Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der klagende eingetragene Verein war in den Jahren 2009 bis 2015 (Streitjahre) als Landesorganisation Teil einer – ebenfalls als eingetragener Verein verfassten – im Wesentlichen namensgleichen Bundesorganisation, deren Beschlüsse nach seiner Satzung für ihn bindend waren. Nach seiner Satzung verfolgte der Kläger in den Streitjahren Zwecke i.S.d. § 52 AO.
Die Verfassungsschutzberichte des Landes A sämtlicher Streitjahre führten in der Überschrift einer Textziffer allein den wortgleichen Namensteil sowie die Abkürzung aus dem Namen der Bundesorganisation auf. Zur Landesorganisation wurde erwähnt, auch sie sei durch eine andere im Verfassungsschutzbericht aufgeführte Organisation beeinflusst. Weiter führten die Verfassungsschutzberichte 2009 und 2010 in einer Übersicht über erwähnenswerte extremistische und extremistisch beeinflusste Organisationen den wortgleichen Namensteil nebst der Abkürzung und – nicht konkretisierten – Landesorganisationen auf. Die Verfassungsschutzberichte 2013 bis 2015 bezeichneten die Organisation in einer angehängten Übersicht zu extremistischen Organisationen und Gruppierungen allein mit dem wortgleichen Namensteil sowie der Abkürzung. In diesen Übersichten waren – nach der hierzu in den Verfassungsschutzberichten enthaltenen Erläuterung – die im Bericht genannten Organisationen und Gruppierungen aufgeführt, bei denen die vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte in ihrer Gesamtschau zu der Bewertung geführt hätten, dass die Organisation/Gruppierung verfassungsfeindliche Ziele verfolge, es sich mithin um eine verfassungsfeindliche Organisation/Gruppierung handle.
Die vor dem zuständigen Verwaltungsgericht (VG) gegen die Eintragungen in den Verfassungsschutzberichten der Jahre 2010 bis 2013 erhobene Klage des Klägers wurde abgewiesen. Den dagegen gerichteten Antrag auf Zulassung der Berufung lehnte die Berufungsinstanz u.a. mit dem Hinweis ab, zur Begründung einzelner, auf den Kläger bezogener Aussagen im Bericht dürften Äußerungen und Aktivitäten von Funktionären anderer Landesverbände oder des Bundesverbandes herangezogen und dem Kläger zugerechnet werden, selbst wenn ausschließlich der Kläger als Landesorganisation Beobachtungs- und Berichtsobjekt in der Zuständigkeit des Landesverfassungsschutzes sei.
Auf dieser Grundlage versagte das FA die Steuerbefreiung des Klägers nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG im Dezember 2011 mit Körperschaftsteuerbescheiden für 2009 und 2010 (unter Hinweis auf § 51 Abs. 3 Satz 2 AO wegen Erwähnung in den Verfassungsschutzberichten des Landes A) ebenso wie mit Körperschaftsteuerbescheiden für die Jahre 2011 bis 2015, weil der Kläger gleichermaßen für diese Jahre in den Verfassungsschutzberichten des Landes A erwähnt sei.
Die dagegen erhobene Klage wies das FG – unter Bezugnahme auf die Erwähnung des Klägers als extremistische Organisation in den Verfassungsschutzberichten des Landes A der Streitjahre – mit folgender Begründung ab: In den Texten der Verfassungsschutzberichte für die Streitjahre 2009 bis 2012 werde der Kläger nicht nur beiläufig erwähnt; mithin erfolge die Berichterstattung nicht als bloßer Verdachtsfall. Für die Streitjahre 2013 bis 2015 sei der Kläger bereits deshalb i.S.d. § 51 Abs. 3 Satz 2 AO als aufgeführt anzusehen, weil er im jeweiligen Anhang in der dort enthaltenen Übersicht erwähnt und als extremistisch beeinflusst bezeichnet werde sowie die übrigen Umstände die Annahme rechtfertigten, er sei als extremistische Organisation i.S.d. § 51 Abs. 3 Satz 2 AO aufgeführt. Die danach anzuwendende Vermutung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO habe der Kläger nicht widerlegt. Deshalb sei das Gericht an die Erkenntnisse in den Verfassungsschutzberichten im Hinblick auf den verfahrensvereinfachenden Zweck des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO jedenfalls dann gebunden, wenn die Eintragungen – wie im Streitfall für die Jahre 2010 bis 2013 – verwaltungsgerichtlich überprüft und keine darüber hinausgehenden Tatsachen vorgetragen worden seien.
