nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen, die einem nationalen Gericht weder von Amts wegen noch auf Antrag des Verbrauchers erlauben, die etwaige Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln zu prüfen, wenn die hypothekarische Sicherheit verwertet wurde, die mit einer Hypothek belastete Immobilie verkauft wurde und die Eigentumsrechte an der Immobilie auf einen Dritten übertragen wurden, sofern der Verbraucher, dessen Immobilie Gegenstand eines Hypothekenvollstreckungsverfahrens war, seine Rechte in einem nachfolgenden Verfahren geltend machen kann, um gemäß dieser Richtlinie Ersatz für die finanziellen Folgen zu erlangen, die sich aus der Anwendung missbräuchlicher Klauseln ergeben.“
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 05.04.1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl 1993, Nr. L 95, S. 29).
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen MA und der Ibercaja Banco SA über einen Antrag auf Zahlung von dem Kreditinstitut in Anbetracht dessen geschuldeten Zinsen, dass MA und PO den zwischen den Parteien geschlossenen Hypothekendarlehensvertrag nicht erfüllt haben.
Mit seinen ersten drei Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sind, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, die in Anbetracht von Rechtskraft und Ausschlusswirkung weder dem Gericht erlauben, von Amts wegen die Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln im Rahmen eines Hypothekenvollstreckungsverfahrens zu prüfen, noch dem Verbraucher erlauben, nach dem Ablauf der Einspruchsfrist die Missbräuchlichkeit dieser Klauseln in diesem Verfahren oder einem späteren Erkenntnisverfahren geltend zu machen, wenn diese Klauseln bereits bei der Einleitung des Hypothekenvollstreckungsverfahrens von Amts wegen von dem Gericht auf ihre etwaige Missbräuchlichkeit hin geprüft wurden, die gerichtliche Entscheidung, mit der die Zwangsvollstreckung aus der Hypothek gestattet wird, aber keine – selbst summarische – Begründung enthält, die diese Prüfung belegt, und in dieser Entscheidung nicht darauf hingewiesen wird, dass die Beurteilung, zu der das Gericht am Ende dieser Prüfung gelangt ist, nicht mehr in Frage gestellt werden kann, wenn nicht fristgemäß Einspruch eingelegt wird.
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs beruht das mit der Richtlinie 93/13 geschaffene Schutzsystem auf dem Gedanken, dass sich der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt.
In Anbetracht dieser schwächeren Position sieht Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 vor, dass missbräuchliche Klauseln für den Verbraucher unverbindlich sind. Es handelt sich um eine zwingende Bestimmung, die darauf abzielt, die nach dem Vertrag bestehende formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien durch eine materielle Ausgewogenheit zu ersetzen und so ihre Gleichheit wiederherzustellen.
In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof bereits mehrfach festgestellt, dass das nationale Gericht von Amts wegen die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 93/13 fällt, prüfen und damit dem Ungleichgewicht zwischen dem Verbraucher und dem Gewerbetreibenden abhelfen muss, sobald es über die hierzu erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen verfügt.
Ferner verpflichtet die Richtlinie 93/13, wie sich aus ihrem Art. 7 Abs. 1 in Verbindung mit ihrem 24. Erwägungsgrund ergibt, die Mitgliedstaaten, angemessene und wirksame Mittel vorzusehen, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.
Zwar hat der Gerichtshof bereits in mehrfacher Hinsicht und unter Berücksichtigung der Anforderungen von Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dargelegt, wie das nationale Gericht den Schutz der den Verbrauchern nach dieser Richtlinie zustehenden Rechte sicherstellen muss, doch sind die Verfahren zur Prüfung, ob eine Vertragsklausel missbräuchlich ist, im Prinzip nicht unionsrechtlich harmonisiert und unterliegen damit gemäß dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten den innerstaatlichen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, vorausgesetzt allerdings, dass diese Verfahren nicht ungünstiger sind als diejenigen, die für gleichartige, dem innerstaatlichen Recht unterliegende Sachverhalte gelten (Äquivalenzgrundsatz), und dass sie die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz).
