Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
I. Eine schwäbische Kommune will zum Schutz eines Stadtteilzentrums die Ansiedlung eines Getränkemarktes durch die Klägerin an einem nicht integrierten Standort verhindern. Um im Verfahren über einen Vorbescheid eine planungsrechtliche Beurteilung nach § 34 BauGB zu verhindern, erlässt sie im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB einen sektoralen Bebauungsplan nach § 9 Abs. 2a BauGB, in dem sie Einzelhandel ausschließt. Darin sieht sie eine „andere Maßnahme der Innenentwicklung“.
II. Der Fall gab dem BVerwG in einer etwas ungewöhnlichen prozessualen Situation Anlass, an die Voraussetzungen des § 13a BauGB zu erinnern:
1. Das BVerwG hatte die Revision zugelassen, um eine Rechtsfrage zu klären, die an die – im Zeitpunkt des Berufungsurteils und der Zulassungsentscheidung noch geltende – Veränderungssperre anknüpfte (BVerwG, Beschl. v. 14.06.2021 - 4 B 31/20). Daraus wurde nichts. Denn im Laufe des Revisionsverfahrens war der folgende Bebauungsplan bekannt gemacht und damit die Veränderungssperre nach § 17 Abs. 5 BauGB außer Kraft getreten; auf die Wirksamkeit des Bebauungsplans kommt es für diese Rechtsfolge nicht an (BVerwG, Beschl. v. 28.02.1990 - 4 B 174/89 - Buchholz 406.11 § 17 BauGB Nr 3 S. 2; BVerwG, Beschl. v. 29.03.2007 - 4 BN 11/07 Rn. 3 - Buchholz 406.11 § 14 BauGB Nr 28).
Das Inkrafttreten des sektoralen Bebauungsplans war im Revisionsverfahren zu beachten, obwohl sich die Vorinstanz noch nicht mit diesem Plan hatte befassen können. Denn das BVerwG als Revisionsgericht hat Rechtsänderungen, die während des Revisionsverfahrens eintreten, in gleichem Umfang zu berücksichtigen wie die Vorinstanz, wenn sie im Zeitpunkt des Revisionsurteils entschiede (st.Rspr., vgl. BVerwG, Urt. v. 18.10.2017 - 4 C 5/16 Rn. 11 - BVerwGE 160, 104; BVerwG, Urt. v. 25.01.2022 - 4 C 2/20 Rn. 9 - NVwZ 2022, 893). Weil eine Klage auf Verpflichtung zur Erteilung eines Vorbescheides nur begründet ist, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein Anspruch auf dessen Erlass besteht, hätte auch die Vorinstanz das Außerkrafttreten der Veränderungssperre zu berücksichtigen, wenn sie im Zeitpunkt der Revisionsentscheidung entschieden hätte. Es kam also auf den Bebauungsplan und seine Wirksamkeit an.
Die Berücksichtigung einer Rechtsänderung im Revisionsverfahren wirft die Frage auf, ob sich Inhalt und Geltung einer Norm auch ohne Tatsachenfeststellungen bestimmen lassen. Dies zwingt häufig zur Zurückverweisung, wenn etwa Fragen der Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) aufgerufen sind. Im Übrigen liegt es im Verfahrensermessen des BVerwG, ob es von der in § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 563 Abs. 4 ZPO eröffneten Möglichkeit Gebrauch macht, das irrevisible Recht selbst auszulegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.03.2019 - 9 C 4/18 Rn. 113 - BVerwGE 165, 138; BVerwG, Urt. v. 18.06.2020 - 3 C 3/19 Rn. 70 - BVerwGE 168, 287). Dabei spielt häufig eine Rolle, ob das BVerwG die für die Auslegung notwendigen Tatsachen selbst feststellen kann. Für die Begründung des Bebauungsplans kann das angenommen werden, weil deren Inhalt sich aus den Akten ergibt (zu Grenzen vgl. BVerwG, Urt. v. 18.06.2020 - 3 C 3/19 Rn. 74 - BVerwGE 168, 287).
2. Der Bebauungsplan war verfahrensfehlerhaft erlassen worden. Er regelte einzig den Ausschluss des Einzelhandels im Plangebiet. Die Regelung war keine andere Maßnahme der Innenentwicklung i.S.v. § 13a Abs. 1 Satz 1 BauGB und konnte daher nicht im beschleunigten Verfahren erlassen werden.
