Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Parteien streiten um die Auslegung einer arbeitsvertraglichen Vergütungsklausel.
Der streitgegenständliche § 3 des Arbeitsvertrages lautete:
„Er [der Arbeitnehmer] erhält für seine Tätigkeit folgende Bezüge:
Ein monatliches Fixum i.H.v. DM 1.100,00 (in Worten: eintausendeinhundert Deutsche Mark) sowie Provisionen und Prämien gemäß der jeweils gültigen Betriebsvereinbarung.
Es gilt mindestens das Tarifgehalt als garantiert.“
Die damals geltende Betriebsvereinbarung regelte ebenfalls ein Fixum von DM 1.100. Zudem beinhaltete sie eine Ausgestaltung der Prämien und Provisionen.
Der Arbeitnehmer hat mit seiner Klage die Zahlung des Fixums in Höhe von umgerechnet je 562,42 Euro monatlich begehrt. Die Vergütungsklausel sei bezüglich des Fixums nicht betriebsvereinbarungsoffen. Die nunmehr geltende Betriebsvereinbarung habe zudem nur die Prämien und Provisionen umgestaltet. Das Fixum sei unverändert zu zahlen.
Erstinstanzlich gab das Arbeitsgericht der Klage statt. Der Arbeitsvertrag sei nicht betriebsvereinbarungsoffen. Fixum und Provisionen bzw. Prämien seien bereits sprachlich voneinander getrennt. Nur bezüglich der letzteren sei ein Bezug zur Betriebsvereinbarung hergestellt. Die neue Betriebsvereinbarung verhalte sich aber auch nicht zum Fixum und löse es daher nicht ab.
Das LArbG Hamm hat der Berufung der beklagten Arbeitgeberin stattgegeben.
§ 3 des Arbeitsvertrags sei insgesamt betriebsvereinbarungsoffen. Die neue Betriebsvereinbarung löse die ursprüngliche auch im Hinblick auf das Fixum ab.
Eine Betriebsvereinbarungsoffenheit könne ausdrücklich oder konkludent vereinbart werden. Die Betriebsvereinbarungsoffenheit der streitgegenständlichen Klausel sei ausdrücklich vereinbart.
Denn die Klausel stimme nahezu wörtlich mit der damals geltenden Betriebsvereinbarung überein. Zudem werde auf die „jeweils geltende Betriebsvereinbarung“ Bezug genommen.
Eine sprachliche Trennung von Fixum und Provision bzw. Prämie sei nicht gegeben. Das Wort „sowie“ solle lediglich die nochmalige Verwendung des Wortes „und“ vermeiden.
Die vertragliche Regelung sei aus Sicht eines verständigen und redlichen Vertragspartners auszulegen. Ein verständiger Arbeitnehmer müsse nach § 157 BGB berücksichtigen, dass der Arbeitgeber das Verhältnis von Fixum, Provision und Prämie nicht allein regeln könne, wenn es in seinem Betrieb einen Betriebsrat gibt. Der Betriebsrat habe nämlich nach § 87 Abs. 1 Nr.10 BetrVG bei der betrieblichen Lohngestaltung mitzubestimmen.
Angesichts dieser Rechtslage müsse der Arbeitnehmer bei Vertragsschluss damit rechnen, dass eine Betriebsvereinbarung die Arbeitsbedingungen auch zu seinem Nachteil verändern könne.
Die ursprüngliche Betriebsvereinbarung sei durch die neue auch hinsichtlich des Fixums abgelöst worden.
Das Fixum bilde mit den Provisionen und Prämien ein einheitliches Vergütungsmodell. Da die neue Betriebsvereinbarung das Vergütungsmodell vollumfänglich neu geregelt habe, werde dadurch auch das Fixum abgelöst, auch wenn es nicht ausdrücklich geregelt wird. Das Schweigen diesbezüglich verdeutliche vielmehr, dass das Fixum nicht mehr zu zahlen sei.