Gegen die FG-Entscheidung hat der Kläger Revision eingelegt und zur Begründung neben Verfahrensmängeln die Verletzung materiellen Rechts geltend gemacht. Insbesondere fehle im Streitfall für die Anwendung der Vermutungsregelung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO die ausdrückliche Bezeichnung des Klägers als extremistisch in den vom FA in Bezug genommenen Verfassungsschutzberichten, weil diese ausschließlich die Bundesorganisation beträfen und den Kläger als Landesorganisation allenfalls als extremistisch beeinflusst bezeichneten, was für die Anwendung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO nicht ausreiche.
Der BFH hat die Revision als begründet angesehen und die Sache deshalb unter Aufhebung des FG-Urteils zur weiteren Sachaufklärung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO), weil die Vorinstanz die Voraussetzungen des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO rechtsfehlerhaft bejaht habe.
Zur Begründung hat der BFH ausgeführt, dass die Steuerfreiheit einer Körperschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des KStG nach § 51 Abs. 3 Satz 2 AO zwar schon dann versagt werden könne, wenn diese in einem Verfassungsschutzbericht „als extremistische Organisation aufgeführt“ werde und deshalb nach Maßgabe der Vorschrift die widerlegbare gesetzliche Vermutung bestehe, sie fördere extremistische Bestrebungen oder handle dem Gedanken der Völkerverständigung zuwider: In diesem Fall habe die Körperschaft zum Nachweis der Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung den vollen Beweis des Gegenteils zu erbringen (vgl. BFH, Urt. v. 14.03.2018 - V R 36/16 Rn. 33 - BStBl II 2018, 422 ; Anm. Fischer, jurisPR-SteuerR 25/2018 Anm. 1).
Voraussetzung für eine solche widerlegbare gesetzliche Vermutung sei aber die Feststellung, dass gerade diejenige Körperschaft, deren steuerrechtliche Gemeinnützigkeit versagt werden soll, als selbstständiges Steuersubjekt (§ 51 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AO) in einem solchen Verfassungsschutzbericht ausdrücklich als extremistisch bezeichnet werde und nicht ein hiervon verschiedenes selbstständiges Steuersubjekt. Sei eine solche Feststellung nicht rechtsfehlerfrei getroffen, müsse eine gleichwohl vorgenommene Versagung der Gemeinnützigkeit wie im Streitfall aufgehoben werden.
Kontext der Entscheidung
I. Rechtsgrundlagen für die Befreiung von der Körperschaftsteuer
1. Anwendungsbereich
Nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG sind von der Körperschaftsteuer Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen befreit, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 AO). Unter Körperschaften sind nach § 51 Abs. 1 Satz 2 AO die Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen i.S.d. KStG zu verstehen, wenn das Gesetz eine Steuervergünstigung gewährt, weil eine Körperschaft ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke (steuerbegünstigte Zwecke) verfolgt.
Funktionale Untergliederungen (Abteilungen) von Körperschaften gelten nicht als selbstständige Steuersubjekte (§ 51 Abs. 1 Satz 3 AO) mit der Folge, dass ihre Tätigkeit in steuerrechtlicher Hinsicht der Hauptkörperschaft zugerechnet wird. Eine solche funktionale Untergliederung ist in gebotener enger Auslegung der Vorschrift (Schüller in: Sikorski, AO, § 51 Rn. 6) nur bei Verzahnung zwischen Haupt- und Zweigkörperschaft z.B. bei automatischer Mitgliedschaft der Mitglieder einer Untergliederung in der Hauptkörperschaft sowie einem Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen Hauptkörperschaft und Untergliederung gegeben (vgl. Jachmann/Unger in: Gosch, AO/FGO, § 51 AO Rn. 61 m.w.N.).
