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Anmerkung zu:BGH 5. Zivilsenat, Urteil vom 16.12.2022 - V ZR 263/21
Autor:Prof. Dr. Reinhold Thode, RiBGH a.D.
Erscheinungsdatum:31.03.2023
Quelle:juris Logo
Normen:§ 21 WoEigG, § 562 ZPO, § 563 ZPO, § 48 WoEigG, § 44 WoEigG, § 18 WoEigG, § 280 BGB, § 31 BGB
Fundstelle:jurisPR-BGHZivilR 7/2023 Anm. 1
Herausgeber:Dr. Herbert Geisler, RA BGH
Zitiervorschlag:Thode, jurisPR-BGHZivilR 7/2023 Anm. 1 Zitiervorschlag

Wohnungseigentümergemeinschaft: Pflicht zur Beschlussdurchführung gemäß Art. 18 Abs. 1 WEG; gerichtliche Beschlussersetzung; Vorbefassung der GdWE; Zurechnung eines pflichtwidrigen Verhaltens des Verwalters



Leitsatz

Nach dem seit dem 01.12.2020 geltenden Wohnungseigentumsrecht trifft die Pflicht zur Durchführung von Beschlüssen der Wohnungseigentümer nicht mehr den Verwalter, sondern die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (Abgrenzung zu Senatsurt. v. 08.06.2018 - V ZR 125/17 - BGHZ 219, 60 Rn. 15).



A.
Problemstellung
Der BGH musste sich in einem sog. Übergangsfall mit der Zulässigkeit und der Begründetheit einer nach altem Recht im Jahre 2018 erhobenen Klage gegen die anderen Wohnungseigentümer befassen, mit deren Hauptantrag der klagende Wohnungseigentümer eine Beschlussersetzung erstrebte, die darauf gerichtet ist, anstelle der Eigentümerversammlung aus den dem Verwalter vorliegenden Vergleichsangeboten über eine abschließbare Außentür/Terrassentür ein Angebot auszuwählen und den Verwalter mit der Umsetzung zu beauftragen. Mit seinem Hilfsantrag auf Beschlussersetzung eines Beschlusses der GdWE erstrebt er eine Ermessensentscheidung des Gerichts über die notwendigen und gebotenen Schritte zur Ersetzung der eingebauten, fehlerhaften Terrassentür. Die für die Zulässigkeit der Klage relevante Frage, ob für Klagen, die bis zum 30.11.2020 anhängig geworden waren, das bisherige Verfahrensrecht auch nach dem Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes am 01.12.2020 maßgeblich ist, hat der BGH bejaht, so dass die Klage auch weiterhin gegen die Wohnungseigentümer zu richten war und nicht nach dem seit dem 01.12.2020 geltenden Recht (Ls., Rn. 17). Das für die Begründetheit der Klage für die Frage, ob die Beschlussfassung ordnungsgemäßer Verwaltung entspricht, maßgebliche materielle Recht richtet sich nach dem zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung geltenden neuen materiellen Recht (Rn. 20).


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Parteien bilden eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Der Kläger ist Eigentümer einer im Erdgeschoss gelegenen Wohnung, die unter anderem von einem Stahlpodest aus über eine Tür betreten werden kann. Die Tür, die keine Türschwelle hatte und von außen abgeschlossen werden konnte, war erneuerungsbedürftig. In der Wohnungseigentümerversammlung vom 31.01.2017 fassten die Wohnungseigentümer zu TOP 5 dazu folgenden Beschluss:
„Die Eigentümerversammlung beauftragt die Eigentümergemeinschaft vertreten durch den Verwalter, drei Angebote für die Erneuerung der Terrassentür (…) einzuholen. Der optische Eindruck soll erhalten bleiben. (…) Der Vertrag soll in Abstimmung mit dem Beirat mit dem auskömmlichsten Anbieter abgeschlossen werden (…) „.
