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Anmerkung zu:OLG Hamburg 4. Zivilsenat, Urteil vom 23.09.2024 - 4 U 31/24
Autor:Dr. Beate Flatow, Vizepräsidentin AG a.D.
Erscheinungsdatum:24.10.2024
Quelle:juris Logo
Normen:§ 287 ZPO, § 990 BGB, § 280 BGB, § 286 BGB, § 252 BGB, § 287 BGB, § 546a BGB, § 987 BGB
Fundstelle:jurisPR-MietR 21/2024 Anm. 1
Herausgeber:Norbert Eisenschmid, RA
Zitiervorschlag:Flatow, jurisPR-MietR 21/2024 Anm. 1 Zitiervorschlag

Schadensersatzansprüche gegen Untermieter bei Nichtherausgabe der ihm vermieteten Teile der Mietsache nach Ende des Hauptmietverhältnisses



Leitsatz

Im Rahmen der Haftung des Untermieters gemäß §§ 990 Abs. 2, 280 Abs. 1, 2, 286 BGB wegen verspäteter Rückgabe der Mietfläche an den Eigentümer und Hauptvermieter bezieht sich auch für den Bereich der Geschäftsraummiete der Schadensersatzanspruch auf das gesamte Mietobjekt, wenn eine von einem Untermieter genutzte Teilfläche nicht zur Vermietung zur Verfügung stand und eine Vermietung der restlichen Flächen ohne die vom Untermieter genutzten Teilflächen nicht möglich war (Anschluss an BGH, Urt. v. 31.01.2001 - XII ZR 221/98 - NJOZ 2001, 282, 286 unter dd).
Bei der Entscheidung, ob eine isolierte Vermietung der vom Untermieter nicht genutzten Teilflächen des Mietobjekts nicht möglich war, geht es um die Höhe des entstandenen Schadens, so dass das Gericht gemäß § 287 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung zu entscheiden hat. Für den Schadensersatzanspruch des Eigentümers und Hauptvermieters gegen den Untermieter wegen Vorenthaltung kann zur Schadensermittlung auf den ortsüblichen Mietzins zurückgegriffen werden (Anschluss an BGH, Urt. v. 31.01.2001 - XII ZR 221/98 - NJOZ 2001, 282, 286 unter ee).
Der ortsübliche Mietzins beinhaltet dabei in dem Umfang, in dem verbrauchsunabhängige Nebenkosten ortsüblich als Teil des Mietzinses mit vereinbart werden, auch diese Nebenkosten. Verbrauchsabhängige Nebenkosten sind nur zu berücksichtigen, wenn der Vermieter sie konkret darlegt. Vor Ablauf einer angemessenen Frist, die regelmäßig zum Ablauf eines Jahres nach Ende des Abrechnungszeitraums endet, ist der Untermieter aber zur Leistung von Schadensersatz einschließlich der Vorauszahlungen für verbrauchsabhängige und verbrauchsunabhängige Kosten verpflichtet und hat dann nach Abrechnungsreife ggf. einen bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruch gegen den Eigentümer und Hauptvermieter.



