Steuerrechtliches Bußgeldverfahren: Umfang der Mitteilungspflichten bei einer ausländischen UnternehmensbeteiligungOrientierungssatz zur Anmerkung Ein zeitlich vor dem Zuzug des Betroffenen nach Deutschland erfolgter Erwerb ausländischer Unternehmensbeteiligung ist mitteilungspflichtig i.S.d. § 138 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO. Der Verstoß gegen die Mitteilungspflicht erfüllt § 379 Abs. 2 Nr. 1 AO. - A.
Problemstellung Das OLG Hamburg hat in einer ordnungswidrigkeitenrechtlichen Entscheidung zur leichtfertigen Steuerverkürzung gemäß § 379 Abs. 2 Nr. 1 AO zu entscheiden, ob die Vorschrift des § 138 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO dahin gehend auszulegen ist, dass auch ein zeitlich vor dem Zuzug des Betroffenen nach Deutschland erfolgter Erwerb ausländischer Unternehmensbeteiligung mitteilungspflichtig ist.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Das Gericht hatte die Frage zu beantworten, ob der Betroffene nach seinem Zuzug ins Bundesgebiet auch zuvor erworbene Beteiligungen an Auslandsgesellschaften gegenüber dem zuständigen Finanzamt habe anzeigen müssen. Die Mitteilungsfrist von 14 Monaten gemäß § 138 Abs. 5 Satz 1 AO solle erst mit dem pflichtauslösenden Einzug des Betroffenen anlaufen (Rn. 4). Die Vorinstanz hatte angenommen, dass zurückliegende Erwerbsvorgänge nur zeitlich begrenzt mitteilungspflichtig seien, wenn der Zuzug innerhalb der Frist des § 138 Abs. 5 Satz 1 AO erfolgt.
- C.
Kontext der Entscheidung Für grenzüberschreitende Auslandssachverhalte sind erhöhte steuerliche Mitwirkungspflichten vorgesehen in § 90 Abs. 2 AO und speziell in § 138 Abs. 2 AO. Zuletzt wurde § 138 AO als Reaktion auf die sog. Panama-Papers verschärft (vgl. Beckschäfer, ZRP 2017, 41). Adressaten der gesteigerten Mitwirkungspflicht sind inländische Steuerpflichtige, wie sie in § 138 Abs. 2 Satz 1 AO legaldefiniert werden. Nicht erfasst sind „Anwärter“ einer solchen Position. Ausländische Steuerpflichtige unterliegen keiner Mitwirkungspflicht (Baumgartner/Nier, IStR 2022, 632, 633). Die Mitteilungspflicht des § 138 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO erfasst qualifizierte Erwerbs- oder Veräußerungsvorgänge von Beteiligungen eines Steuerinländers an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland. Die Frage nach dem Zuzug und den resultierenden Meldepflichten des § 138 Abs. 2 AO ist bisher nur vereinzelt bearbeitet worden (vgl. Tipke/Kruse/Brandis, AO/FGO, 181. Lfg. 05/2024, § 138 AO Rn. 6c; Scheller/Wangerowski, UbG 2022, 20, 30; zum OLG Hamburg nunmehr auch Ebner, ZWH 2025, 100). Die besseren Gründe sprechen gegen die Erfassung von Zuzugsfällen durch § 138 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO. Dies zeigt schon die gesetzliche Systematik. Die Eröffnung einer inländischen Betriebsstätte ist gemäß § 138 Abs. 1 Satz 1 AO mitteilungspflichtig. Das Versäumnis dieser Mitteilung ist dabei nicht durch § 379 Abs. 2 Nr. 1 AO sanktioniert. Richtigerweise wird darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber von der Möglichkeit abgesehen hat, den Zuzug als pflichtauslösendes Ereignis zu normieren oder zu erwähnen (Scheller/Wangerowski, Ubg 2022, 20, 30 f.). Das OLG fasst die zeitlich neutrale Formulierung von „Erwerb“ so auf, dass auch sämtliche vor dem Zuzug liegende Erwerbsvorgänge meldepflichtig sein sollen (OLG Hamburg, Beschl. v. 26.11.2024 - 2 ORbs 38/24 Rn. 3). Dem entsprechenden BMF-Schreiben zu § 138 Abs. 2 AO aus dem Jahr 2022 ist zu entnehmen, dass die Mitteilungspflicht nach § 138 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO nur bei erstmaligem oder erneutem Erreichen der maßgeblichen Beteiligungsgrenzen – nach zwischenzeitlichem Unterschreiten dieser – bestehen soll, während der Zuzug nicht genannt wird (BMF-Schreiben v. 26.04.2022 zu