Transparenz der SicherheitsobliegenheitLeitsatz Eine Klausel in Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Wohngebäudeversicherung, die dem Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalls die Einhaltung aller gesetzlichen, behördlichen sowie vertraglich vereinbarten Sicherheitsvorschriften aufgibt, verstößt nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und benachteiligt den Versicherungsnehmer nicht unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. - A.
Problemstellung Das Urteil, welches in BGHZ aufgenommen wird, ist von einer großen Bedeutung für den Bereich der Sachversicherung. Es befasst sich nämlich mit der Frage, ob eine in nahezu allen Sachversicherungsverträgen enthaltene Klausel, wonach als Obliegenheit vereinbart ist, dass der Versicherungsnehmer die für ihn geltenden gesetzlichen, behördlichen und vertraglich vereinbarten Sicherheitsvorschriften zu beachten hat, an der Transparenzkontrolle scheitert. Der Versicherungssenat des BGH verneint dies, der Inhalt sei noch ausreichend bestimmt; ebenso wird eine überraschende oder unangemessene Benachteiligung verneint. Ferner geht der Versicherungssenat von einem unzulässigen Grundurteil, bei dem es sich in der Sache selbst um ein Teilurteil handelt, des OLG Celle als Berufungsgericht aus. Ebenso wenig überzeugt den BGH die Begründung, mit dem das Berufungsgericht eine arglistige Täuschung des Versicherungsnehmers im Rahmen der Regulierungsprüfung des Versicherers ablehnte.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung I. Zwischen den Parteien bestand eine Wohngebäudeversicherung auf Basis der VGB mit Stand 2014. Dort war, wie auch in den üblichen Musterbedingungen, vereinbart u.a.: „B § 8 Obliegenheiten des Versicherungsnehmers 1. Obliegenheiten vor Eintritt des Versicherungsfalls a) Vertraglich vereinbarte Obliegenheiten, die der Versicherungsnehmer vor Eintritt des Versicherungsfalls zu erfüllen hat, sind aa) die Einhaltung aller gesetzlichen, behördlichen sowie vertraglich vereinbarten Sicherheitsvorschriften (siehe A § 17) … A § 17 Vertraglich vereinbarte, besondere Obliegenheiten des Versicherungsnehmers vor dem Versicherungsfall, Sicherheitsvorschriften 1. Sicherheitsvorschriften Als vertraglich vereinbarte, besondere Obliegenheiten hat der Versicherungsnehmer …“. Im September 2018 kam es zu einem Brand. Brandursächlich war ein vom Versicherungsnehmer außen an der Hausfassade errichteter Pizzaofen, der indes von dem zuständigen Bezirksschornsteinfegermeister (noch) nicht abgenommen worden war. Der Wohngebäudeversicherer zahlte dem Versicherungsnehmer zunächst einen Vorschuss von 100.000 Euro. Später erfuhr dieser, wann oder auf welchem Wege ist bislang nicht bekannt, von einem Schreiben des Versicherungsnehmers an seine Maklerin im November 2018. In diesem Schreiben des Versicherungsnehmers heißt es u.a., der Bezirksschornsteinfegermeister habe den Ofen, als dieser noch im Bau war, besichtigt. Vorgaben zum Weiterbau gemacht, die der Versicherungsnehmer nach seinen Angaben eingehalten hätte und ferner mitgeteilt, er, der Bezirksschornsteinfegermeister, wolle sich den Ofen nach seiner Fertigstellung nicht noch einmal ansehen. Jedenfalls Letzteres war unstreitig unzutreffend. Der Versicherer erklärte die Deckungsablehnung aufgrund des auch in den VGB enthaltenen besonderen Verwirkungsgrunds der arglistigen Täuschung sowie aufgrund des behaupteten vorsätzlichen Verstoßes gegen die Sicherheitsvorschriften aufgrund der Inbetriebnahme des nicht abgenommenen Ofens. Der Versicherer erhob ferner Widerklage in Höhe des von ihm gezahlten Vorschusses. Das Landgericht wies die Klage aufgrund der arglistigen Täuschung ab und gab der Widerklage statt. Das OLG Celle verneinte