Voraussetzungen, Umfang und Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen einen Zwangsverwalter wegen unterlassener VermietungOrientierungssatz zur Anmerkung Zur Pflicht des Zwangsverwalters gehört die Vermietung bzw. Verpachtung der zwangsverwalteten Immobilie (bzw. die sonstige entgeltliche Nutzungsüberlassung auf Zeit). Interessen betreibender Gläubiger an einem Leerstand zur Förderung des Steigerlöses in der Zwangsversteigerung darf er nicht beachten. Verstöße gegen diese Pflicht führen zur Haftung des Zwangsverwalters nach § 154 ZVG (hier: gegenüber den Eigentümern und Vollstreckungsschuldnern). Ansprüche gegen den Verwalter auf Schadensersatz aus § 154 ZVG, § 280 BGB verjähren nach § 195 BGB; offen bleibt, ob entsprechend § 62 Satz 2 InsO spätestens drei Jahre nach Beendigung der Zwangsverwaltung. Ersatzansprüche für verschuldete Leerstände von 2015 bis 2023 sind bei Verjährungshemmung im Jahr 2023 für den Zeitraum 2015 bis 2019 verjährt. - A.
Problemstellung I. Das OLG Karlsruhe hat sich mit einem typischen Dilemma der Tätigkeit eines Zwangsverwalters auseinandergesetzt, nämlich mit der Frage, ob bzw. inwieweit er die in der Zwangsverwaltung befindliche Immobilie vermietet (oder einen vergleichbaren anderen Vertrag mit einem Dritten über die Nutzung auf Zeit abschließt wie die Pacht) oder eben nicht. II. Das ist eine unternehmerische Entscheidung, die nach Abwägung fällt. Faktoren davon sind stets einzelfallabhängig zu beurteilen. Tritt der Leerstand nahe einem Zwangsversteigerungstermin ein, kann die Beurteilung ganz anders aussehen, als wenn der Termin noch in den Sternen steht, erst recht, wenn die Versteigerung nicht eingeleitet wurde. Hoher Investitionsbedarf vor Vermietung bzw. Weitervermietung führt zu wieder anderen Beurteilungskriterien. Eine wesentliche Rolle spielt, ob es sich um eine Wohnung oder ein Einfamilienhaus, eine gemischt-genutzte Stadtimmobilie handelt oder ein gewerbliches Objekt. Wieder völlig anderen Problemen steht der Zwangsverwalter gegenüber, wenn es sich um landwirtschaftlichen Grundbesitz handelt. Es gibt unzählig viele praktische Konstellationen, die jeweils etwas anders beurteilt werden müssen. Ein schlichtes Schema des Vorgehens „für alle Fälle“ gibt es nicht, es ist jeweils taktisches und unternehmerisches Geschick des Zwangsverwalters im Rahmen seiner Aufgaben erforderlich. III. Es ist daran zu erinnern, dass der Zwangsverwalter „das Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten und ordnungsgemäß zu erhalten“ hat (§ 152 Abs. 1 ZVG). Die Abrechnung von Kosten und Nutzungen nach § 155 ZVG erfolgt kalenderjährlich (§ 154 Satz 2 ZVG, § 14 Abs. 2 ZwVwV) oder bei Beendigung der Verwaltung. Nutzungen des Zwangsverwaltungsobjekts sind dem Zwangsverwalter in den § 152 ZVG, §§ 5, 6 ZwVwV vorgegeben, ohne ihn von seinem unternehmerischen Ermessen zu entbinden. Nach § 5 Abs. 1 ZwVwV „soll“ der Zwangsverwalter die (bisherige) Nutzung beibehalten, nach Absatz 5 der Norm ist er „berechtigt, begonnene Bauvorhaben fertig zu stellen“, und nach der Generalklausel des § 1 Abs. 1 ZwVwV führt er „die Verwaltung selbstständig und wirtschaftlich nach pflichtgemäßem Ermessen aus“. IV. Es liegt auf der Hand, dass Beteiligte, die mit den Maßnahmen des Verwalters unzufrieden sind, meinen, dort Pflichtverletzungen durch Ermessensnichtgebrauch bzw. Ermessensfehlgebrauch zu erkennen, die zu einem Haftungsanspruch gegen den Verwalter nach § 154 Satz 2 ZVG führen. Das ist der materielle Kern des Rechtsstreits, wenn auch das OLG Karlsruhe im zweiten Rechtszug im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens beschlossen hat. Die beantragte Bewilligung der Prozesskostenhilfe (PKH) sollte die Grundlage für einen Haftungsprozess gegen den betroffenen Zwangsverwalter bilden.