Der damalige Verwalter setzte den Beschluss in der Weise um, dass in der Wohnung des Klägers eine Terrassentür mit einer 10 cm hohen Türschwelle eingebaut wurde, die nicht von außen abgeschlossen werden kann. Der Kläger ist mit dieser Ausführung nicht einverstanden. Sein Antrag zu beschließen, dass der Verwalter den Auftrag zum Einbau einer ebenerdigen und abschließbaren Außentür erteilt, wurde in der Eigentümerversammlung vom 22.05.2018, in der für eine solche Außentür drei Vergleichsangebote vorlagen, abgelehnt.
Der Kläger beantragt mit der im Jahr 2018 erhobenen Klage, aus den dem Verwalter vorliegenden Vergleichsangeboten über eine abschließbare Außentür/Terrassentür ein Angebot auszuwählen und den Verwalter mit der Umsetzung zu beauftragen. Mit dem Hilfsantrag erstrebt er eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Entscheidung, nach welcher die notwendigen und gebotenen Schritte unternommen werden, um die 2017 eingebaute Tür durch eine Terrassentür zu ersetzen, die von ihren Maßen und Sicherheitsstandards mindestens der ursprünglich vorhandenen Tür entspricht.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist vor dem Landgericht, Zivilkammer 53, erfolglos geblieben. Mit dem ersten Revisionsurteil vom 29.01.2021 (V ZR 158/20 - Grundeigentum 2021, 644) hat der Senat das Berufungsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Das Landgericht, Zivilkammer 85, hat die Berufung erneut zurückgewiesen.
Die dagegen gerichtete Revision hat teilweise Erfolg. In der Sache hat das Berufungsgericht den Hauptantrag auf Beschlussersetzung im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Abweisung des Hilfsantrags hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Die Beschlussersetzungsklage (§ 44 Abs. 1 Satz 2 WEG) ist im Hauptantrag allerdings zulässig.
Die Klage ist gegen den richtigen Klagegegner erhoben. Für eine auf Beschlussersetzung gerichtete Klage eines Wohnungseigentümers gemäß § 44 Abs. 2 Satz 1 WEG in der Fassung des am 01.12.2020 in Kraft getretenen Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes vom 16.10.2020 (BGBl I 2020, 2187) ist die GdWE der richtige Klagegegner. Für die bis zum 30.11.2020 anhängig gewordenen Verfahren nach § 21 Abs. 8 WEG a.F. ist in analoger Anwendung von § 48 Abs. 5 WEG das bisher geltende Verfahrensrecht anzuwenden und die Klage auch weiterhin gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu richten.
Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf die mit dem Hauptantrag verfolgte Beschlussersetzung, so dass die Klage insoweit unbegründet ist.
Die Beschlussersetzungsklage dient der gerichtlichen Durchsetzung des Anspruchs des Wohnungseigentümers auf ordnungsmäßige Verwaltung gemäß § 18 Abs. 2 WEG; durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz haben sich insoweit keine Änderungen ergeben. Die Klage ist begründet, wenn der klagende Wohnungseigentümer einen Anspruch auf den seinem Rechtsschutzziel entsprechenden Beschluss hat, weil nur eine Beschlussfassung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht (vgl. BT-Drs. 19/18791, S. 82 zu § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG). Dafür kommt es auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung und damit auch in Übergangsfällen auf das neue materielle Recht an.
Auch nach dem seit dem 01.12.2020 geltenden Wohnungseigentumsrecht ist eine gerichtliche Beschlussersetzung grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die verlangte Maßnahme bereits Gegenstand einer positiven Beschlussfassung ist, die von den Wohnungseigentümern nicht angefochten wurde. In einem solchen Fall ist eine gerichtliche Entscheidung schon nicht notwendig i.S.d. § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG.