Dass in der Betriebsvereinbarung zudem ausdrücklich geregelt wurde, dass alle bisherigen Betriebsvereinbarungen zur Gewährung von Provisionen und Prämien abgelöst werden und die bisherige Betriebsvereinbarung die einzige in dieser Hinsicht war, bestätige diese Auffassung.
Da die Betriebsvereinbarung das Fixum wirksam abgelöst habe, sei die Beklagte nicht mehr verpflichtet, dem Kläger das Fixum zu zahlen.
Die Revision wurde nicht zugelassen.
Kontext der Entscheidung
Vorliegend hat das LArbG Hamm eine ausdrücklich vereinbarte Betriebsvereinbarungsoffenheit angenommen.
In Rechtsprechung und Literatur umstrittener ist hingegen die Frage, wann von einer konkludent vereinbarten Betriebsvereinbarungsoffenheit ausgegangen werden kann. Nach der Auffassung der meisten Senate des BAG genügt dafür, dass es sich bei der vertraglichen Regelung um AGB handelt und ein kollektiver Bezug gegeben ist (BAG, Urt. v. 05.03.2013 - 1 AZR 417/12 - NZA 2013, 916). Diese Auffassung hat Zustimmung (Hromadka, NZA 2013, 1061), aber auch erhebliche Kritik (BAG, Urt. v. 11.04.2018 - 4 AZR 119/17 - NZA 2018, 1273; Creutzfeldt, NZA 2018, 1111) erfahren.
Das Landesarbeitsgericht nimmt für seine Auslegung aber auch erkennbar Anleihen an der Begründung des BAG zur Annahme einer konkludent vereinbarten Betriebsvereinbarungsoffenheit, indem es auf den verständigen und redlichen Arbeitnehmer abstellt.
Interessant ist die vorliegende Entscheidung auch in Bezug darauf, dass das Landesarbeitsgericht die Zahlung von Fixum, Provision und Prämie als einheitliches Vergütungsmodell angesehen hat. Das BAG hat das Mitbestimmungsrecht beim Verhältnis von Fixum, Provision und Prämie schon im Beschluss vom 29.03.1977 (1 ABR 123/74 - NJW 1977, 1654) angenommen. So ausdrücklich von einem einheitlichen Vergütungsmodell war bislang aber im Hinblick auf ein Fixum kaum die Rede (vgl. aber auch LArbG Mainz, Beschl. v. 08.09.2010 - 8 TaBV 19/10).
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts befindet sich jedoch ersichtlich auf einer Linie mit der Rechtsprechung des BAG (vgl. BAG, Urt. v. 15.04.2008 - 1 AZR 65/07 - NZA 2008, 888), wonach einzelne Vergütungsbestandteile eine Gesamtheit bilden und in ihrer Abhängigkeit voneinander zu betrachten sind.
Auswirkungen für die Praxis
Da die Gerichte arbeitsvertragliche Regelungen in aller Regel als betriebsvereinbarungsoffen auslegen werden, bleibt für individuellen Arbeitsbedingungen nahezu kein Raum.
Zu beachten ist, dass mit der dargestellten ausgedehnten Annahme der Betriebsvereinbarungsoffenheit das Günstigkeitsprinzip faktisch eingeschränkt wird. Das Günstigkeitsprinzip greift nämlich nicht Platz, wenn der Arbeitsvertrag wegen seiner Betriebsvereinbarungsoffenheit sich auch für ungünstigere Regelungen öffnet.
Arbeitsbedingungen können folglich auch ohne Änderungskündigungen o.Ä. geändert werden. Arbeitsverträge verlieren in diesem Zusammenhang an Bedeutung.
Kollektivrechtlich ist festzuhalten, dass die Veränderung eines Vergütungsbestandteils der Mitbestimmung durch den Betriebsrat unterliegt, soweit es um generelle Regelungen geht, auch wenn sich die Höhe der Gesamtvergütung im Einzelfall nicht verändert.