Nach diesen Vorgaben ist zu bestimmen, ob die genannten Vorschriften vom Vollstreckungsgericht verlangen, dass es die etwaige Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln ungeachtet nationaler Verfahrensvorschriften prüft, mit denen der Grundsatz der Rechtskraft in Bezug auf eine gerichtliche Entscheidung umgesetzt wird, die insoweit ausdrücklich keine Prüfung erkennen lässt.
In diesem Zusammenhang ist auf die Bedeutung hinzuweisen, die dem Grundsatz der Rechtskraft sowohl im Unionsrecht als auch in den nationalen Rechtsordnungen zukommt. Wie der Gerichtshof klargestellt hat, sollten nämlich zur Gewährleistung des Rechtsfriedens und der Beständigkeit rechtlicher Beziehungen sowie einer geordneten Rechtspflege die nach Ausschöpfung des Rechtswegs oder nach Ablauf der entsprechenden Rechtsmittelfristen unanfechtbar gewordenen Gerichtsentscheidungen nicht mehr in Frage gestellt werden können.
Daher hat der Gerichtshof anerkannt, dass der Schutz des Verbrauchers nicht absolut ist. Insbesondere hat er befunden, dass das Unionsrecht es einem nationalen Gericht nicht gebietet, von der Anwendung innerstaatlicher Verfahrensvorschriften, aufgrund deren eine Entscheidung Rechtskraft erlangt, abzusehen, selbst wenn dadurch ein Verstoß gegen eine Bestimmung gleich welcher Art der Richtlinie 93/13 abgestellt werden könnte, wobei nach der Rechtsprechung allerdings Voraussetzung ist, dass der Äquivalenzgrundsatz und der Effektivitätsgrundsatz gewahrt sind.
Zum Effektivitätsgrundsatz hat der Gerichtshof entschieden, dass jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens sowie ggf. der Grundsätze, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie z.B. der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens, zu prüfen ist. Der Gerichtshof hat entschieden, dass die Wahrung des Effektivitätsgrundsatzes aber nicht so weit geht, eine völlige Untätigkeit des betroffenen Verbrauchers auszugleichen.
Außerdem hat der Gerichtshof präzisiert, dass die Pflicht der Mitgliedstaaten, die Effektivität der Rechte sicherzustellen, die dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsen, insbesondere für die Rechte aus der Richtlinie 93/13 das Erfordernis eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes impliziert, wie es in Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie bekräftigt worden und auch in Art. 47 der GRCh verankert ist; dieser Schutz gilt u.a. für die Festlegung der Verfahrensmodalitäten für Klagen, die sich auf solche Rechte stützen.
Der Gerichtshof hat hierzu festgestellt, dass ohne eine wirksame Überprüfung der potenziellen Missbräuchlichkeit der in dem betreffenden Vertrag enthaltenen Klauseln die Einhaltung der durch die Richtlinie 93/13 verliehenen Rechte nicht garantiert werden kann.
Folglich dürfen die von den nationalen Rechtsordnungen aufgestellten Voraussetzungen, auf die Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 verweist, das Recht, an eine missbräuchliche Klausel nicht gebunden zu sein, das den Verbrauchern nach dieser Bestimmung zuerkannt wird, nicht in seinem Wesensgehalt beeinträchtigen.
Im Ausgangsverfahren geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass bei der Eröffnung des Vollstreckungsverfahrens, wie bereits teilweise in Rn. 31 des vorliegenden Urteils festgestellt wurde, das zuständige Gericht von Amts wegen geprüft hat, ob eine der Klauseln des in Rede stehenden Vertrags als missbräuchlich eingestuft werden kann. Nachdem es befunden hat, dass dies nicht der Fall sei, hat es die Vollstreckung angeordnet, ohne dass die von ihm durchgeführte amtswegige Prüfung in seiner Entscheidung ausdrücklich erwähnt wird. Aus dieser Entscheidung geht auch hervor, dass der Beklagte nach Ablauf einer ab deren Zustellung laufenden zehntägigen Einspruchsfrist die Vollstreckung nicht mehr anfechten kann, auch nicht aus Gründen, die die potenzielle Missbräuchlichkeit von Klauseln eines mit einem Gewerbetreibenden geschlossenen Vertrags betreffen.