eine arglistige Täuschung. Die Angabe des Versicherungsnehmers sei zwar unzutreffend gewesen, aber der Versicherer habe die Arglist nicht beweisen können. Ferner verneinte es eine Verletzung der Sicherheitsobliegenheit, da diese Regelung wegen fehlender Transparenz AGB-widrig sei. Es erließ ein Grundurteil und wies die Sache für das Betragsverfahren an das Landgericht zurück. Die Revision hatte das OLG Celle nicht zugelassen. Der Versicherer erhob eine Nichtzulassungsbeschwerde. Der BGH ließ zunächst die Revision im April 2024 zu und hat nunmehr das Urteil des OLG Celle aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. II. Es handelte sich, so der BGH, prozessual zum einen nicht um ein Grund-, sondern um ein Teilurteil. Dieses Teilurteil des OLG Celle i.S.v. § 301 Abs. 1 Satz 1 ZPO sei bereits unzulässig, weil die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen drohe, vorliegend über die Voraussetzungen der Einstandspflicht der Beklagten. III. Weiterhin sei die Sicherungsobliegenheit aus B § 8 Nr. 1 a) aa) VGB 2014 wirksam und verstoße nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Ein durchschnittlicher und um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer könne erkennen, dass er zum Erhalt seines Versicherungsschutzes vertraglich vereinbarte Obliegenheiten zu erfüllen habe, zu denen die Einhaltung verschiedener Sicherheitsvorschriften gehöre, die gesetzlicher, behördlicher oder vertraglicher Natur sein können. Für die vertraglichen Sicherheitsvorschriften wird auf A § 17 VGB 2024 verwiesen. Die weitere Bezugnahme auf gesetzliche und behördliche Sicherheitsvorschriften sei transparent, da für den Versicherungsnehmer erkennbar sei, dass es sich um Vorschriften, folglich rechtlich verbindliche Anordnungen einer zuständigen Stelle, handelt. Wegen des Wortteils „Sicherheit“ müssen diese einen gewissen Schutzcharakter bezüglich der versicherten Sache aufweisen, um den Eintritt eines Versicherungsfalls zu verhindern oder zu erschweren. Auch sei erkennbar, dass es sich um eine dynamische Verweisung handelt. Maßgebend seien die im Zeitpunkt des Versicherungsfalls anwendbaren Sicherungsvorschriften. Die Verweisung auf Sicherungsvorschriften außerhalb der Allgemeinen Versicherungsbedingungen stehe der Bestimmtheit nicht entgegen. Dies sei nichts Ungewöhnliches, denn die Allgemeinen Versicherungsbedingungen könnten nicht jede erdenkliche Situation in ihrem Anwendungsbereich genau beschreiben. Es würden sonst nur schwer durchschaubare Klauselwerke entstehen. Weiterhin sei es dem Versicherer nicht aufzubürden, sämtliche Sicherheitsvorschriften zum Schutz der versicherten Sache im Vorhinein aufzuzeigen, insbesondere nicht behördliche Anordnungen gegenüber dem Versicherungsnehmer, die der Versicherer gar nicht kenne. Dagegen sei es dem Versicherungsnehmer möglich und zumutbar, die in Bezug genommene Sicherheitsvorschrift zu konsultieren. Dabei handelt es sich um verbindliche Vorschriften, die er ohnehin kennt oder kennen kann, da sie ihn infolge gesetzlicher oder behördlicher Anordnung treffen. Schließlich sei die Klausel weder überraschend nach § 305c Abs. 1 Satz 1 BGB noch eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Belange des Versicherungsnehmers würden hinreichend über das Erfordernis des inneren Schutzzweckzusammenhangs zwischen Verletzung der Vorschrift und dem Schaden gewahrt. IV. Was den rechtlichen selbstständigen Arglisteinwand angeht, seien aufgrund der unstreitigen Falschangabe des Klägers im November 2018 weitere Feststellungen bezüglich seiner Arglist zu machen. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts treffe den Versicherungsnehmer eine sekundäre Darlegungslast, wie es zu der falschen Angabe gekommen sei.