Wie die Außentür der Wohnung des Klägers zu erneuern ist, haben die Wohnungseigentümer in der Eigentümerversammlung vom 31.01.2017 beschlossen. Das Berufungsgericht legt den Beschluss vom 31.01.2017 dahin aus, dass die Tür in der Weise erneuert werden soll, dass der Verwalter drei Angebote über eine ebenerdige und von außen abschließbare Tür einholt, weil nur eine solche Tür der Optik der alten Tür entspricht, und dass der Verwalter den Vertrag in Abstimmung mit dem Beirat mit dem auskömmlichsten Anbieter abschließt. Diese Auslegung durch das Berufungsgericht hält der revisionsrechtlich uneingeschränkten Nachprüfung stand. Für sie spricht der Wortlaut des Beschlusses. Der Verwalter soll drei Angebote zur „Erneuerung“ der Terrassentür einholen. Der Begriff der Erneuerung impliziert, dass die neue Tür in ihren Maßen und in ihrer Funktionalität der alten Tür zu entsprechen hat. Zudem soll der optische Eindruck erhalten bleiben. Aus der Bezeichnung der zu erneuernden Tür als „Terrassentür“ folgt hingegen, anders als die Revisionserwiderung meint, nicht, dass die neue Tür eine Schwelle haben und nicht außen abschließbar sein muss. Beschlossen ist die Erneuerung „der“ Terrassentür; damit soll nur konkretisiert werden, welche Tür zu erneuern ist. Unabhängig davon sagt die Bezeichnung einer Tür als Terrassentür nur etwas über den Nutzungszweck der Tür aus, nicht aber etwas über deren Bauart. Eine Terrassentür kann über eine Schwelle verfügen oder nicht, sie kann von außen abschließbar sein oder nicht.
Weil die in Vollziehung des Beschlusses vom 31.01.2017 eingebaute Tür über eine Schwelle verfügt und nicht abschließbar ist, entspricht sie in ihrer Funktionalität und Maßen nicht der alten Tür; der optische Eindruck wurde verändert. Das bedeutet, dass der Verwalter den Beschluss nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat.
Der Umstand, dass der Beschluss vom 31.01.2017 nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden ist, verhilft der Revision in Bezug auf den Hauptantrag aber nicht zum Erfolg; der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der Beschluss vom 31.01.2017 ordnungsgemäß vollzogen wird.
Für einen auf die ordnungsgemäße Umsetzung des Beschlusses vom 31.01.2017 gerichteten Anspruch des Klägers wäre nach dem maßgeblichen neuen materiellen Recht die GdWE passivlegitimiert. Für den Zeitraum bis zum 30.11.2020 war der Verwalter für die Durchführung von Beschlüssen der Wohnungseigentümer zuständig. Deshalb konnte ein einzelner Wohnungseigentümer von dem Verwalter die Umsetzung eines Beschlusses verlangen. Nach dem seit dem 01.12.2020 geltenden Wohnungseigentumsrecht trifft die Pflicht zur Umsetzung von Beschlüssen der Wohnungseigentümer aber nicht mehr den Verwalter, sondern die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums obliegt sowohl im Außenverhältnis als auch im Innenverhältnis ausschließlich der GdWE (§ 18 Abs. 1 WEG). Diese erfüllt die ihr zugewiesenen Aufgaben durch ihre Organe; internes Organ für die Ausführung ist der Verwalter, der die Entscheidungen umsetzt und dabei durch den Verwaltungsbeirat unterstützt wird. Vollzieht der Verwalter einen gefassten Beschluss nicht oder fehlerhaft, muss ein Wohnungseigentümer deshalb die GdWE in Anspruch nehmen. Ihr wird analog § 31 BGB grundsätzlich ein pflichtwidriges Verhalten des Verwalters zugerechnet.
Wäre die im Jahr 2018 erhobene Beschlussersetzungsklage auf Umsetzung des Beschlusses vom 31.01.2017 gerichtet, wären die Beklagten bei anhängigen Verfahren, für die das alte Verfahrensrecht weiter gilt, und zugleich das neue materielle Recht anzuwenden ist, analog § 48 Abs. 5 WEG auch die richtigen Klagegegner. An ein beschlussersetzendes Urteil wäre die GdWE gebunden.