Dagegen sind regionale Untergliederungen mit eigener Kassenführung, eigener Satzung sowie eigenen satzungsmäßigen und nach außen im Namen der Untergliederung auftretenden Organen – wie im Streitfall der Kläger – selbstständige Körperschaftsteuersubjekte, für die gleichermaßen § 51 Abs. 1 Satz 3 AO gilt (vgl. Jachmann/Unger in: Gosch, AO/FGO, § 51 AO Rn. 63 m.w.N.; Niewerth in: Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, § 51 AO Rn. 5, jew. unter Hinweis auf AEAO zu § 51 Nr. 2 S. 1).
2. Erfüllung steuerbegünstigter Zwecke
Zu den Voraussetzungen für die Steuerbefreiung gehört im Übrigen, dass die tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke gerichtet ist und den Bestimmungen entspricht, die die Satzung über die Voraussetzungen für Steuervergünstigungen enthält (§ 63 Abs. 1 AO). Solche Zwecke verfolgt eine Körperschaft nach § 52 Abs. 1 Satz 1 AO, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Dabei muss es sich nach der Rechtsprechung des BVerfG um Zwecke handeln, die vom Gesetzgeber als förderungswürdig anerkannt worden sind („gegenständlich beschränktes Tätigwerden“, vgl. BVerfG, Urt. v. 24.07.1979 (2 BvF 1/78 Rn. 98 - BVerfGE 52, 63)). Des Weiteren müssen die Handlungen der Körperschaft ernsthaft auf die Erfüllung des steuerbegünstigten Zwecks gerichtet und hierzu objektiv geeignet sein (BFH, Urt. v. 12.12.2024 - V R 28/23 - DStR 2025, 1093; zur amtl. Veröffentlichung bestimmt, unter Bezugnahme auf BFH, Urt. v. 13.12.1978 - I R 39/78 - BStBl II 1979, 482, unter I.4.b; BFH, Urt. v. 23.07.2003 - I R 29/02 - BStBl II 2003, 930; vgl. Strahl, NWB 2025, 1374).
II. Ausschluss der Steuerbefreiung bei Bestrebungen i.S.d. § 4 BVerfSchG und Verstoß gegen Gedanken der Völkerverständigung
1. Die Steuervergünstigung ist nach § 51 Abs. 3 Satz 1 AO ausgeschlossen, wenn die Körperschaft nach ihrer Satzung und bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung Bestrebungen i.S.d. § 4 BVerfSchG fördert oder dem Gedanken der Völkerverständigung zuwiderhandelt. Da schon Bestrebungen diese Folge auslösen, werden bereits alle Vorbereitungshandlungen erfasst (Niewerth in: Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, § 51 AO 1977 Rn. 7). Dabei ist das Vorliegen solcher Bestrebungen jeweils eigenständig und ohne eine die Leistungen der Körperschaft für das Gemeinwohl einbeziehende Abwägung zu entscheiden (BFH, Urt. v. 05.09.2024 - V R 15/22 - BStBl II 2025, 72, unter Bezugnahme auf BFH, Urt. v. 14.03.2018 - V R 36/16 Rn. 39 bis 43 - BStBl II 2018, 422; Fischer, jurisPR-SteuerR 7/2025 Anm. 1; Fu, HFR 2025, 77).
Bei Körperschaften, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, ist gemäß § 51 Abs. 3 Satz 2 AO widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 3 Satz 1 AO nicht erfüllt sind.
2. Der Ausschlusstatbestand in § 51 Abs. 3 Satz 2 AO ist schon dann zu bejahen, wenn die Körperschaft in einem Verfassungsschutzbericht ausdrücklich „als extremistische Organisation aufgeführt“ wird, nicht aber schon dann, wenn sie nur als Verdachtsfall oder sonst beiläufig Erwähnung findet (BFH, Urt. v. 11.04.2012 - I R 11/11 Rn. 20 - BStBl II 2013, 146; Anm. Fischer, jurisPR-SteuerR 35/2012 Anm. 1; BFH, Urt. v. 14.03.2018 - V R 36/16 - BStBl II 2018, 422 Rn 28; Anm. Fischer, jurisPR-SteuerR 25/2018 Anm. 1; Heuermann, DStR 2018, 184; Marfels, AO-StB 2018, 166). Der Tatbestand des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO ist nach der Rechtsprechung jedenfalls dann erfüllt, wenn die Körperschaft ausdrücklich im Anhang des Verfassungsschutzberichts des Bundes erwähnt ist, in dem Gruppierungen aufgeführt sind, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese verfassungsfeindliche Ziele verfolgen, so dass es sich um eine extremistische Gruppierung handelt (BFH, Urt. v. 14.03.2018 - V R 36/16 Rn. 30 - BStBl II 2018, 422; vgl. zur Verdachtsberichterstattung BVerfG, Beschl. v. 24.05.2005 - 1 BvR 1072/01 Rn. 68 und 78 - BVerfGE 113, 63).