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung I. 1. Der Senat hat den Antragstellern, den Eigentümern von vier Wohnungen unter Zwangsverwaltung, auf Beschwerde gegen die erstinstanzliche Entscheidung PKH für einen Haftungsprozess gegen den Zwangsverwalter wegen Unterlassung der Vermietung der Wohnungen in Höhe von ca. 78.500 Euro (nebst Prozesszinsen) bewilligt und damit nur für einen Teil der beabsichtigten Klage in Höhe von ca. 288.000 Euro. Diesen PKH-Antrag hatte das LG Karlsruhe (Beschl. v. 29.06.2023 - 5 O 42/23) zurückgewiesen. Die Kammer hatte entschieden, ein Anspruch auf PKH bestehe nicht, denn der Verwalter habe im Rahmen seines freien Ermessens gehandelt, ein Ermessensfehlgebrauch sei trotz mehrjährigen bewussten Leerstandes zu verneinen. Das OLG Karlsruhe meint hingegen, in Höhe von ca. 78.500 Euro habe die Klage Aussicht auf Erfolg bzw. das sei jedenfalls abhängig vom Ergebnis „einer ernsthaft in Betracht kommenden Beweisaufnahme“, so dass PKH nach dem Judikat des BVerfG vom 13.07.2020 (1 BvR 631/19 Rn. 18) zu bewilligen sei. Eine Abhilfeentscheidung (vgl. § 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO) durch das LG Karlsruhe war der Beschwerde an das OLG Karlsruhe nicht vorangegangen; der Senat hat dies nicht als Voraussetzung der sofortigen Beschwerde nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO, § 119 Abs. 2 Nr. 2 GVG angesehen. 2. Dem geplanten Prozess liegt der folgende Sachverhalt zugrunde: Die finanzierende Sparkasse hatte 2014 beim AG Karlsruhe die Zwangsversteigerung der vier Wohnungen beantragt, die auch angeordnet wurde. Die Eigentümer verweigerten dem Sachverständigen für das Gutachten nach § 74a Abs. 5 ZVG den Zugang zu den Wohnungen, so dass die Sparkasse die Zwangsverwaltung beantragte, die am 01.06.2015 angeordnet wurde. Am 31.08.2022 erfolgte der Zuschlag rechtskräftig an dritte Ersteher, die Zwangsverwaltung wurde im Jahr 2023 nach Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses und 92 Monaten Dauer aufgehoben. II. Das OLG Karlsruhe hielt eine Pflichtverletzung des Beklagten als Zwangsverwalter für möglich, da er die Wohnungen über den gesamten Zeitraum nicht vermietet habe. Es begründet seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt: 1. Der Verwalter habe die Immobilie auch im Interesse des Eigentümers zu verwalten. Die Entscheidung beschreibt dann die Aufgaben des Zwangsverwalters (§§ 146 ff. ZVG), nämlich die Gläubiger zu befriedigen als auch sie vor Wertminderung des Objekts und „Beeinträchtigungen“ zu schützen. Drei Zwecke der Zwangsverwaltung arbeitet der Beschluss heraus, die der Zwangsverwalter anstelle des „unfähigen oder unwilligen“ Schuldners verfolgen muss: (i) aus den Einnahmen die laufenden Lasten und die „Vollstreckungsforderung“ zu erfüllen, (ii) das Grundstück „nach Möglichkeit“ in einen guten Zustand zu versetzen oder darin zu erhalten, (iii) die Vermeidung „nachlässiger Bewirtschaftung“ und „Anwachsen“ vorrangiger „Steuern, Abgaben und Zinsen“ (der Senat meint damit den Rang des § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG, die vorrangigen öffentlichen Lasten der Rangklasse 3). Der Senat fasst sodann die Pflichten des Zwangsverwalters aus § 152 ZVG und der ZwVwV zusammen (vgl. unter A III.) mit der Feststellung, aus den Regelwerken resultiere regelmäßig die Pflicht zur Vermietung oder Verpachtung (also zur „entgeltlichen Nutzungsüberlassung“). Zugleich sei der Verwalter aber auch dem Eigentümerinteresse verpflichtet. 