A.
Problemstellung
Der Untermieter ist dem Herausgabeanspruch des Eigentümers ausgesetzt, sobald das Hauptmietverhältnis wirksam beendet ist. Auf den Grund der Beendigung kommt es nicht an (vgl. nur Heilmann, NZM 2016, 74, 80). Der Untermieter kann etwaige vertragliche Rechte aus dem Untermietvertrag dem Eigentümer nicht entgegenhalten (Bub/Treier/Kraemer, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl. 2019, Kap. III Rn. 3027). Gibt der Untermieter die Räume nicht fristgerecht heraus, drohen ihm Ersatzansprüche des Eigentümers. Sie richten sich nach den Vorschriften zum Eigentümer-Besitzerverhältnis, den §§ 987 ff BGB.
Mit diesen Ansprüchen hatte sich das OLG Hamburg in einem Fall zur Gewerbemiete zu befassen.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Klägerin vermietete eine Gewerbefläche, auf der die Hauptmieterin eine Spedition betrieb. Eine Teilfläche vermietete die Hauptmieterin ihrerseits an den Beklagten unter. Der Beklagte betrieb dort eine Autowerkstatt. Nach fristloser Kündigung des Hauptmietvertrags erwirkte die Klägerin gegen die Hauptmieterin ein Räumungsurteil. Im Rahmen der Räumungsvollstreckung verweigerte der Beklagte die Herausgabe der untervermieteten Fläche. Die Klägerin verklagte ihn nunmehr seinerseits auf Räumung. Die Räumungsklage wurde dem Beklagten am 01.03.2023 zugestellt. Nach einem entsprechenden Urteil gab der Beklagte am 21.05.2023 die von ihm genutzte Fläche an die Klägerin heraus.
Mit der Hauptmieterin schloss die Klägerin einen Vergleich wegen der Zahlungsansprüche für die Zeit bis zum Februar 2023. Anschließend verklagte sie den Beklagten auf Ersatz des Nutzungsausfalls für die Zeit von März bis Juni 2023, und zwar errechnet nach dem Ausfall für die gesamte Mietfläche. In erster Instanz wurde der Beklagte verurteilt, den Nutzungsausfall für die Zeit bis zum 21.05.2023, also bis zur Rückgabe seiner Mietfläche zu ersetzen, und zwar in Höhe des Nettobetrags derjenigen Miete, die die Hauptmieterin für das Gesamtobjekt zu zahlen hatte.
Das OLG Hamburg hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Der Klägerin stehe gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz nach den §§ 990 Abs. 2, 280 Abs. 1, 2, 286 BGB zu. Die §§ 987 ff. BGB seien auf den Untermieter, dessen Besitzrecht entfallen sei, anwendbar. Der Untermieter sei bösgläubig, sobald er von Mangel seines Besitzrechts erfahren habe (Verweis auf BGH, Urt. v. 11.12.2020 - V ZR 26/20 Rn. 6 - NJW 2021, 1088 sowie für die Geschäftsraummiete BGH, Urt. v. 31.01.2001 - XII ZR 221/98 - NJOZ 2001, 282, 285).
Der Beklagte hafte danach als bösgläubiger Besitzer. Spätestens aufgrund der Räumungsvollstreckung gegen die Hauptmieterin habe er gewusst, dass ihm kein Besitzrecht mehr zustehe. Er sei durch die vergebliche Räumungsaufforderung auch in Verzug geraten. Der Schadensersatzanspruch umfasse den Vorenthaltungsschaden zu der gesamten Mietfläche. Der Untermieter, der mit der Herausgabe in Verzug sei, hafte für sämtliche Nachteile, die dem Eigentümer durch das Vorenthalten der Mietsache entstünden, und zwar unabhängig davon, ob er selbst den Besitz am gesamten Mietobjekt tatsächlich ausübe (Verweis auf BGH, Urt. v. 11.12.2020 - V ZR 26/20 Rn. 9 - NJW 2021, 1088; BGH, Urt. v. 14.03.2014 - V ZR 218/13 Rn. 9 - WuM 2014, 347, 348 und für die Gewerbemiete BGH, Urt. v. 31.01.2001 - XII ZR 221/98 - NJOZ 2001, 282, 286). Hier sei die gesamte Fläche ohne die untervermietete Teilfläche unvermietbar gewesen. Einerseits hätten sich die Sanitärräume auf der Fläche des Beklagten befunden. Außerdem schneide diese Fläche das Gesamtgrundstück in zwei Teile. Auch wenn die vormalige Hauptmieterin sich damit arrangiert gehabt habe, werde nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge (§ 252 Satz 2 BGB) die Vermietbarkeit reduziert. Der Schaden sei hier nach § 287 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BGB zu schätzen. Die seinerzeit von der Hauptmieterin gezahlte Miete habe der Höhe nach der ortsüblichen Miete entsprochen. Darauf könne zur Schadensermittlung zurückgegriffen werden (Verweis auf BGH, Urt. v. 31.01.2001 - XII ZR 221/98 Rn. 30 - NJOZ 2001, 282, 286).
Der Vergleich mit der Hauptmieterin habe keine Wirkung im Verhältnis zum Beklagten. Die Regeln über die Gesamtschuldnerschaft seien entsprechend anwendbar. Danach sei durch Auslegung des Vergleichs zu ermitteln, ob eine Gesamtwirkung gegen andere Schuldner gewollt sei. In dem hier geschlossenen Vergleich sei im Gegenteil ausdrücklich festgehalten worden, dass Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten unberührt bleiben sollten.


