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Anmerkung zu:BFH 6. Senat, Urteil vom 21.11.2024 - VI R 12/22
Autor:Dr. Stephan Geserich, RiBFH
Erscheinungsdatum:12.05.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 19 EStG, § 18 EStG, § 8 EStG, § 4 EStG, § 22 EStG
Fundstelle:jurisPR-SteuerR 19/2025 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Peter Fischer, Vors. RiBFH a.D.
Prof. Dr. Franz Dötsch, Vors. RiBFH a.D.
Zitiervorschlag:Geserich, jurisPR-SteuerR 19/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Steuerliche Behandlung eines Preisgeldes für wissenschaftliche Publikationen



Leitsatz

Ein mit einem Preisgeld dotierter Wissenschaftspreis kann nur dann Arbeitslohn darstellen, wenn er dem Arbeitnehmer für Leistungen verliehen wird, die dieser gegenüber seinem Dienstherrn erbracht hat.



A.
Problemstellung
Streitig ist, ob ein Forschungspreisgeld (als Arbeitslohn) zu versteuern ist.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger erzielte im Streitjahr (2018) Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit als Professor an der Hochschule S sowie Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit als Dozent und Berater. In das Professorenverhältnis wurde er 2014 berufen. Zuvor (von 2006 bis 2011) war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität E beschäftigt. Anschließend war er bis 2013 für X tätig. Von 2012 bis 2014 war er zudem nebenberuflich Lehrbeauftragter an der Universität A. In den Jahren 2006 bis 2014 verfasste der Kläger insgesamt acht Publikationen, die in Fachzeitschriften (zum Teil mehrfach und bis ins Jahr 2016) erschienen. Aufgrund dieser Publikationen und einer Probevorlesung wurde er an der Universität A im Jahr 2016 habilitiert. Ebenfalls im Streitjahr verlieh ihm das Y-Institut einen Wissenschaftspreis für seine Habilitationsschriften. Das FA setzte das Preisgeld im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr bei den Einkünften des Klägers aus freiberuflicher Tätigkeit an. Den Einspruch der Kläger wies das FA als unbegründet zurück. Es änderte die Besteuerungsgrundlagen lediglich insoweit, als es das Preisgeld nunmehr den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zuordnete. Die anschließend erhobene Klage wies das FG ab (FG Münster, Urt. v. 16.03.2022 - 13 K 1398/20 E - EFG 2022, 930). Auf die Revision des Klägers hob der BFH die Vorentscheidung auf und gab der Klage statt. Das FG habe zu Unrecht entschieden, dass es sich bei dem Preisgeld um eine steuerbare Einnahme des Klägers handle. Das Preisgeld gehöre insbesondere nicht zu den (Arbeits-)Einkünften des Klägers aus seiner Hochschullehrertätigkeit für die Universität S. Es sei aber auch nicht bei den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit oder als sonstige Leistungen nach § 22 Nr. 3 EStG zu versteuern.