2. Die Vermietung wäre vorliegend problemlos möglich gewesen, und zwar mit „vertretbarem Aufwand“. Dazu gehöre auch, gegenüber dem Mieter die Wohnung „unversehrt“ zu erhalten. Der Zwangsverwalter müsse das Objekt etwa instand setzen, ggf. mit Kostenvorschuss, „Baumängel [habe er zu] beseitigen“, sogar die „Fertigstellung [sei] unbedenklich“. 3. Die Verletzung der aus diesem Aufgabenkreis resultierenden Pflichten führe zur Haftung des Verwalters (§ 154 ZVG, § 280 BGB). Diese Pflichten habe der Verwalter vorliegend verletzt, denn er habe sich in den vielen Jahren der Zwangsverwaltung ab 2015 nie um eine Vermietung bemüht. Der Senat weist darauf hin, der Schuldner als Anspruchsteller (hier die vier Eigentümer) trage aber die Darlegungslast für die Pflichtverletzung des Zwangsverwalters durch Fehlgebrauch seines „Ermessens, ebenso für die haftungsausfüllende Kausalität und den Zurechnungszusammenhang.“ 4. Vorliegend bestünden aber bei der gebotenen ex-ante-Betrachtung „konkrete Anhaltspunkte“ eines Ermessensfehlgebrauchs des betroffenen Zwangsverwalters. Er habe die Schuldnerinteressen der Eigentümer, Antragsteller und Vollstreckungsschuldner im PKH-Verfahren nicht hinreichend beachtet. Er habe die Vermietbarkeit fehlerhaft verneint und das Interesse der Sparkasse an einem Leerstand im Interesse der Zwangsversteigerung in die Abwägung pflichtwidrig einbezogen und ihm den Vorrang eingeräumt. Nach dem Sachstand im PKH-Verfahren hätte die Vermietung auch „mit vertretbarem Aufwand“ durchgeführt werden können. Aus dem Gutachten der Sachverständigen (nach § 74a Abs. 5 ZVG) waren die Wohnungen im Jahr 2015 vermutlich gut als „Mehrfamilienhaus mit Eigentumswohnungen“ vermietbar mit bestimmten negativen Faktoren (Stellplätze, Grundstückspflege). In einer Ergänzung im Jahr 2020, also fünf Jahre später, war das Gebäude erst nach Renovierung nutzbar, der lange Leerstand habe das Gebäude geschädigt. Auf Details zu einzelnen Wohnungen in dem Beschluss soll hier nicht eingegangen werden. Der notwendige Aufwand zur Erreichung der Vermietbarkeit sei überschlägig ermittelt worden, und er sei nicht unverhältnismäßig gewesen. Auf der Grundlage der Aufwendungen und Erträge nach dem Sachverständigengutachten geht das Gericht unter Berücksichtigung aller im PKH-Verfahren ermittelter vorläufiger Daten davon aus, dass der Verwalter bei eigener grober Kalkulation von einem Überschuss pro Jahr von mehr als 20.000 Euro hätte ausgehen müssen. 5. Seine Einlassung, die Masse habe kein Geld gehabt, um die notwendigen Arbeiten durchzuführen, die Sparkasse habe zudem signalisiert, keine Vorschüsse zu leisten, hat der Senat nicht akzeptiert. Der Verwalter hätte die Vorschüsse über das Gericht anfordern müssen, zumal die Sparkasse während der gesamten Verwaltungsdauer insgesamt 41.500 Euro für Unterhaltung der Immobilie, Zwangsverwaltervergütungen und weitere Kosten ohne Weiteres bezahlt habe. 6. Das tatsächliche Motiv des Leerstandes war das Interesse der Sparkasse an einem höheren Versteigerungserlös, der bei Leerstand der Wohnungen erwartet wurde. Der Senat meint dazu, eine „wirtschaftliche und sinnvolle Zwangsverwaltung“ könne den Versteigerungserlös zwar positiv beeinflussen. Der vorrangige Zweck der Zwangsverwaltung als eigenständiges Verfahren sei das aber nicht (Hinweis auf BGH, Beschl. v. 10.12.2004 - IXa ZB 231/03 Rn. 9 - BGHZ 161, 336 ff., Veränderung des Gebäudes und Eingriff in „die wirtschaftliche Beschaffenheit des Grundstücks in [seinem] Gesamtcharakter“, Ls). Auch die Nutzungen aus der Zwangsverwaltung könnten die Schulden des Eigentümers vermindern, umso mehr gelte das auf der Zeitachse. Der Zwangsverwalter darf aus dem Blick des Senats unter Bezug auf Literatur (Drasdo