- C.
Kontext der Entscheidung I. Der Entscheidung des BGH ist zuzustimmen. Dieser bestätigt und zitiert mehrfach die vom Verfasser in dieser Publikation, und zwar bereits in jurisPR-VersR 1/2018 Anm. 2 (zuletzt auch in FD-VersR 2024, 22670) vertretene Rechtsansicht, ebenso stellt der BGH u.a. auf den Beitrag von Schimikowski in: Festschrift Langheid, 2022, S. 423 und dessen Kommentierung in: Martin, Sachversicherung, 4. Aufl. 2022, § 14 Rn. 44 ab. Der Verfasser darf daher zur Vermeidung von Wiederholungen auf seine o.g. Anmerkung in jurisPR-VersR 1/2018 Anm. 2 verweisen. II. Die Rechtsprechung, auch die des BGH, hatten sich schon des Öfteren mit identischen oder nahezu identischen Klauseln zu befassen. In keinem dieser Urteile wurde ein Zweifel an der Transparenz geäußert, aber umgekehrt auch nicht diskutiert. Durch das VVG 2008 hat sich dabei an der Transparenzkontrolle, die sich aus dem BGB ergibt, nichts geändert. Interessant ist indes die Entwicklung, wann und wie in der Rechtsprechung Zweifel an der Transparenz dieser Obliegenheit geäußert wurden und dies erinnert ein wenig an ein (nicht sicher belegtes) bekanntes Bonmot von Bismarck über Gesetze und Würste. Zu betonen ist dabei, dass es nicht um die dort vertretene Auffassung geht, beide Seiten haben gute Argumente, sondern um die Begründungsqualität. 1. Den Anfang machte das LG Flensburg mit einem Urteil vom 26.01.2017 (4 O 177/16). Dort ging es um einen Leitungswasserschaden in der Wohngebäudeversicherung. Dort hat der Versicherer vorgetragen, der Versicherungsnehmer hätte gegen eine DIN-Vorschrift EN806 verstoßen, es wäre der Einbau eines Trichters für die Ableitung eines Tropfwassers notwendig gewesen. Das LG Flensburg hat die Sicherheitsobliegenheit als intransparent verworfen, und zwar in einem Absatz. Als einzige Fundstelle stützt sich das LG Flensburg, obwohl es zu Sicherheitsobliegenheiten in der Sachversicherung zahlreiche Entscheidungen und Literatur gab, auf ein Urteil des Bankensenats zu einer gänzlich anderen Konstellation. 2. Der Berufungssenat des LG Flensburg in Form des OLG Schleswig bestätigt diese Auffassung, allerdings nicht in einem Urteil, sondern in einem knapp begründeten Hinweisbeschluss im Rahmen des § 522 ZPO vom 18.05.2017 (16 U 14/17 - VersR 2019, 1557, mit zust. Anm. Marlow). Die Begründung des OLG Schleswig, mit dem die Klausel verworfen wurde, betrug gleichfalls lediglich einen Absatz. Auch dort gab es keinerlei versicherungsvertragsrechtliche oder gar sachversicherungsrechtliche Fundstellen aus Literatur und Rechtsprechung. Auch das OLG Schleswig stützte sich auf dasselbe Urteil des Bankensenats wie das LG Flensburg. Marlow weist in seiner zustimmenden Anmerkung darauf hin, dass die bis dato einhellige Rechtsprechung eine gegenteilige Auffassung vertritt und weiter: „Dazu setzt sich das OLG Schleswig in Widerspruch, ohne sich jedoch mit der gegenteiligen Ansicht auseinanderzusetzen, ja sogar ohne sie überhaupt zu erwähnen.