3. Begründet die Nennung der Körperschaft in den Verfassungsschutzberichten nach § 51 Abs. 3 Satz 2 AO die widerlegbare gesetzliche Vermutung, dass sie extremistische Bestrebungen fördert oder dem Gedanken der Völkerverständigung zuwidergehandelt hat, hat die Körperschaft den vollen Beweis des Gegenteils im Hinblick auf die in den Verfassungsschutzberichten genannten, für eine Förderung verfassungsfeindlicher Bestrebungen sprechenden Tatsachen zu erbringen (vgl. BFH, Urt. v. 14.03.2018 - V R 36/16 Rn. 33 - BStBl II 2018, 422). Der in § 51 Abs. 3 Satz 2 AO verwendete Begriff „extremistisch“ verstößt im Übrigen – so der BFH zu Recht – auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG (Beschl. v. 08.12.2010 - 1 BvR 1106/08 - Zeitschrift für das gesamte Medienrecht 2011, 43) mit Blick auf die Entstehungsgeschichte der Vorschrift (vgl.
BR-Drs. 545/08, S. 48 und 125;
BT-Drs. 16/11108, S. 8 und 45) und deren Bezugnahme auf § 4 BVerfSchG nicht gegen das Bestimmtheitsgebot.
III. Verfahrensrechtliche Voraussetzungen für die Anwendung des § 51 Abs. 3 Satz 2 AO
Zu Recht hat der BFH mit der Rezensionsentscheidung für die Anwendbarkeit der Regelung in § 51 Abs. 3 Satz 2 AO auf die Notwendigkeit der Feststellung hingewiesen, dass gerade diejenige Körperschaft, deren steuerrechtliche Gemeinnützigkeit versagt werden soll, als selbstständiges Steuersubjekt (§ 51 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AO) in einem Verfassungsschutzbericht ausdrücklich als extremistisch bezeichnet wird und nicht ein hiervon verschiedenes selbstständiges Steuersubjekt (vgl. zum Begriff der Selbstständigkeit von Steuersubjekten im Anwendungsbericht des § 51 AO BFH, Urt. v. 11.02.1997 - I R 161/94 - BFH/NV 1997, 625).
Die danach im Streitfall gebotene Feststellung, dass die vom FA in Bezug genommenen Verfassungsschutzberichte nicht nur unstreitig die Bundesorganisation betreffen, sondern auch den Kläger selbst als Landesorganisation als extremistisch bezeichnen, ist nach Auffassung des BFH vom FG nicht rechtsfehlerfrei getroffen worden und muss deshalb vom FG im zweiten Rechtsgang nachgeholt werden.
Insbesondere ist der BFH nicht der Argumentation der Vorinstanz gefolgt, die Berichterstattung in den Verfassungsschutzberichten habe gleichermaßen den Kläger deshalb betroffen, weil nur die Landesorganisation Beobachtungs- und demzufolge auch Berichtsobjekt in der Zuständigkeit des Landesverfassungsschutzes sei und die Berichtsausführungen zur Bundesorganisation lediglich als Argumentationshilfen anzusehen seien.