u.a. in: Stöber/Drasdo, ZVG, 23. Aufl., § 152 Rn. 44) die Folgen der Verwaltung für die Versteigerung nicht beachten, sie „dürfen und müssen ihn nicht interessieren“ (Rn. 40 der Besprechungsentscheidung). Beide Verfahren könnten daher, auch bei ein- und demselben Gläubiger, einen verschiedenen Verlauf nehmen und von verschiedenen Interessen geprägt sein. Unter Subsumtion des Sachverhalts unter diese rechtlichen Erwägungen folgert der Senat, dass der Beklagte den Leerstand pflichtwidrig geduldet habe, veranlasst durch die Erwartung eines infolge dieses Verhaltens höheren Steigerlöses. Er habe auch nicht annehmen dürfen, dies sei im Interesse der Eigentümer und Vollstreckungsschuldner. Die Entscheidung weist zutreffend darauf hin, dass der Verwalter verpflichtet gewesen wäre, in Miet-/Pachtverträgen gemäß § 6 Abs. 2 ZwVwV zu vereinbaren, dass den Mietern im Rahmen der Zwangsversteigerung keine Ersatzansprüche zuständen. Zudem hatte der Zwangsverwalter eine Wohnung über Monate an Monteure vermietet, eine geringfügige Ausnahme von dem Leerstand. Den Einwand des Verwalters, das Amtsgericht/Zwangsverwaltungsgericht habe ihn nicht zu Vermietungen aufgefordert, hat der Senat zurückgewiesen. Es habe keine Weisung des Gerichts gegeben, von Vermietungen abzusehen. Immerhin hatte aber das Amtsgericht u.a. erklärt, es schließe sich den Stellungnahmen des Zwangsverwalters zu Beschwerden über die Nichtvermietung an, die „mehrere sachliche/rechtliche Gründe und schlussendlich wirtschaftliche Vorteile“ haben könne. 7. Sollte die bei vorläufiger Betrachtung im PKH-Verfahren „mögliche“ Pflichtverletzung des Verwalters als Ergebnis des beabsichtigten Prozessverfahrens zu bejahen sein, die auch schuldhaft wäre, „komme ein Schaden von 78.512,01 EUR in Betracht“. Maßstab sei der Betrag, der zur Schuldentilgung der Eigentümer zur Verfügung gestanden hätte. Die Eigentümer hatten knapp 288.000 Euro als Schadensbetrag behauptet. Ein Anspruch komme nur für die Jahre 2020 bis August 2022 (Zuschlag in der Versteigerung mit der Folge des § 90 ZVG am 31.08.2022) infrage, auf die Rechtskraft des Zuschlagsbeschlusses komme es nicht an. Für diesen Zeitraum 2020 bis August 2022 hat das OLG Karlsruhe unter Verwendung der Ergebnisse des Sachverständigengutachtens nach § 74a Abs. 5 ZVG einen voraussichtlichen Verwaltungsüberschuss nach § 155 ZVG in Höhe von ca. 78.000 Euro ermittelt. 8. Die Antragsteller im PKH-Verfahren seien für den beabsichtigten Rechtsstreit auch aktivlegitimiert, ungeachtet des Umstandes, dass etwaige „Mieteinkünfte“ der Teilungsmasse zugeflossen wären und andere „Zinsverbindlichkeiten“ abgedeckt hätten. Mangels Einkünften gab es keinen Teilungsplan. Hätte es Einkünfte gegeben, wäre den Antragstellern dennoch ein Schaden entstanden, da diese Einkünfte andere Verbindlichkeiten der Antragsteller hätten tilgen können. 9. Ansprüche wegen nicht erzielter Mieten seien bis Ende 2019 verjährt, der erstinstanzliche Antrag auf PKH (Hemmung der Verjährung nach § 204 Nr. 14 BGB) wurde erst 2023 eingereicht. Der Zwangsverwalter und Antragsgegner hat sich auf Verjährung berufen. Die Ansprüche verjährten in der Regelverjährung von drei Jahren (§ 195 BGB). Verjährungsbeginn sei spätestens der Zeitpunkt des Endes der Zwangsverwaltung, bei früherer Entstehung des Anspruchs aus § 154 BGB gegen den Verwalter sei das frühere Datum maßgeblich (Anschluss an OLG Brandenburg, Urt. v. 08.12.2009 - 11 U 9/09 Rn. 60). Der Senat zieht zum Vergleich § 62 Satz 1 InsO heran, der die Haftung des Insolvenzverwalters für Pflichtverletzungen nach den §§ 60, 61 InsO der Regelverjährung nach dem BGB (§§ 194 ff. BGB) unterwirft. Die die Verjährungszeit