Sehr geehrte Leserinnen und Leser,
die Digitalisierung hat in der Steuerverwaltung bereits länger Einzug gehalten. Über die Online-Steuer-Software Elster ist die Kommunikation zwischen Finanzamt und Bürger bereits vollständig digital möglich. Die Bundesländer Hessen und Bayern gehen nun jedoch noch einen erheblichen Schritt weiter. Unter dem Motto „Die Steuer macht jetzt das Amt für Sie!“ hat die hessische Steuerverwaltung im Rahmen eines Pilotprojekts seit Ende August mehreren Tausend Bürgerinnen und Bürgern in Kassel über das amtliche Elster-Portal vorausgefüllte Steuererklärungen übermittelt. Gibt es zu diesen keine Einwände, so erhalten die Steuerpflichtigen nach vier Wochen automatisch einen Steuerbescheid für das Jahr 2024. Grundlage dieser „automatischen Steuererklärungen“ sind die der Finanzverwaltung bereits aus anderen Quellen, z.B. von Arbeitgebern, Rentenversicherungsträgern und Finanzdienstleistern übermittelten Daten sowie etwaige Mitteilungen zu Lohnersatzleistungen, wie Arbeitslosengeld.
Nachdem Hessen den Anfang gemacht hat, plant nun auch Bayern als zweites Bundesland, mit einem vergleichbaren Pilotprojekt nachzuziehen. Laut den Plänen der Landtags-SPD und des bayerischen Finanzministers Füracker soll die „Steuererklärung per App mit einem Klick“ möglich werden. Da Bayern bereits Elster für den Bund und die Länder programmiere, könne dort aufgesetzt werden. Eine Einführung der App sei somit vielleicht schon Mitte 2026 möglich. Nach einer Testphase mit ledigen, kinderlosen Arbeitnehmern könne der Service dann sukzessive ausgebaut und so immer mehr Steuerpflichtigen zugutekommen. Auf diesem Weg könnten am Ende alle Bundesländer profitieren und die Entwicklung paralleler Insellösungen verhindert werden. Das Vorhaben werde so rechtssicher, volldigital und in der breiten Fläche realisierbar, so Füracker.
Die Verwaltungsmodernisierung ist schon länger ein zentrales Thema auf Bundes- und Länderebene. Die Pilotprojekte von Hessen und Bayern stellen nun einen sehr lobenswerten Vorstoß hin zu einer volldigitalisierten, bürgerfreundlichen und nicht zuletzt ressourcenschonenden deutschen Steuerverwaltung dar. Dabei bieten sich viele Ansätze, den Service in Zukunft weiter auszubauen. So wäre es beispielsweise möglich, mit der Zustimmung der Nutzerinnen und Nutzer steuerrelevante Ausgaben (z.B. Handwerkerleistungen) über Schnittstellen direkt an die Finanzverwaltung weiterzuleiten. Durch proaktive, individualisierte und automatisierte Erläuterungen zu den einzelnen Posten sowie Unterstützungen wie einem „Werbungskosten-Assistenten“ könnte der Prozess außerdem transparenter und verständlicher gestaltet werden. Schließlich könnten einheitliche Standards und eine eIDAS-konforme Identifizierung langfristig den Weg für eine umfassendere Verwaltungs-App für die Bürgerinnen und Bürger ebnen.
In dieser Ausgabe des PraxisReports befasst sich zunächst Alexander Seidl mit einem Beschluss des BVerfG zum Verhältnis der landespolizeirechtlichen Ermächtigungen zur Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) und der Quellen-TKÜ in NRW zum IT-System-Grundrecht (BVerfG, Beschl. v. 24.06.2025 - 1 BvR 2466/19) (Anm. 2).
Sodann ist Victor Monsees mit einer Anmerkung zur Frage der Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs nach § 21 Abs. 2 Satz 2 TDDDG im Kontext anonymer Arbeitgeberbewertungen vertreten (OLG Bamberg, Beschl. v. 16.06.2025 - 6 W 6/25 e) (Anm. 3).
Anschließend erwartet Sie ein Beitrag von Thomas Lapp zu den Anforderungen an elektronische Signaturen bei anderen als persönlichen besonderen elektronischen Postfächern (BFH, Urt. v. 18.03.2025 - VII R 25/22) (Anm. 4).
Klaus Lodigkeit besprecht einen Beschluss des LG Berlin II zur Frage der Bemessung des Zuständigkeitstreitwertes bei negativen Online-Bewertungen (LG Berlin II, Beschl. v. 07.08.2025 - 27 O 262/25 eV) (Anm. 5).
Zuletzt beschäftigt sich Julian N. Modi mit einem Urteil des OLG Braunschweig zu den Anforderungen an die Anbieterkennzeichnung im Internet im Kontext einer Weiterleitung auf die eigene Webseite (OLG Braunschweig, Urt. v. 28.05.2025 - 2 U 16/25) (Anm. 6).
Ich wünsche Ihnen eine unterhaltsame Lektüre!
Ihr Prof. Dr. Dirk Heckmann