C.
Kontext der Entscheidung
I. Zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG – neben Gehältern und Löhnen – auch andere Bezüge und Vorteile in Geld oder Geldeswert (§ 8 Abs. 1 Satz 1 EStG), die „für“ eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG). Diese Bezüge oder Vorteile gelten dann als für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind, ohne dass ihnen eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Dienstleistung des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss. Eine Veranlassung durch das individuelle Dienstverhältnis ist vielmehr zu bejahen, wenn die Einnahmen dem Empfänger mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zufließen und sich als Ertrag der nichtselbstständigen Arbeit darstellen, wenn sich die Leistung des Arbeitgebers also im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (st.Rspr., z.B. BFH, Urt. v. 16.02.2022 - VI R 53/18 - BFH/NV 2022, 587 m.w.N.). Arbeitslohn kann dabei auch in der Zuwendung eines Dritten – hier des Y-Instituts – bestehen, wenn sie ein Entgelt „für“ eine Leistung bildet, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll (BFH, Urt. v. 01.09.2016 - VI R 67/14 Rn. 21 m.w.N. - BStBl II 2017, 69; Anm. jurisPR-SteuerR 1/2017 Anm. 2). Ob eine Zuwendung durch das Dienstverhältnis veranlasst und damit als Arbeitslohn zu beurteilen ist, obliegt in erster Linie der tatrichterlichen Würdigung durch das FG; dies gilt auch für die Zuwendung durch einen oder an einen Dritten. Denn ob der entsprechende Leistungsaustausch den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit oder aufgrund einer Sonderrechtsbeziehung einer anderen Einkunftsart oder dem nicht einkommensteuerbaren Bereich zuzurechnen ist, kann nur aufgrund einer grundsätzlich der Tatsacheninstanz vorbehaltenen Würdigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalls entschieden werden. Die persönlichen Auffassungen und Einschätzungen der an der Zuwendung Beteiligten sind insoweit unerheblich. Entscheidend sind die vorgefundenen objektiven Tatumstände, die vom FG als Tatsacheninstanz eigenständig zu würdigen sind (BFH, Beschl. v. 26.06.2014 - VI R 94/13 Rn. 23 m.w.N. - BStBl II 2014, 864; Anm. Bergkemper, jurisPR-SteuerR 40/2014 Anm. 2).
II. Nach diesen Grundsätzen hat das FG das Preisgeld rechtsfehlerhaft als Ertrag aus der Hochschullehrertätigkeit des Klägers an der Hochschule S angesehen. Denn der Wissenschaftspreis stand in keinerlei Zusammenhang mit diesem Dienstverhältnis. Der Kläger hat die Habilitationsschriften zum ganz überwiegenden Teil vor der Berufung in das Professorendienstverhältnis verfasst. Der preisbewehrten Habilitation liegt zwar eine wissenschaftliche Forschungsleistung zugrunde. Diese gründet aber nicht auf der Forschungstätigkeit des Klägers als Hochschullehrer an der Universität S. Wissenschaftspreis und Preisgeld stellen sich nicht als „Frucht“ dieser Tätigkeit dar. Das Y-Institut hat mit dem Wissenschaftspreis vielmehr die zuvor erbrachte wissenschaftliche Tätigkeit des Klägers gewürdigt und ausgezeichnet. Das damit zusammenhängende Preisgeld ist dem Kläger mithin nicht als Anerkennung für dessen gegenüber der Hochschule S geleisteten Dienste zugewandt worden.
III. Die hilfsweise vertretene Auffassung des FG, nach der das Preisgeld, wenn nicht als Arbeitslohn, so doch als Betriebseinnahme bei den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG anzusetzen sei, hat der BFH ebenfalls zurückgewiesen.
Betriebseinnahmen sind in Anlehnung an die §§ 8 Abs. 1 und 4 Abs. 4 EStG alle Zugänge in Geld oder Geldeswert, die durch den Betrieb veranlasst sind. Eine Zuwendung ist betrieblich veranlasst, wenn insoweit ein nicht nur äußerlicher, sondern sachlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang gegeben ist. Für die Beurteilung des Veranlassungszusammenhangs kommt es nicht auf die zivilrechtliche Rechtsgrundlage der Leistung an. Als betrieblich veranlasst sind nicht nur solche Einnahmen zu werten, die aus der maßgeblichen Sicht des Unternehmers Entgelt für betriebliche Leistungen darstellen. Es ist weder erforderlich, dass der Vermögenszuwachs im Betrieb erwirtschaftet wurde, noch, dass der Steuerpflichtige einen Rechtsanspruch auf die Einnahme hat. Betriebseinnahmen können somit auch vorliegen, wenn der Steuerpflichtige als Betriebsinhaber unentgeltliche Zuwendungen erhält, mit denen weder ein zuvor begründeter Rechtsanspruch erfüllt noch eine in der Vergangenheit erbrachte Leistung vergütet werden soll. Erforderlich ist nur ein wirtschaftlicher Bezug der Einnahme zum Betrieb. Deshalb können auch betriebsbezogene Preise und damit solche, die untrennbar mit der betrieblichen Tätigkeit verbunden sind, den Betriebseinnahmen zuzurechnen sein (BFH, Urt. v. 14.03.1989 - I R 83/85 - BStBl II 1989, 650).