Dies genügt – so der BFH – nicht für eine ausdrückliche Bezeichnung des Klägers als extremistisch. Denn diesen Umständen sei nicht in der gebotenen Weise hinreichend erkennbar zu entnehmen, ob der Kläger selbst als nach § 51 Abs. 3 Satz 2 AO selbstständiges Steuersubjekt in einem Verfassungsschutzbericht i.S.d. § 51 Abs. 3 Satz 2 AO als extremistische Organisation aufgeführt ist. Die Verfassungsschutzberichte hätten sich nämlich für die Bezeichnung der Organisation in der Überschrift der jeweiligen Textziffer sowie in den jeweiligen Texten auf die Verwendung des wortgleichen Namensteils und die Abkürzung der Bundesorganisation beschränkt. Des Weiteren führten auch die Übersichten der Verfassungsschutzberichte 2009 und 2010 zu erwähnenswerten extremistischen und extremistisch beeinflussten Organisationen nur den wortgleichen Namensteil und die Abkürzung der Bundesorganisation neben nicht weiter konkretisierten Landesorganisationen auf.
Eine gegenteilige Würdigung sei auch nicht aufgrund der Hinweise in den Berichten möglich, die Landesorganisation sei durch eine weitere Organisation beeinflusst. Denn mit einer Berichterstattung über Organisationen, die von verfassungsfeindlichen Kräften beeinflusst würden, werde ein anderer Sachverhalt als die Verfolgung verfassungsfeindlicher Bestrebungen beschrieben (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.06.2013 - 6 C 4/12 Rn. 23 - NVwZ 2014, 233; vgl. zu § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchst. c BVerfSchG BVerwG, Beschl. v. 24.03.2016 - 6 B 4/16 Rn. 10 - Buchholz 11 Art. 21 GG Nr 29).
Dem Urteil des FG lässt sich nach Auffassung des BFH ferner nicht entnehmen, ob die in den Berichten genannten Umstände dem Kläger zugerechnet werden können oder ob sie allein auf die Bundesorganisation bezogen sind. Hierfür hätte das FG seiner Entscheidung jedenfalls die für die Zurechnung von Äußerungen und Verhaltensweisen geltenden Grundsätze zugrunde legen müssen, wie sie sich aus der Rechtsprechung des BFH ergeben (vgl. BFH, Urt. v. 27.09.2001 - V R 17/99 - BStBl II 2002, 169; BFH, Urt. v. 10.01.2019 - V R 60/17 Rn. 36 - BStBl II 2019, 301; BFH, Urt. v. 29.08.1984 - I R 215/81 - BStBl II 1985, 106, unter 5.b).
Daran fehlt es im Streitfall – so der BFH – schon deshalb, weil den Verfassungsschutzberichten keine Anhaltspunkte für eine Erfassung des Klägers als selbstständiges Steuersubjekt zu entnehmen ist und sich auch die darauf bezogenen VG-Entscheidungen nicht zur Zurechenbarkeit der Berichtsfeststellungen zum Kläger als selbstständiges Steuersubjekt äußern. Auf dieser Grundlage hätte das FG – mangels bindender tatsächlicher Feststellungen des VG in dieser Frage – eigenständig prüfen müssen, ob der Kläger als selbstständiges Steuersubjekt in dem Verfassungsschutzbericht als extremistische Organisation i.S.v. § 51 Abs. 3 Satz 2 AO aufgeführt ist.
IV. Vorgaben des BFH für den zweiten Rechtsgang
1. Notwendigkeit erneuter Verhandlung vor dem FG
Da die fehlende Feststellung, ob der Kläger als selbstständiges Steuersubjekt in den Verfassungsschutzberichten i.S.d. § 51 Abs. 3 Satz 2 AO aufgeführt ist, zur Prüfung und tatsächlichen Würdigung der entsprechenden Tatsachen gehört, die allein dem erstinstanzlichen Gericht obliegen und mithin im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden können, war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung mit der Maßgabe zurückzuverweisen, diese Feststellung nachzuholen.
2. Notwendigkeit isolierter Prüfung, ob Bestrebungen i.S.d. § 4 BVerfSchG gefördert oder dem Gedanken der Völkerverständigung zuwidergehandelt wird
Ob eine Körperschaft nach ihrer Satzung oder bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung Bestrebungen i.S.d. § 4 BVerfSchG fördert oder dem Gedanken der Völkerverständigung zuwiderhandelt, ist im Übrigen eigenständig und ohne eine die Leistungen der Körperschaft für das Gemeinwohl einbeziehende Abwägung zu prüfen, so dass keine Gesamtwürdigung mit der Folge einer Anerkennung (auch) extremistischer Körperschaften als gemeinnützig vorzunehmen ist (vgl. BFH, Urt. v. 14.03.2018 - V R 36/16 Rn. 39 bis 43 - BStBl II 2018, 422; Anm. Fischer, jurisPR-SteuerR 7/2025 Anm. 1).