“ Die fehlende Sorgfalt wird auch dadurch belegt, dass es dieser Ausführungen ohnehin nicht bedurft hätte, da eine DIN-Vorschrift als privat-rechtliches technisches Regelwerk – anders als z.B. berufsgenossenschaftliche Regelungen wie die DGUV u.a. – schon keine behördliche Sicherheitsvorschrift ist. 3. Es gibt noch eine Entscheidung des KG Berlin (Beschl. v. 22.03.2022 - 6 U 64/21 - RuS 2022, 693). Diese führt – insoweit vollständig zitiert – aus: „Soweit das LG einen Regressanspruch der Kl. gemäß Abschnitt A Nr. 6 Ziffer 1 Abs. 2 und Ziffer 2 Abs. 2 der in den Gebäudeversicherungsvertrag zwischen der … und der Bekl. einbezogenen Versicherungsbedingungen (AL-VGB 2008) mit der zutreffenden Feststellung verneint hat, eine Leistungsfreiheit der Kl. gegenüber der Bekl. als Sondereigentümerin über die Vereinbarung unter Abschnitt B Nr. 8.1 a) aa) AL-VGB 2008 sei schon deshalb nicht eingetreten, weil diese Klausel gemäß § 307 Absatz 1 S. 2 BGB wegen Intransparenz unwirksam sei, greift die Kl. dies mit ihrer Berufung nicht an.“ Die „Begründung“ besteht mithin nur aus einer Apodiktik. 4. Als, soweit ersichtlich, einzig weiteres Gericht hat das LG Mönchengladbach jüngst mit Urteil vom 04.07.2024 (1 O 364/20 mit abl. Anmerkung Günther, FD-VersR 2024, 818688) die Unwirksamkeit dieser Klausel gleichfalls bejaht. Auch dessen Ausführungen bestanden lediglich in einem einzigen Absatz und auch dort gab es keine einzige versicherungsrechtliche Fundstelle. Die einzige Fundstelle bestand in der gleichen o.g. Entscheidung des Bankensenats des BGH und einem Hinweis auf das OLG Schleswig. Offenbar erfolgte auch mit diesem Urteil keine eigene Überprüfung und Auseinandersetzung mit der vorliegenden Rechtsproblematik. 5. Der Entscheidung des Versicherungssenats des BGH vom 25.09.2024 lag das (vermeintliche) Grundurteil des OLG Celle vom 25.09.2022 (8 U 25/21) zugrunde. Dessen Begründung zur Unwirksamkeit der Regelung bestand aus ganzen zwei Sätzen und gleichfalls aus lediglich einem Absatz. Die gesamten Ausführungen des OLG Celle lauten, auch hier vollständig zitiert, wie folgt: „b) Eine Verletzung der Obliegenheit gemäß B § 8 ZIff. 1a), aa) VGB 2014 kommt ebenfalls nicht in Betracht. Danach hat der Versicherungsnehmer die Einhaltung ‚aller gesetzlichen, behördlichen oder vertraglich vereinbarten Sicherheitsvorschriften‘ zu beachten. Diese Klausel ist allerdings aufgrund ihrer für einen durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer unüberschaubaren Reichweite intransparent und damit unwirksam (vgl. OLG Schleswig, Beschl. v. 18.05.2017, 16 U 14/17).“ Ebenso wenig erfolgt eine Auseinandersetzung mit der ständigen Rechtsprechung des Versicherungssenats des BGH zur Transparenzkontrolle, namentlich in der Sachversicherung. Der BGH hat sich in letzter Zeit recht oft mit der Sachversicherung befasst, und zwar im Jahre 2021 mit dem „Fugenurteil“ (BGH, Urt. v. 20.10.2021 - IV ZR 236/20), im Jahre 2022 mit dem „Erdrutschurteil“ (BGH, Urt. v. 09.11.2022 - IV ZR 62/22), mit seinen beiden Grundsatzurteilen zur Betriebsschließungsversicherung im Januar 2022 und im Januar 