Die Umsetzung des Beschlusses vom 31.01.2017 ist nicht Gegenstand des Hauptantrags. Der Kläger erstrebt damit vielmehr eine gerichtliche Ersetzung des in der Eigentümerversammlung vom 22.05.2018 mehrheitlich abgelehnten Beschlusses und damit eine Änderung des Beschlusses vom 31.01.2017 über die Erneuerung der Terrassentür. Nicht mehr der Verwalter soll die Angebote über eine ebenerdige und von außen abschließbare Tür einholen und in Abstimmung mit dem Beirat das günstigste Angebot auswählen. Vielmehr soll die Gemeinschaft aus den in der Versammlung vom 22.05.2018 vorliegenden Angeboten eine Tür auswählen. Auf eine solche geänderte Beschlussfassung hat der Kläger keinen Anspruch. Die Wohnungseigentümer sind zwar grundsätzlich nicht gehindert, über eine schon geregelte gemeinschaftliche Angelegenheit erneut zu beschließen. Die Befugnis dazu ergibt sich aus der autonomen Beschlusszuständigkeit der Gemeinschaft. Einen Anspruch auf Abänderung eines Mehrheitsbeschlusses hat der Wohnungseigentümer nur in besonderen Ausnahmefällen. Vorausgesetzt wird, dass schwerwiegende Gründe, etwa eine erhebliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse, das Festhalten an dem Beschluss als treuwidrig erscheinen lassen.
Die Abweisung des Hilfsantrags hält der rechtlichen Prüfung dagegen nicht stand. Das Urteil ist deshalb teilweise aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da es insoweit keiner weiteren Feststellungen bedarf, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und dem Hilfsantrag mit dem aus dem Tenor ersichtlichen Inhalt stattgeben.
Mit dem Hilfsantrag auf Beschlussersetzung gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG verfolgt der Kläger das Rechtsschutzziel, eine Tür zu erhalten, die entsprechend der früheren Tür ebenerdig und von außen abschließbar ist. Die Wohnungseigentümer haben zwar bereits am 31.01.2017, wie die Auslegung von TOP 5 des Beschlusses ergibt, den Einbau einer solchen Tür durch den Verwalter beschlossen. Über den Inhalt des Beschlusses besteht zwischen dem Kläger einerseits und den Beklagten und dem Verwalter andererseits Streit. Anders als der Kläger sind die Beklagten und der Verwalter der Auffassung, es sei der Einbau einer von außen nicht abschließbaren Tür mit Schwelle beschlossen worden. Das mit dem Hilfsantrag verfolgte Rechtsschutzziel des Klägers wird mithin erreicht, wenn der Streit über den Inhalt des zu TOP 5 gefassten Beschlusses vom 31.01.2017 beseitigt und klargestellt wird, dass die erneuerte Tür ebenerdig und von außen abschließbar sein soll. Ein solch klarstellender Beschluss wird von dem weit gefassten Hilfsantrag, mit dem der Kläger eine Entscheidung „über die notwendigen und gebotenen Schritte“ erstrebt, um die 2017 eingebaute Tür durch eine solche Tür zu ersetzen, die in ihren Maßen und Sicherheitsstandards mindestens der ursprünglichen Tür entspricht, erfasst. Das hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt.
Der so verstandene Hilfsantrag ist zulässig. Die Beschlussersetzungsklage ist in analoger Anwendung von § 48 Abs. 5 WEG gegen den richtigen Klagegegner erhoben. Dass die GdWE nicht mit dem Hilfsantrag vorbefasst wurde, schließt das Rechtsschutzinteresse nicht aus. Aufgrund der Feststellungen des Berufungsgerichts kann nämlich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Antrag des Klägers auf einen deklaratorischen Beschluss in der Eigentümerversammlung nicht die erforderliche Mehrheit finden wird, so dass die Befassung der Versammlung eine unnötige Förmelei wäre.
Die Beschlussersetzungsklage ist im Hilfsantrag auch begründet.
Beschlüsse mit lediglich deklaratorischer Natur sind unbedenklich, wenn sie eine klarstellende Funktion haben und keine Zweifel an der Rechtslage aufkommen lassen. Besteht ein Bedürfnis für eine solche Klarstellung, kann ein entsprechender Beschluss mit einer Beschlussersetzungsklage gerichtlich erzwungen werden. Dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.