C.
Kontext der Entscheidung
Zunächst ist es einhellige Meinung, dass § 546a BGB keine abschließende Regelung für die Ansprüche bei Verletzung der Rückgabepflicht darstellt. Es besteht Anspruchskonkurrenz (Streyl in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 16. Aufl. 2024, § 546a BGB Rn. 103; BGH, Urt. v. 12.08.2009 - XII ZR 76/08 Rn. 32 - NJW-RR 2009, 1522, 1524 m.w.N. zu Ansprüchen gegen den Hauptmieter). Für die Ansprüche gegen den Untermieter nach den §§ 987 ff. BGB ist zu unterscheiden.
1. Nutzungsentschädigung
Der Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen (§ 987 Abs. 1 BGB) beschränkt sich nach h.M. auf den Teil, der dem Untermieter auch überlassen war (vgl. BGH, Urt. v. 14.03.2014 - V ZR 218/13 Rn. 8f. - WuM 2014, 347, 348; ebenso LG Bonn, Urt. v. 25.07.2013 - 6 S 9/13 - ZMR 2013, 959, 960; Bayer in: jurisPK-BGB, 9. Aufl., Stand 17.03.2021, § 987 Rn. 7). Ohne Besitz könne der Schuldner keine Nutzungen ziehen (BGH, Urt. v. 14.03.2014 - V ZR 218/13 Rn. 9 - WuM 2014, 347, 348). Die Gegenauffassung meint, auch der Gebrauch eines Teils könne sich als Nutzung der gesamten Mietsache darstellen, wenn diese unteilbar sei und solange der Besitz bestehe (so Streyl in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 16. Aufl. 2024, § 546a BGB Rn. 104). Dem Eigentümer sei die Rücknahme einer Teil-Wohnung nicht zumutbar (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 26.11.2009 - 24 U 91/09 - ZMR 2010, 755). Gegen diese Auffassung ist allerdings einzuwenden, dass die Perspektive des Gläubigers systematisch zum Schadensersatz gehört (BGH, Urt. v. 14.03.2014 - V ZR 218/13 Rn. 9 - WuM 2014, 347, 348). Der Anspruch auf Nutzungsentschädigung richtet sich auf den Bruttobetrag, weil es sich um ein umsatzsteuerpflichtiges Geschäft handelt (vgl. BGH, Urt. v. 22.10.1997 - XII ZR 142/95 - NZM 1998, 192; BGH, Urt. v. 06.08.2008 - XII ZR 67/06 - NJW 2009, 1266).
2. Schadensersatz
Die Höhe des Schadensersatzanspruchs hängt nicht vom Umfang der Untermietfläche ab. Setzt der unmittelbare Besitzer einer Teilfläche die Ursache dafür, dass das gesamte Objekt nicht vermietet werden kann, ergibt sich daraus der Schaden des Eigentümers (BGH, Urt. v. 14.03.2014 - V ZR 218/13 Rn. 9 m.w.N. - WuM 2014, 347, 348; Thole in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2023, Vor §§ 987-993 Rn. 77; Bieber, jurisPR-MietR 9/2021 Anm. 3). Schadensersatz ist nur in Höhe des Nettobetrags zu leisten. Der Geschädigte hat seinerseits keine Mehrwertsteuer auf den Schadensersatzbetrag abzuführen, weil es sich dabei nicht um einen steuerbaren Umsatz handelt (vgl. BGH, Urt. v. 23.04.2008 - XII ZR 136/05 - ZMR 2008, 867, 868).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung ist für die Praxis nur insofern von Bedeutung, als dass sie der ohnehin gefestigten Rechtsprechung des BGH folgt. Sie ist in ihrem systematischen Aufbau dazu für Fälle in der anwaltlichen Praxis gut verwendbar.


E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
Das Urteil befasst sich auch mit dem Anspruch auf Nebenkostenvorauszahlungen als Teil des Schadensersatzanspruchs. Solange keine Abrechnungsreife bestehe, könne die Klägerin sie verlangen. Der Beklagte müsse nach Abrechnung ein Guthaben ggf. nach den Vorschriften des Bereicherungsrechts wieder zurückverlangen.



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