IV. Im Streitfall besteht (auch) ein solcher tatsächlicher und wirtschaftlicher (Veranlassungs-)Zusammenhang des Preises mit der freiberuflichen Tätigkeit des Klägers als Dozent und Berater nicht. Denn der Kläger wurde mit dem Wissenschaftspreis nicht für seine (unternehmerische) Lehr- und Beratungstätigkeit, sondern für seine Habilitationsschriften ausgezeichnet. Er hat das Preisgeld folglich nicht aus auf sein Unternehmen bezogenen Gründen (als Betriebsinhaber) vereinnahmt. Vielmehr sollte der Preis ausweislich der Förderrichtlinien des Y-Instituts der Wissenschaftsförderung dienen und wies damit keinen Bezug zur betrieblichen Tätigkeit des Klägers auf. Dem steht nicht entgegen, dass die Habilitation wegen der thematischen Nähe und der mit ihr einhergehenden Reputation sowohl für die Beratungs- als auch die nebenberufliche Dozententätigkeit des Klägers förderlich gewesen sein mag. Denn die Betriebsförderlichkeit der Habilitation allein kann den wirtschaftlichen Betriebsbezug des Preisgeldes – entgegen der Auffassung des FG – nicht herstellen und damit dessen Ansatz als betrieblich veranlasste Einnahme nicht rechtfertigen. Auch insoweit ist der BFH dem vom FG bemühten „vorwirkenden Veranlassungsprinzip“ (vgl. dazu Krumm, FR 2015 639, 644) entgegengetreten.
V. Das Preisgeld ist schließlich auch nicht als Einnahme aus sonstigen Leistungen nach § 22 Nr. 3 EStG zu besteuern.
1. Eine (sonstige) Leistung i.S.d. § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags sein kann und das eine Gegenleistung auslöst.
2. Ein synallagmatisches Verhältnis von Leistung und Gegenleistung im Sinne eines wechselseitigen Austauschvertrags ist nicht erforderlich. Entscheidend ist vielmehr, ob die Gegenleistung durch das Verhalten des Steuerpflichtigen (Leistung) wirtschaftlich veranlasst ist. Dies ist in erster Linie aus der (objektivierten) Perspektive des Leistenden zu beurteilen. Denn die Leistung muss „um des Entgelts willen“ erbracht werden (BFH, Urt. v. 16.06.2015 - IX R 26/14 - BStBl II 2015, 1019; Anm. Jachmann-Michel, jurisPR-SteuerR 50/2015 Anm. 4: BFH, Urt. v. 13.03.2018 - IX R 18/17 - BStBl II 2018, 531; Jachmann-Michel, jurisPR-SteuerR 41/2018 Anm. 3).
VI. Entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanz ergibt sich ein hinreichender Veranlassungszusammenhang zwischen der Vereinnahmung des Preisgeldes und der Tätigkeit des Klägers als Hochschulprofessor auch nicht aus der mit der Habilitation verbundenen Steigerung der wissenschaftlichen Reputation und einer damit (möglicherweise) verbundenen Förderlichkeit für die Hochschullehrertätigkeit. Allein die Förderlichkeit einer Habilitation für das berufliche Fortkommen des Habilitanden vermag den erforderlichen Veranlassungszusammenhang von Preisgeld und individuellem Dienstverhältnis nicht zu begründen. Denn auch künftige Einnahmen sind nur als Arbeitslohn steuerbar, wenn sie durch ein konkretes Dienstverhältnis veranlasst sind. Daran fehlte es im Streitfall. Die Frage nach der Berufsnützlichkeit einer einnahmebegründenden Tätigkeit stellt sich insoweit nicht. Schließlich bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass das Preisgeld dem Kläger für seine vorherige Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität E, als Mitarbeiter der X oder als nebenberuflich tätiger Lehrbeauftragter an der Universität A zugewandt worden ist. Davon sind zu Recht auch das FA und das FG nicht ausgegangen.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die Auszahlung des Preisgeldes an den Kläger kann vorliegend auch keine Einnahme aus Leistungen i.S.d. § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG begründen. Auch insoweit ist nicht ersichtlich, dass der Kläger die Habilitationsschriften „um des Wissenschaftspreises willen“ verfasst hat. Dieser wurde ihm vielmehr aus gesellschaftspolitischen Zwecken (Wissenschaftsförderung) verliehen. Der Wissenschaftspreis stellt daher vorliegend kein leistungsbezogenes Entgelt für die vom Kläger angefertigten Habilitationsschriften dar.



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