Da die Entscheidung, mit der das Gericht die Eröffnung des Hypothekenvollstreckungsverfahrens angeordnet hat, keine Begründung enthielt, die eine Prüfung der Missbräuchlichkeit der Klauseln des Titels belegt, auf dem dieses Verfahren beruht, wurde der Verbraucher nicht über die Durchführung dieser Prüfung informiert und auch nicht, nicht einmal summarisch, über die Gründe in Kenntnis gesetzt, derentwegen das Gericht der Auffassung war, dass die in Rede stehenden Klauseln nicht missbräuchlich seien. Somit konnte er nicht in vollständiger Kenntnis der Sachlage beurteilen, ob gegen diese Entscheidung ein Rechtsbehelf eingelegt werden sollte.
Dagegen ist davon auszugehen, dass dieser Schutz gewährleistet wäre, wenn das nationale Gericht in seiner Entscheidung, mit der die Vollstreckung aus der Hypothek gestattet wird, ausdrücklich darauf hinwiese, dass es die Missbräuchlichkeit der Klauseln des Titels, auf der das Hypothekenvollstreckungsverfahren beruht, von Amts wegen geprüft hat, dass diese – zumindest summarisch begründete – Prüfung kein Vorliegen einer missbräuchlichen Klausel ergeben hat und dass der Verbraucher die etwaige Missbräuchlichkeit dieser Klauseln nicht mehr geltend machen kann, wenn er nicht innerhalb der vom nationalen Recht gesetzten Frist Einspruch einlegt.
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sind, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, die in Anbetracht von Rechtskraft und Ausschlusswirkung weder dem Gericht erlauben, von Amts wegen die Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln im Rahmen eines Hypothekenvollstreckungsverfahrens zu prüfen, noch dem Verbraucher erlauben, nach dem Ablauf der Einspruchsfrist die Missbräuchlichkeit dieser Klauseln in diesem Verfahren oder einem späteren Erkenntnisverfahren geltend zu machen, wenn diese Klauseln bereits bei der Einleitung des Hypothekenvollstreckungsverfahrens von Amts wegen von dem Gericht auf ihre etwaige Missbräuchlichkeit hin geprüft wurden, die gerichtliche Entscheidung, mit der die Zwangsvollstreckung aus der Hypothek gestattet wird, aber keine – selbst summarische – Begründung enthält, die diese Prüfung belegt, und in dieser Entscheidung nicht darauf hingewiesen wird, dass die Beurteilung, zu der das Gericht am Ende dieser Prüfung gelangt ist, nicht mehr in Frage gestellt werden kann, wenn nicht fristgemäß Einspruch eingelegt wird.
Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sind, dass sie nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, die einem nationalen Gericht weder von Amts wegen noch auf Antrag des Verbrauchers erlauben, die etwaige Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln zu prüfen, wenn die hypothekarische Sicherheit verwertet wurde, die mit einer Hypothek belastete Immobilie verkauft wurde und die Eigentumsrechte an der Immobilie, die Gegenstand des in Rede stehenden Vertrags sind, auf einen Dritten übertragen wurden.
Wie aus der Antwort auf die ersten drei Fragen hervorgeht, können einem Verbraucher weder die Rechtskraft noch die Ausschlusswirkung entgegengehalten werden, um ihm den Schutz gegen missbräuchliche Klauseln zu nehmen, der ihm gemäß Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 zusteht, wenn eine gerichtliche Entscheidung die Vollstreckung aus der Hypothek gestattet hat und die Missbräuchlichkeit der Klauseln des Titels, auf dem dieses Verfahren beruht, zwar zuvor von Amts wegen gerichtlich geprüft wurde, diese Entscheidung jedoch keine – selbst summarische – Begründung enthält, die diese Prüfung belegt, und in ihr auch nicht darauf hingewiesen wird, dass die Beurteilung, zu der das Gericht nach dieser Prüfung gelangt ist, nicht mehr in Frage gestellt werden kann, wenn nicht fristgemäß Einspruch eingelegt wird; dies gilt für die weiteren Abschnitte dieses Verfahrens wie einem Antrag auf Zahlung von Zinsen, die dem Kreditinstitut wegen Nichterfüllung des in Rede stehenden Hypothekendarlehensvertrags durch den Verbraucher geschuldet würden, oder für ein späteres Erkenntnisverfahren.
In einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, in der das Hypothekenvollstreckungsverfahren beendet wurde und die Eigentumsrechte an der Immobilie an einen Dritten übertragen wurden, kann das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag des Verbrauchers eine Prüfung der Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln allerdings nicht mehr vornehmen, die zur Aufhebung der Eigentumsübertragungsakte führen würde, und es kann die Rechtssicherheit der bereits an einen Dritten erfolgten Eigentumsübertragung nicht mehr in Frage stellen.
Der Verbraucher muss jedoch in einer solchen Situation gemäß Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 im Licht des Effektivitätsgrundsatzes in der Lage sein, in einem nachfolgenden getrennten Verfahren die Missbräuchlichkeit der Klauseln des Hypothekendarlehensvertrags geltend zu machen, um seine Rechte aus dieser Richtlinie wirksam und vollständig ausüben zu können, um Ersatz des finanziellen Schadens zu erlangen, der durch die Anwendung dieser Klauseln verursacht wurde.
Folglich ist auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sind, dass sie nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen, die einem nationalen Gericht weder von Amts wegen noch auf Antrag des Verbrauchers erlauben, die etwaige Missbräuchlichkeit von Vertragsklauseln zu prüfen, wenn die hypothekarische Sicherheit verwertet wurde, die mit einer Hypothek belastete Immobilie verkauft wurde und die Eigentumsrechte an der Immobilie auf einen Dritten übertragen wurden, sofern der Verbraucher, dessen Immobilie Gegenstand eines Hypothekenvollstreckungsverfahrens war, seine Rechte in einem nachfolgenden Verfahren geltend machen kann, um gemäß dieser Richtlinie Ersatz für die finanziellen Folgen zu erlangen, die sich aus der Anwendung missbräuchlicher Klauseln ergeben.
Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung des EuGH ergänzt die bisherige Rechtsprechung zu den grundlegenden Anforderungen an den prozessualen Schutz der Verbraucher gegen missbräuchliche Vertragsklauseln im Mahnverfahren (Ultsch, WuB 2022, 404, 406). Die rechtliche Grundlage der Entscheidungen des EuGH ist der Art. 6. Abs. 1 Klausel-RL. Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 93/13/EWG (künftig Klausel-RL) verpflichtet die Mitgliedstaaten, im innerstaatlichen Recht vorzusehen, dass missbräuchliche Klauseln für den Verbraucher unverbindlich sind und dass der Vertrag für beide Parteien auf der derselben Grundlage grundsätzlich bindend bleibt. Nach Art. 7 Abs. 1 und Erwägungsgrund 24 Klausel-RL haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit die Verwendung missbräuchlicher Klauseln „ein Ende gesetzt wird“ (Rn. 38 des Besprechungsurteils; EuGH, Urt. v. 26.06.2019 - C-407/18 Rn. 44 m.w.N. „Addiko-Bank“; i.E. herzu Schmidt in: BeckOK BGB, 63 Ed. Stand: 01.08.2022, § 306 Rn. 2).
Der Gerichtshof hat unter Berücksichtigung der Anforderungen von Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 dargelegt, wie das nationale Gericht den Schutz der den Verbrauchern nach dieser Richtlinie zustehenden Rechte sicherstellen muss, doch sind die Verfahren zur Prüfung, ob eine Vertragsklausel missbräuchlich ist, im Prinzip nicht unionsrechtlich harmonisiert und unterliegen damit gemäß dem Grundsatz der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten den innerstaatlichen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, vorausgesetzt allerdings, dass diese Verfahren nicht ungünstiger sind als diejenigen, die für gleichartige, dem innerstaatlichen Recht unterliegende Sachverhalte gelten (Äquivalenzgrundsatz), und dass sie die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (Rn. 39 des Besprechungsurteils).