Für den Kläger besteht ein Bedürfnis, den zu TOP 5 gefassten Beschluss vom 31.01.2017 teilweise dahingehend klarstellen zu lassen, dass die zu erneuernde Terrassentür ebenerdig und von außen abschließbar sein soll, weil das der Rechtslage entspricht und über die Auslegung des Beschlusses Streit besteht. Zweifel an der Rechtslage kommen durch einen deklaratorischen Beschluss mit diesem Inhalt nicht auf.
Das den Wohnungseigentümern zustehende Ermessen bei der Beschlussfassung ist gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 WEG dahingehend auszuüben, dass der Inhalt des in der Eigentümerversammlung vom 31.01.2017 zu TOP 5 gefassten Beschlusses, soweit die Unklarheit besteht, klarstellend festgestellt wird. Eine solche Klarstellung hat der Senat hier vorgenommen.


C.
Kontext der Entscheidung
Mit dieser Entscheidung hat der BGH die aus dem Leitsatz ersichtliche Grundsatzfrage entschieden, wer für die Durchführung von Beschlüssen nach dem seit dem 01.12.2020 geltenden Wohnungseigentumsrecht zuständig ist. Damit hat er zugleich seine Rechtsprechung zur alten Rechtslage abgegrenzt (Elzer, IMR 2023, 2155; Pramataroff/Bordt, FD-MietR 2023, 455778), die Gegenstand der im Leitsatz gennannten Entscheidung ist (BGH, Urt. v. 08.06.2018 - V ZR 125/17 - MDR 2018, 111 m. Anm. Bub/Bernhard, FD-MietR 2018, 407407). Die grundlegende Änderung betrifft die Zuständigkeit zur Durchführung von Beschlüssen der Wohnungseigentümer; nach altem Recht war der Verwalter zuständig für die Durchführung (BGH, Urt. v. 08.06.2018 - V ZR 125/17 Ls. 1 Rn. 15). Im Unterschied zum alten Recht, das einen Anspruch des Wohnungseigentümers gegen den Verwalter auf Durchführung von Beschlüssen vorsah (Rn. 26), steht dem Wohnungseigentümer nach neuem Recht ein vertraglicher Anspruch gemäß § 18 Abs. 1 WEG n.F. auf ordnungsgemäße Verwaltung gegen die GdWE und damit auf Durchführung der Beschlüsse zu (Rn. 26 des Besprechungsurteils m.w.N.; zu § 18 WEG n.F. vgl. i.E. Hügel in: BeckOK BGB, 65. Ed. 01.02.2023, § 18 WEG Rn. 5-10 sowie Rüscher in: MünchKomm BGB, 9. Aufl. 2023, § 18 WEG Rn. 26-56). Geändert hat sich ebenfalls die Haftungsregelung für nicht ausgeführte oder fehlerhafte Beschlüsse. Nach altem Recht haftete den Wohnungseigentümern für pflichtwidrige Durchführung von Beschlüssen der Verwalter. Nach neuem Recht haftet ausschließlich die GdWE den Wohnungseigentümern für Schäden, die der Verwalter durch eine Pflichtverletzung verursacht; das pflichtwidrige Verhalten des Verwalters wird analog § 31 BGB der GdWE zugerechnet (Rn. 26 des Besprechungsurteils; Rüscher in: MünchKomm BGB, § 18 WEG Rn. 43).
Neben diesen Grundsätzen zur Änderung des Wohnungseigentumsrechts zum 01.12.2020 hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung zu folgenden bisher maßgeblichen Grundsätzen bestätigt:
Für die bis zum 30.11.2020 anhängig gewordene Verfahren ist das bisher geltende Verfahrensrecht anzuwenden, so dass die Wohnungseigentümer auch nach dem 01.12.2020 die richtigen Gegner einer Beschlussersetzungsklage bleiben (Rn. 17 des Besprechungsurteils; BGH, Urt. v. 25.02.2022 - V ZR 65/21 - MDR 2022, 689 Rn. 15 ff.).
