Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Geschäftsraummietvertrag aus dem Jahr 2019 enthält in § 6 folgende Klausel:
„1) Die Miete bleibt für 24 Monate, d.h. bis zum Ablauf des 31.08.2021 fest. Danach erfolgen Mieterhöhungen aufgrund nachstehender Regelungen.
2) Ändert sich der vom Statistischen Bundesamt ermittelte Verbraucherpreisindex für Deutschland – VPI gegenüber dem für Mai 2017 veröffentlichten Index, so ändert sich automatisch die Miete im gleichen Verhältnis. Die Änderung der Miete wird ab dem auf die Änderung folgenden Monat und nach schriftlicher Aufforderung durch den Vermieter wirksam. Bei jeder weiteren Indexänderung gegenüber der jeweils letzten Änderung der Miete ist diese Regelung entsprechend anwendbar. Die Parteien vereinbaren ab September 2019 als Ausgangswert für die Indexierung des Mietzinses 100% = 1.748,00 Euro. Als Miete im Sinne dieser Regelung gilt hier die Nettokaltmiete.“
Der Mieter begehrte die Feststellung, dass die Klausel nach § 307 BGB von Anfang an unwirksam sei und nicht erst mit Rechtskraft des Urteils; er meinte, das Recht der AGB gehe § 8 PrKG vor.
Das LG Düsseldorf gab ihm recht. Es hat die Unwirksamkeit der Wertsicherungsklausel von Anfang an festgestellt und den beklagten Vermieter zur Rückzahlung der Beträge verurteilt, die der klagende Mieter aufgrund schriftlich ausgebrachter Mieterhöhungsverlangen zusätzlich zu der vertraglich festgelegten Nettokaltmiete gezahlt hat.
Das OLG Düsseldorf hat das Urteil des Landgerichts bestätigt und die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Die zulässige Berufung der Beklagten sei unbegründet.
I. Verhältnis von § 8 PrKG und § 307 BGB
Das OLG Düsseldorf stellt zunächst den Meinungsstand dar: Nach einer Meinung ist der Prüfungsmaßstab von § 2 Abs. 1 Nr. 2 PrKG und § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB für beide Vorschriften identisch. Nach dieser Meinung ist ein Verstoß gegen § 307 BGB nicht anzunehmen, wenn schon ein Verstoß gegen das PrKG vorliegt. Die Unwirksamkeit der Klausel richtet sich nach § 8 PrKG (OLG Schleswig, Beschl. v. 05.02.2024 - 12 U 69/23).
In der Literatur wird teilweise der Vorrang von § 8 PrKG bejaht (lex specialis) (Aufderhaar/Jaeger, NZM 2009, 564, 575; Schultz, NZM 2008, 425, 527; Lindner-Figura/Oprée/Stellmann/Bartholomäi/Stellmann, Geschäftsraummiete, 5. Aufl. 2023, Kapitel 10 Rn. 157; Weiß/Bork, ZfIR 2012, 113, 118 m.w.N; wohl auch: Grüneberg/Grüneberg, GrünHome Teil III, § 8 PrKG Rn. 1).
Nach anderer Auffassung sind nur Verstöße gegen die Vorschriften nach dem PrKG mit der Rechtsfolge des § 8 PrKG verbunden, während Verstöße gegen § 307 BGB gemäß § 306 BGB als von Anfang an unwirksam behandelt werden (Guhling/Günter/Schweitzer, Gewerberaummiete, 3. Aufl. 2024, § 8 PrKG Rn. 15 m.w.N.; Bub/Treier/Schultz, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 5. Aufl. 2019, Rn. 894; Gerber, NZM 2008, 152, 155).