Die Mitgliedstaaten haben bei der Ausgestaltung der Verfahren nach ständiger Rechtsprechung des EuGH die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität zu respektieren (EuGH, Urt. v. 26.06.2019 - C-407/18 Rn. 46 m.w.N. „Addiko-Bank“; EuGH, Urt. v. 18.02.2016 - C-49/14 Rn. 40 „Finanmadrid EFC SA“; EuGH, Urt. v. 17.07.2014 - C-169/14 Rn. 31 „Banco Bilbao“; EuGH, Urt. v. 26.10.2006 - C-168/05 - NJW 2007, 135, Rn. 24 „Sánchez Morcillo und Abril García“; EuGH, Urt. v. 06.10.2009 - C-40/08 - SchiedsVZ 2010, 110, Rn. 38 „Asturcom“).
Diese Grundsätze hat der EuGH in seinem Urteil vom 14.06.2012 (C-618/10 - ZEuP 2013, 666 = NJW 2012, 2257 m. Anm. Stürner „Banco Español de Crédito“) seinen Erwägungen zugrunde gelegt und grundlegende Anforderungen an den verfahrensrechtlichen Schutz der Verbraucher gegen missbräuchliche Vertragsklauseln im nationalen Mahnverfahren entwickelt (Rieländer, GPR 2020, 55 m.w.N.). Danach stehen nationale Vorschriften in nationalen Mahnverfahren dem Art. 6 Abs. 1 Klausel-RL entgegen, wonach ein mit einem Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids befasstes Gericht, sofern der Verbraucher keinen Widerspruch erhebt, weder a limine noch in irgendeiner anderen Phase des Verfahrens von Amts wegen prüfen darf, ob eine Klausel in einem Vertrag zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher missbräuchlich ist.
In der Entscheidung in der Rechtssache „Bondora“ (EuGH, Urt. v. 19.12.2019 - C-453/18, C-494/18 - EuZW 2020, 193 m. Anm. Ulrici; vgl. ausf. zur dieser Entscheidung Riedländer, GPR 2020, 55, sowie Wolber in: BeckOK ZPO, 45 Ed. Stand: 01.07.2022) hat der EuGH die bereits für nationale Mahnverfahren entwickelten Grundsätze zur Klauselkontrolle auf das Europäische Mahnverfahren übertragen (Rn. 46). Außerdem hat der EuGH in dieser Entscheidung entschieden, dass das mit der Antragsprüfung befasste Gericht gemäß Art. 7 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 Klausel-RL vom Gläubiger weitere Angaben in Bezug auf die Klauseln, die zur Begründung seiner Forderung geltend gemacht werden, wie etwa die Wiedergabe des gesamten Vertrags oder die Vorlage einer Kopie des Vertrags, verlangen kann, um von Amts wegen die etwaige Missbräuchlichkeit solcher Klauseln gemäß Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 Klausel-RL prüfen zu können (Wolber in: BeckOK ZPO, 45. Ed. Stand: 01.07.2022, Art. 7 EuMVVO Rn. 33-34.1; Rieder, GPR 2020, 55, 56; Ultsch, WuB 2022, 404, 408).
Im europäischen Mahnverfahren hat das Gericht nach Art. 8 Satz 1 EuMVVO zu prüfen, ob die geltend gemachte „Forderung begründet erscheint“. Allerdings ist der im Rahmen der EuMVVO geltende autonome Prüfungsmaßstab bis heute nicht abschließend geklärt (Ulrici in: MünchKomm ZPO, 6. Aufl. 2022, Art. 8 EG-VO Rn. 8 und 11; zum Streitstand vgl. Wolber in: BeckOK ZPO. 45. Ed. Stand: 01.07.2022, Art. 8 EuMVVO Rn. 8, 9.1).