Entsprechende Anhaltspunkte sind nach ständiger Rechtsprechung – unabhängig von der Verteilung der objektiven Feststellungslast – einzeln und in ihrer Gesamtschau (vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 31.05.2022 - 1 BvR 564/19 Rn. 19 - NJW 2022, 3629; BVerwG, Urt. v. 21.07.2010 - 6 C 22/09 Rn. 30 - BVerwGE 137, 275) unter Berücksichtigung der Ziele und Methoden einer Körperschaft sowie etwaiger organisatorischer, personeller, strategischer und ideologischer Verbindungen zu anderen Gruppierungen, die verfassungsfeindliche Bestrebungen fördern, zu würdigen und erfordert die Auseinandersetzung des FG mit allen Umständen, die für die Förderung verfassungsfeindlicher Bestrebungen unter Auswertung der Verfassungsschutzberichte sprechen (vgl. BFH, Urt. v. 11.04.2012 - I R 11/11 Rn. 25 - BStBl II 2013, 146; BFH, Urt. v. 14.03.2018 - V R 36/16 Rn. 36 bis 38 - BStBl II 2018, 422) und ggf. Anlass für weitere Ermittlungen geben (vgl. BFH, Urt. v. 11.04.2012 - I R 11/11 Rn. 18 und 22 - BStBl II 2013, 146).
3. Zurechenbarkeit solcher Bestrebungen
Zudem ist weiter zu prüfen, ob eine Zurechnung nach den Grundsätzen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht in Betracht kommt. Dabei ist zu beachten, dass eine Zurechnung der Förderung verfassungsfeindlicher Bestrebungen auch durch die Ziele und die Billigung verfassungsfeindlicher Bestrebungen im Rahmen vereinseigener Aktivitäten erfolgen kann. Insbesondere kann das Verhalten einzelner Mitglieder gemeinnützigkeitsschädlich sein, wenn es der Körperschaft zugerechnet werden kann, weil es gedeckt, gebilligt oder widerspruchslos hingenommen wird (vgl. Brandl in: AO-eKommentar, § 51 AO Rn. 20; Jachmann/Unger in: Gosch, § 51 AO Rn. 95). Schließlich wäre zu prüfen, ob Verhaltensweisen von Personen, die auf Kreisebene des Klägers tätig sind, dem Kläger zurechenbar sind.
4. Vereinbarkeit der Prüfung mit Art. 4 Abs. 1 GG
Ergänzend hat der BFH unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerfG für den zweiten Rechtsgang darauf hingewiesen, dass der Kläger durch eine mögliche Ablehnung der Gemeinnützigkeit nicht im Hinblick auf Art. 4 Abs. 1 GG in seiner Weltanschauung oder seiner politischen Überzeugung beeinträchtigt wird, weil die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit weder Ansprüche auf bestimmte staatliche Leistungen noch auf Teilhabe an bestimmten steuerlichen Privilegien wie der Steuerfreiheit und des Spendenabzugs gewährleistet (BFH, Urt. v. 14.03.2018 - V R 36/16 Rn. 47- BStBl II 2018, 422; BVerfG, Urt. v. 19.12.2000 - 2 BvR 1500/97 Rn. 97 ff. - BVerfGE 102, 370; BVerfG, Beschl. v. 26.06.2002 - 1 BvR 670/91 Rn. 52 ff. - BVerfGE 105, 279; Fischer, jurisPR-SteuerR 7/2025 Anm. 1).
Schließlich ist mit dem BFH in einer möglichen Versagung der Steuerbefreiung keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung i.S.v. Art. 3 Abs. 1 GG zu sehen, weil die Einschränkung der Gemeinnützigkeit für extremistische Organisationen in § 51 Abs. 3 AO gleichermaßen für alle Körperschaften gilt, die steuerbegünstigte Zwecke verfolgen (BFH, Urt. v. 14.03.2018 - V R 36/16 Rn. 48 - BStBl II 2018, 422).