2023, im „Schlüsselklauselurteil“ (BGH, Urt. v. 05.07.2023 - IV ZR 118/22) und in seiner Entscheidung zu genügenden Einbruchspuren (BGH, Urt. v. 17.04.2024 - IV ZR 91/23; ausführlich zur BGH-Rechtsprechung in der Sachversicherung Brockmöller, RuS 2024, 751, 755). Jedenfalls das erste Urteil zur Betriebsschließungsversicherung lag zum Zeitpunkt der Entscheidung des OLG Celle vor, ohne auch dieses zu erwähnen, wo der BGH zur Transparenzkontrolle ausführt (zuletzt hierzu in seinem Schlüsselklauselurteil vom 05.07.2024). Dass vom OLG Celle nicht einmal die Revision zugelassen wird, fügt sich in dieses Bild einer mangelhaften rechtlichen Qualität ein. Die Nichtzulassung der Revision erfolgte mit einem Mustertext, wonach der Rechtsstreit nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist und auch für die Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dies keiner Entscheidung des Revisionsgerichtes bedarf, also lediglich eine Wiedergabe des § 543 Abs. 2 ZPO ohne individuelle Ausführungen. Dass hier alle drei Gründe für die Zulassung einer Revision vorlagen, da die grundsätzliche Bedeutung offenkundig war, aber auch die Fortbildung des Rechtes als auch einer einheitlichen Rechtsprechung, lag auf der Hand, zumal zum Zeitpunkt der Entscheidung des OLG Celle die Standardkommentierung von Martin, Sachversicherungsrecht, 4. Aufl. mit ihren o.g. Ausführungen von Schimikowski zur Wirksamkeit dieser Klausel bereits veröffentlicht waren, ebenso dessen weiterer Beitrag in der o.g. Festschrift als auch der des Unterzeichners und bereits aus dem Jahre 2018 stammende in jurisPR-VersR, aber ebenso Urteile von Obergerichten und des BGH zu identischen Klauseln, wo sich zwar keine Ausführungen zur Transparenzkontrolle finden, jedoch gegen die Anwendbarkeit der Klausel umgekehrt keine Bedenken geäußert wurden (BGH, Urt. v. 17.04.2002 - IV ZR 91/01 - RuS 2002, 292; BGH, Beschl. v. 30.04.2008 - IV ZR 53/05 - VersR 2008, 961; BGH, Urt. v. 13.11.1996 - IV ZR 226/95 - RuS 1997, 120; BGH, Urt. v. 19.10.1994 - IV ZR 159/93 - VersR 1994, 1465; OLG Hamm, Beschl. v. 31.05.2021 - 20 U 63/21 - RuS 2021, 459; OLG Zweibrücken, Beschl. v. 10.12.2009 - 1 U 166/09 - VersR 2010, 664 oder sogar das OLG Celle selbst, Beschl. v. 16.02.2010 - 8 W 3/10 - VersR 2010, 666). Um nochmals zu betonen: Es geht dem Verfasser nicht um eine Kritik am Ergebnis. Es ist aber geradezu ungebührlich, eine zentrale Klausel in den allgemeinen Versicherungsbedingungen in jeweils einem Absatz (so LG Flensburg, so OLG Schleswig, so LG Mönchengladbach, so OLG Celle) bzw. in einem Halbsatz (so KG Berlin) und ohne sich auch nur mit einer versicherungsrechtlichen Fundstelle aus Literatur und Rechtsprechung zu befassen, als unwirksam zu verwerfen. Dies verwundert erst recht vor dem Hintergrund, das auf Landgerichts- als auch Oberlandesgerichtsebene die meisten Gerichte eine Kammer bzw. einen Senat für das Versicherungsrecht haben (so das LG Mönchengladbach, allerdings nicht das LG Flensburg, so auch beim OLG Schleswig, OLG Celle und KG Berlin).