Solche Maßnahmen müssen nach Ziel und Inhalt der Entwicklung der überplanten Fläche dienen, ein Bebauungsplan nach § 13a BauGB muss mithin die bauplanungsrechtliche Grundlage für Maßnahmen der Innenentwicklung selbst schaffen. Es reicht nicht, wenn aufgrund eines nur mittelbaren Ursachenzusammenhangs die Innenentwicklung in anderen Teilen des Siedlungsbereichs positiv beeinflusst wird (BVerwG, Urt. v. 29.06.2021 - 4 CN 6/19 Rn. 18 - BVerwGE 173, 70). Der umstrittene Bebauungsplan sollte indes nach seiner Begründung – mindestens ganz vorrangig – zur Sicherung und Entwicklung der Nahversorgung in den im Einzelhandel- und Zentrenkonzept definierten Bereichen beitragen, die außerhalb des Plangebiets liegen. Aus § 9a Abs. 2 Satz 1 BauGB folgt nichts anderes. Ein Bebauungsplan für die Einzelhandelssteuerung kann danach erlassen werden zur Erhaltung oder Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche, auch im Interesse einer verbrauchernahen Versorgung der Bevölkerung und der Innenentwicklung der Gemeinden. Zwar mag die Stärkung eines Nahversorgungszentrums der dortigen Innenentwicklung dienen, wenn der Einzelhandel an anderen Standorten unterbleibt. Die Verfolgung dieses Interesses außerhalb des Plangebiets macht den Plan nach § 9 Abs. 2a Satz 1 BauGB aber nicht zu einer anderen Maßnahme der Innenentwicklung i.S.v. § 13a Abs. 1 Satz 1 BauGB (vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 06.08.2013 - 4 BN 8/13 Rn. 10 - BauR 2013, 1991).
Das gewählte Vorgehen konnte nicht als sog. vereinfachtes Verfahren gebilligt werden. Zwar kann die Gemeinde nach § 13 Abs. 1 BauGB unter bestimmten Voraussetzungen einen Bebauungsplan im vereinfachten Verfahren erlassen, wenn der Plan lediglich Festsetzungen nach § 9 Abs. 2a BauGB enthält. Das vereinfachte Verfahren nach § 13 BauGB und das beschleunigte Verfahren nach § 13a BauGB unterscheiden sich aber nach Verfahrensanforderungen und -zweck in einer Weise, die einer Umdeutung entgegensteht (BVerwG, Beschl. v. 21.12.2016 - 4 BN 14/16 Rn. 10 - Buchholz 406.11 § 13 BauGB Nr 4).
3. Wählt die Gemeinde das beschleunigte Verfahren und führt sie keine förmliche Umweltprüfung durch, so leidet der so beschlossene Bebauungsplan an einem beachtlichen Verfahrensfehler. Denn es fehlt ein Umweltbericht als gesonderter Teil der Begründung nach § 2a Satz 2 Nr. 2, Satz 3 BauGB. Dieser Verfahrensfehler ist nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB beachtlich (BVerwG, Urt. v. 04.11.2015 - 4 CN 9/14 Rn. 29 - BVerwGE 153, 174; BVerwG, Urt. v. 25.06.2020 - 4 CN 5/18 Rn. 34 - BVerwGE 169, 29). Der Fehler war auch nicht unbeachtlich geworden. Zwar war er bis zur Revisionsentscheidung nicht gerügt worden. In deren Zeitpunkt lief allerdings die Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB noch, so dass die Rechtsfolge dieser Norm noch nicht eingetreten war (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 13.10.2015 - 1 KN 66/14 Rn. 21 - NVwZ 2016, 783; VGH München, Urt. v. 24.05.2022 - 15 N 21.2545 Rn. 25).
4. Bekommt die Klägerin den begehrten Vorbescheid? Das ist offen. Denn mit der Unwirksamkeit des Plans fehlte es an planerischen Festsetzungen, so dass das Vorhaben nach § 34 BauGB zu beurteilen ist. Das kann nur die Tatsacheninstanz leisten.