Die Ausführungen zur vorherigen Befassung der GdWE als Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Leistungsklage und der Entbehrlichkeit einer Vorbefassung (Rn. 18, 31 des Besprechungsurteils) sind Gegenstand des Urteils des BGH vom 15.01.2010 (V ZR 114/09 - NJW 2010, 2129 Ls. 2 Rn. 14 f.; BGH, Urt. v. 08.07.2022 - V ZR 202/21 - MDR 2022, 1273 Rn. 28 m. Anm. Thode, jurisPR-BGHZivilR 4/2023 Anm. 4; vgl. i.E. Rüscher in: MünchKomm BGB, § 18 WEG Rn. 31).
Der BGH bestätigt den Grundsatz zum Zweck der Beschlussersetzungsklage. Er weist darauf hin, dass sich durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz keine Änderungen ergeben haben (Rn. 20 des Besprechungsurteils; BGH, Urt. v. 16.09.2022 - V ZR 69/21 - NJW 2023, 63 Rn. 8).
Die Frage, ob eine Beschlussfassung einer ordnungsgemäßen Verwaltung entspricht, richtet sich nach dem zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung geltenden materiellen Recht (Rn. 20, 26 f. BU; BGH, Urt. v. 25.02.2022 V ZR 65/21 - MDR 2022, 689 Rn. 23).
Eine gerichtliche Beschlussersetzung ist grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die verlangte Maßnahme bereits Gegenstand einer Beschussfassung gewesen ist, die nicht angefochten worden ist. Eine Änderung eines solchen Beschlusses kann der einzelne Wohnungseigentümer verlangen, wenn schwerwiegende Gründe ein Festhalten an dem Beschluss treuwidrig erscheinen lassen (Rn. 22 des Besprechungsurteils; BGH, Urt. v. 24.05.2013 - V ZR 220/12, Ls. 3 Rn. 17 m. Anm. Elzer, Vi-IMR 2013, 334; i.E. Hügel/Elzer in: Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, § 18 WEG Rn. 72 m.w.N.).
Beschlüsse mit lediglich deklaratorischer Natur sind unbedenklich, wenn sie eine klarstellende Funktion haben und keine Zweifel an der Rechtslage aufkommen lassen (Rn. 33 des Besprechungsurteils; BGH, Urt. v. 15.01.2010 - V ZR 80/09 - NJW 2010, 933 Rn. 13 m.w.N.; BGH, Urt. v. 16.09.2022 - V ZR 69/21 - NJW 2023, 63 Rn. 15). Besteht ein Bedürfnis für eine solche Klarstellung, kann ein entsprechender Beschluss mit einer Beschlussersetzungsklage gerichtlich erzwungen werden. Dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (Rn. 33 des Besprechungsurteils).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung leistet einen beachtlichen Beitrag zur Rechtsicherheit, vor allem durch die Erwägungen des BGH zur Änderung der Zuständigkeit für die Beschlussdurchführung und den Konsequenzen dieser Änderung. Eine der für die Praxis relevanten Konsequenz, vor allem für die Beratung und die Vorbereitung von Klagen, besteht darin, dass dem Wohnungseigentümer nach neuem Recht ein vertraglicher Anspruch auf ordnungsgemäße Verwaltung gemäß § 18 Abs. 2 WEG gegen die GdWE zusteht (vgl. i.E. Skauradszun in: BeckOGK WEG, Stand: 01.03.2023, § 44 Rn. 53-56, sowie Zschieschack/Orthmann in: BeckOK BGB, 65. Ed. Stand: 01.02.2021, § 45 WEG Rn. 20-35). Als Konsequenz dieser Rechtslage steht dem Wohnungseigentümer nach neuem Recht ausschließlich unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die GdWE zu, wenn der Verwalter seine Pflichten verletzt und dadurch dem Wohnungseigentümer einen Schaden zufügt. Die Pflichtverletzung wird der GdWE analog § 31 BGB zugerechnet (vgl. z.B.: Greiner in: BeckOGK Stand: 01.02.2023; § 26 WEG Rn. 347 ff.).
Einen für die Praxis weiteren hilfreichen Beitrag zur Rechtssicherheit hat der BGH dadurch geleistet, dass er wesentliche Grundsätze seiner bisherigen Rechtsprechung zum Wohnungseigentumsrecht bestätigt hat, die nach wie vor maßgeblich sind.



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