- D.
Auswirkungen für die Praxis I. Die Folgen für die Praxis sind trotz dieses gewichtigen Urteils überschaubar. Anders wäre es dann, wenn die Klausel verworfen worden wäre. Dies hätte schon fast drastisch zu nennende Auswirkungen gehabt. Dies gilt nicht nur in bestehenden Verträgen, da dann der Versicherungsnehmer außerhalb der gesetzlichen Regelungen der §§ 23, 81 ff. VVG zivilrechtlich sanktionslos z.B. keine Brandschutzvorschriften mehr hätte beachten müssen. Aber selbst in neuen Verträgen wäre es kaum möglich gewesen, die maßgeblichen Sicherheitsvorschriften in die AVB einzupflegen. Es würde sich, worauf der BGH hinweist, dabei z.B. ja um Brandschutzvorschriften aus den 16 Landesbauverordnungen handeln, ebenso aus zahlreichen weiteren insbesondere landesrechtlichen als auch bundesrechtlichen Regelungen, wie z.B. Garagenverordnung, Schornsteinfegergesetze, Industriebaurichtlinien usw. Diese als konkrete Regelung in die AVB mit aufzunehmen, ist kaum möglich und erscheint für den Versicherungsnehmer auch wenig zielführend. Hier scheint in der Tat der Rückgriff auf eine solche allgemeine Regelung trotz der damit verbundenen Nachteile als vorzugswürdig. Dies gilt namentlich vor dem Hintergrund, dass der Versicherungsnehmer, gleichgültig, ob er versichert ist oder nicht, solche Regelungen ohnehin beachten muss und bei behördlichen Vorgaben wie z.B. eine BImschG-Genehmigung, eine Baugenehmigung, dem Versicherer diese ohnehin nicht bekannt sein können. Auch hierauf weist der BGH zutreffend hin. II. Bei alledem ist zu beachten, dass es zu dieser allgemeinen Sicherheitsobliegenheitsverletzung, obwohl diese seit vielen Jahrzehnten in den Musterbedingungen enthalten ist, nur wenig Rechtsprechung gibt. Dies ist ein Indiz dafür, dass es hierzu eher wenig Rechtsstreitigkeiten gibt. Da es sich um eine Obliegenheit handelt, also um einen subjektiven Risikoausschluss, wird dieser durch die entsprechenden gesetzlichen Vorgaben eingehegt. So hat der, wenn er sich wie im Fall des OLG Celle auf eine vorsätzliche Obliegenheitsverletzung gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 VVG stützt, den vollen Nachweis für den Vorsatz zu führen, und gerade Urteile, wo dem Versicherer dieser Nachweis gelingt, sind noch seltener. Der Versicherungsnehmer kann versuchen, die gesetzliche Verschuldensvermutung des § 28 Abs. 2 Satz 2 VVG der groben Fahrlässigkeit zu widerlegen. In vielen Fällen wird dabei dem Versicherungsnehmer ohnehin ein Verschulden nicht zuzurechnen sein, namentlich im gewerblichen Bereich, wenn es um Verletzungen durch Mitarbeiter geht oder sonstige Personen, deren Verhalten sich der Versicherungsnehmer nicht nach der Repräsentantenrechtsprechung zuzurechnen hat. In zahlreichen gewerblichen bzw. industriellen Verträgen wird ohnehin durch die Repräsentantenklausel die Zurechenbarkeit noch weiter eingeschränkt, so dass es in diesen Fällen nur noch um die Frage eines grob fahrlässigen Organisations- bzw. Überwachungsverschuldens geht. Ferner steht dem Versicherungsnehmer die Möglichkeit offen, die fehlende Kausalität nachzuweisen, § 28 Abs. 3 Satz 1 VVG. Es ist damit zu rechnen, dass auch nach dem hier besprochenen BGH-Urteil vom 25.09.2024 weiterhin die Anzahl der Rechtsstreitigkeiten zu diesen allgemeinen Sicherheitsobliegenheiten überschaubar bleiben wird. III. Auch wenn der BGH die Wirksamkeit bejaht hat, wird angeregt, in die Klausel einen Zusatz aufzunehmen. In der Praxis hat die Klausel eine Bedeutung namentlich für den Fall einer Nichteinhaltung von Brandschutzvorschriften bei der versicherten Gefahr Feuer (auch wenn z.B. in der Sturm- und Elementarschadenversicherung diese Klausel auch im Einzelfall eingreifen mag). Hier erscheint es sinnvoll, eine Begrenzung in den AVB mitaufzunehmen und die Klausel auf das Risiko Feuer zu begrenzen und dabei den Begriff „Sicherheitsvorschriften“ zu ersetzen und zu präzisieren durch „Brandschutzvorschriften“.