Mitteilungspflichten bei Auslandsbeziehungen nach § 138 Abs. 2 AO und § 138b AO in der Fassung des Steuerumgehungsbekämpfungsgesetzes (StUmgBG), Rn. 7. Darüber geht das OLG schlicht hinweg. Die vorliegende Entscheidung führt dazu, dass originär ausländische – d.h. nicht grenzüberschreitende – Erwerbs- und Veräußerungsvorgänge nachträglich offenzulegen sind. Den Umstand, dass Steuerausländer keine Adressaten des § 138 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AO sind, umgeht das OLG, indem es als pflicht- und fristauslösendes Ereignis den Zuzug nach Deutschland definiert. Dieser soll wohl der mitzuteilende Sachverhalt i.S.d. § 138 Abs. 5 Satz 1 AO sein. Nach dem Wortlaut des § 138 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 AO ist der mitteilungspflichtige Sachverhalt jedoch ein Gründungs-, Erwerbs- oder Veräußerungsvorgang und nicht der Zuzug eines nunmehr inländisch Steuerpflichtigen. Die Mitteilung eines derartigen Umstandes erübrigt sich auch in jeder erdenklichen Konstellation, da die Norm nur an Steuerinländer adressiert ist. Der Fristbeginn kann somit nicht auf einen Zeitpunkt fallen, in dem der Steuerausländer den Tatbestand der Norm noch überhaupt nicht erfüllt. Abzulehnen ist damit auch die „vermittelnde“ Ansicht der Vorinstanz, die auf den Erwerbsvorgang im Ausland als fristauslösendes Ereignis abstellen wollte (anders wohl Ebner, ZWH 2025, 100, 101 „zumindest vertretbar“). Der Wortlaut einer bußgeldbewährten Eingriffsnorm bildet die äußere Grenze der Auslegung (Klein/Rätke, AO, 18. Aufl. 2024, § 138 Rn. 25). Das Steuerstraf- und Ordnungswidrigkeitenrecht ist ohnehin keiner Analogie zulasten des Täters zugänglich. Die Ahndung von Zuzugsfällen durch den Bußgeldtatbestand des § 379 Abs. 2 Nr. 1 AO verstößt insofern gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG (so auch Ebner, ZWH 2025, 100, 101).
- D.
Auswirkungen für die Praxis Durch die Entscheidung des OLG werden zugezogene Inhaber von ausländischen Unternehmensanteilen zur – gemäß § 379 Abs. 2 Nr. 1 AO bußgeldbewehrten – zeitlich unbegrenzten Offenlegung von „sämtlichen zuvor erworbenen ausländischen Gesellschaften“ verpflichtet (OLG Hamburg, Beschl. v. 26.11.2024 - 2 ORbs 38/24 Rn. 3, 5). Sollte sich diese extensive Auslegung durchsetzen, führt sie zu einer erheblichen Ausweitung des Bußgeldrisikos für ausländische Unternehmer und Investoren, die sich in Deutschland niederlassen wollen.
- E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung Die festgesetzte Bußgeldhöhe von 30.000 Euro bei einem Höchstmaß von 25.000 Euro gemäß § 379 Abs. 7 AO (bzw. 12.500 Euro wg. § 17 Abs. OWiG) für eine leichtfertige Steuergefährdung (in Form der Unterlassungseinheit) ist in der Herleitung undurchsichtig und im Ergebnis fragwürdig (vgl. Ebner, ZWH 2025, 100, 101). Zudem erscheint fragwürdig, ob einerseits der Leichtfertigkeitsvorwurf begründet ist oder nicht auch ein unvermeidbarer Verbotsirrtum vorlag, vgl. § 11 Abs. 2 OWiG. Das OLG weist darauf hin, dass es einer im internationalen Finanzhandel tätigen, jüngst zugezogenen Person obliegt, sich über einschlägige steuerliche Mitteilungspflichten zu informieren (OLG Hamburg, Beschl. v. 26.11.2024 - 2 ORbs 38/24 Rn. 7). Zum Vorliegen eines Irrtums bzw. der Vermeidbarkeit des Irrtums führt die unterbliebene Einholung von Rechtsberatung aber dann nicht, wenn es dem Betroffenen nicht möglich gewesen ist, dadurch Unrechtseinsicht zu gewinnen (Valerius in: BeckOK OWiG, 45. Ed., Stand: 01.01.2025, § 11 Rn. 43, zu § 17 StGB vgl. BGH, Urt. v. 07.04.2016 - 5 StR 332/15). Aufgrund der Formulierung des BMF-Schreibens vom 26.04.2022 und der in der Literatur vertretenen Auffassung, es bestehe in den Fällen des Zuzugs keine Meldepflicht, überzeugt auch dieses Ergebnis des OLG nicht.
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