Das OLG Düsseldorf schließt sich der letztgenannten Auffassung an und rekurriert zur Begründung zunächst auf die Rechtsprechung des BGH zu den Preisanpassungsklauseln in Erdgaslieferverträgen – die allerdings Spannungsklauseln betrafen – und stellt diese dar: Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urt. v. 24.03.2010 - VIII ZR 304/08 - NJW 2010, 2793) hindere – jedenfalls für Spannungsklauseln i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 2 PrKG in Verbraucherverträgen – eine etwaige Vereinbarkeit der Klausel mit dem PrKG nicht eine darüberhinausgehende Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Auch wenn eine Klausel nach dem PrKG wirksam sei, heiße das nicht automatisch, dass sie auch im Hinblick auf § 307 BGB unbedenklich ist. Denn Zweck des PrKG seien währungspolitische Ziele und die Verhinderung von inflationären Tendenzen. Für die Zulässigkeit einer Spannungsklausel gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 PrKG komme es auf die Frage einer unangemessenen Benachteiligung nicht an. Ob Entsprechendes gelte, wenn – wie im hiesigen Rechtsstreit – eine Klausel nach § 2 Abs. 1 Satz 2, 3 PrKG in Rede stehe, habe der BGH nicht entschieden. Auch wenn Vertragspartner ein Unternehmer sei, habe der BGH die Spannungsklausel einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB unterworfen (BGH, Urt. v. 14.05.2014 - VIII ZR 116/13 - NJW 2014, 2715). Allerdings führe allein ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 PrKG nicht automatisch zur Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 BGB. Wenn eine gegen das PrKG verstoßende Klausel wegen § 8 PrKG erst nach rechtskräftiger Feststellung des Verstoßes ex nunc unwirksam sein solle, könne eine solche Klausel vor rechtskräftiger Feststellung des Verstoßes erst recht nicht gemäß § 307 Abs. 1 BGB rückwirkend (ex tunc) unwirksam sein.
Obwohl die Entscheidungen des BGH zu Spannungsklauseln ergangen sind, hält das Oberlandesgericht die Grundsätze für anwendbar und meint auch, dass es für die Beurteilung in dieser Frage keinen Unterschied gebe, ob es sich um einen Gaslieferungsvertrag oder einen gewerblichen Mietvertrag handle. Es gehe jeweils um die Frage, ob ein Verstoß gegen das in § 1 Abs. 1 PrKG normierte Verbot von Preisklauseln gegeben sei, nämlich entweder weil eine Klausel i.S.v. § 1 Abs. 2 PrKG nicht wirksam ist oder weil eine Klausel nach den §§ 3, 2 Abs. 1 PrKG nicht wirksam ist. Davon ausgehend argumentiert es wie folgt:
Der Wortlaut der Bestimmungen des PrKG schließe eine Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB mit der Rechtsfolge einer Unwirksamkeit ex tunc nicht aus. Einen Vorrang der §§ 2, 8 PrKG vor einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB verneint es im Ergebnis mit den unterschiedlichen Regelungszwecken von PrKG und der AGB-Regeln im BGB, erkennt aber an, dass sich für einen weiten Bereich Überschneidungen ergeben dürften. Auch aus den Gesetzesmaterialien würden sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Gesetzgeber mit der Schaffung des PrKG Vorschriften des BGB habe einschränken wollen, so dass eine Preisklausel unter beiden Gesichtspunkten zu überprüfen sei. Auch der Zweck des § 8 PrKG (Vermeidung der Rückabwicklung) spreche nicht gegen die Zulässigkeit der Inhaltskontrolle, da die Rückabwicklung nicht mit besonderen, nicht hinnehmbaren zusätzlichen Schwierigkeiten verbunden sei. § 8 PrKG habe nie die Funktion gehabt, eine nach § 307 BGB als unwirksam zu behandelnde Klausel schwebend wirksam zu lassen.
II. AGB-Widrigkeit der Klausel
Das OLG Düsseldorf leitet die AGB-Widrigkeit der Klausel aus zwei Gesichtspunkten ab: Mietbeginn war in 2019, die Indexklausel stellte aber auf den VPI im Mai 2017 ab. Das führt dazu, dass eine etwa in der Zeit seit Mai 2017 eingetretene Inflation zulasten der Mieterin geht, obwohl sie in dieser Zeit keine Gegenleistung der Beklagten erhalten hat. Nach dem ersten Satz von § 6 Abs. 2 des Mietvertrages soll eine automatische Änderung der Miete eintreten, wenn sich der Verbraucherpreisindex ändert, während nach dem zweiten Satz von § 6 Abs. 2 die Änderung der Miete ab dem auf die Änderung folgenden Monat und nach schriftlicher Aufforderung durch den Vermieter wirksam wird. Eine klare Darstellung der der Klägerin obliegenden Mietzinserhöhungen sei das nicht, meint das Oberlandesgericht.
III. Zulassung der Revision
Es lässt die Revision zu, weil die Frage nach einer AGB-rechtlichen Kontrolle und der mit einer Unwirksamkeit verbundenen Rechtsfolge für eine Wertsicherungsklausel in einem Mietvertrag über gewerblich genutzte Räume bislang höchstrichterlich nicht entschieden ist und sie sich in einer Vielzahl von Fällen stellen könne. Außerdem weicht das OLG Düsseldorf vom Standpunkt des OLG Schleswig ab.