- E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung I. Der BGH folgte dem OLG Celle bereits nicht bei der Zulässigkeit. Im Bereich der Sachversicherung spielen namentliche Grundurteile ohnehin kaum eine Rolle. Grund ist hierfür der in der Sachversicherung üblicherweise vereinbarte besondere Verwirkungsgrund der arglistigen Täuschung. In ständiger Rechtsprechung weist der BGH darauf hin, dass kein Grundurteil ergehen darf, wenn Schadenumfang und Schadenhöhe streitig sind. Dann ist nicht auszuschließen, dass sich im Rahmen einer Beweisaufnahme, auch wenn diese nur die Schadenhöhe betrifft, bislang nicht erörterte Umstände ergeben, die wiederum Rückschlüsse z.B. auf eine Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers wegen unzutreffender Angaben zur Schadenhöhe zulassen, also Auswirkungen zum Anspruchsgrund haben können (vgl. BGH, Urt. v. 20.06.2007 - IV ZR 228/06 zur Betriebsunterbrechungsversicherung oder BGH, Urt. v. 23.09.1992 - IV ZR 199/91 - VersR 1992, 1465, zur Inhaltsversicherung, vgl. ferner BGH, Urt. v. 03.11.1978 - IV ZR 61/77 - VersR 1979, 25). II. Die Ausführungen des BGH zum besonderen Verwirkungsgrund der arglistigen Täuschung enthalten keine neuen Gesichtspunkte. Sie geben die ständige Rechtsprechung des BGH und auch die im Übrigen einhellige Rechtsprechung wieder. Bei feststehenden objektiven Falschangaben trifft danach den Versicherungsnehmer eine sekundäre Darlegungslast. Erst wenn er dieser nachkommt, muss der Versicherer dann die Angaben des Versicherungsnehmers widerlegen. In der Praxis scheitern Klagen nicht selten daran, da dazu gehört, dass der Versicherungsnehmer, so der BGH in Rn. 40, „plausibel darlegen muss, wie und weshalb es zu den objektiv falschen Angaben gekommen ist“. Nähere Ausführungen zum Sachverhalt gibt es in dem BGH-Urteil nicht, jedoch in dem Berufungsurteil des OLG Celle. Danach datierte der Brandschaden vom 26.09.2018 und das OLG Celle zitiert dort ausführlich aus einem Schreiben des Klägers an den Makler vom 26.11.2018. In diesem Schreiben, wonach der Bezirksschornsteinfegermeister die Frage bejaht habe, dass der Versicherungsnehmer den Ofen weiterbetreiben dürfte, heißt es weiter, der Schornsteinfegermeister „wollte das Endergebnis nicht noch einmal sehen. Er hat mir zugesagt, das Abnahmeprotokoll über die erfolgte Abnahme vom 23.07.2018 parallel zur sonstigen Abnahme mitzuschicken“. Es stand nach der Beweisaufnahme fest, dass die Angabe des Versicherungsnehmers jedenfalls objektiv unzutreffend war.
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