des § 199 Abs. 3 BGB begrenzende Norm des § 62 Satz 2 InsO (Verjährungsende spätestens drei Jahre nach Beendigung des Insolvenzverfahrens) sei lex specialis, die den Insolvenzverwalter gegen Inanspruchnahmen nach vielen Jahren schützen solle. Die analoge Anwendbarkeit auf den Zwangsverwalter lässt der Senat offen, da die Verjährung der Ansprüche der Antragsteller, hier für die Jahre ab 01.01.2020, im Dreijahreszeitraum des § 195 BGB durch den PKH-Antrag 2023 gehemmt worden sei. Im Mittelpunkt steht aber die Wertung des OLG Karlsruhe, die Ersatzansprüche wegen unterbliebener Vermietung entstünden im Jahr der unterlassenen Vermietung, welche Umstände den Antragstellern auch bekannt gewesen seien (Rn. 64 der Besprechungsentscheidung). Der Senat knüpft damit im Ergebnis an die materiell-rechtliche Regelung des Entstehens der Mietforderung mit dem Beginn des Mietzeitraums und an die §§ 579, 556b Abs. 1 BGB über die Fälligkeit sowie den üblichen monatlichen Mietzahlungszeitraum bei Wohnungen an.
- C.
Kontext der Entscheidung I. Der dem Insolvenzverwalter gemachte Vorwurf besteht in der langjährigen Unterlassung der Vermietung der vermietbaren Wohnungen, wenn auch Renovierungen wirtschaftlich möglich und sinnvoll gewesen wären. Der Leerstand kann sinnvoll sein, um die Verwertung in der Zwangsversteigerung zu fördern, da Versteigerung und Zwangsverwaltung häufig parallel zueinander beantragt werden. Hier war das der Fall: Auslöser der Zwangsverwaltung war der Umstand, dass die Eigentümer den Zutritt zu den Wohnungen gegenüber der Gerichtsgutachterin verweigerten, um dadurch das Gutachten und die Wertfestsetzung zu erschweren sowie das Versteigerungsverfahren insgesamt zu verzögern. Das ist den Eigentümern/Vollstreckungsschuldnern offenbar gelungen, da ansonsten nicht nachvollziehbar ist, dass das Versteigerungsverfahren von 2014 bis 2022 andauerte, insgesamt also rund acht Jahre. II. Die Inkaufnahme von Leerstand ist bei Einzelwohnungen wie hier, zu deren Erwerberkreis jedenfalls im konkreten Fall eher Eigennutzer als Kapitalanleger gehören, die vermieten wollen, völlig plausibel. Das ist tendenziell auch für den Vollstreckungsschuldner, abhängig von der gesicherten Forderung, vorteilhaft, da er aufgrund etwaig höherer Steigerlöse höhere oder gar völlige Entschuldung erreichen kann. Bedenkt man aber, dass es nach dem Sachstand im PKH-Verfahren um einen ausschüttbaren Überschuss von mehr als 20.000 Euro jährlich ging, sofern dies 2015 und in den Folgejahren absehbar war, ist die Entscheidung für den Leerstand kritisch zu betrachten. Dabei sind auch die von der Sparkasse bezahlten Vorschüsse während dieses Zeitraums von insgesamt 41.500 Euro in die Betrachtung einzubeziehen. Dabei wäre es jedoch unrichtig, die gesamte Periode einheitlich zu betrachten, also nach sieben/acht Jahren Leerstand die Überschüsse von überschlägig angenommenen 20.000 Euro jährlich, zusammen 140.000 Euro/160.000 Euro. Die Vorschüsse der Sparkasse stellen Kostenersatz für die Zwangsverwaltung dar, sind also bei der Überschussrechnung bei fiktiver Vermietung nicht zu berücksichtigen. Eine einheitliche Betrachtung über den gesamten Zeitraum wäre eine unzulässige ex-post-Betrachtung. Ex ante ist jeder Jahreszeitraum gesondert zu werten, ob eine Vermietung und mit welchem Ertrag und Aufwand sachgerecht gewesen wäre. III. In die Wertung sind auch „Leerstandsverschlechterungen“ der Substanz in das Kalkül einzubeziehen, die einen Negativfaktor gegenüber dem Argument bedeuten, bei Leerstand könnten Immobilien, deren Ersteher voraussichtlich im Wesentlichen Eigennutzer sein werden, einen höheren Steigerlös mit sich bringen als vermietete Wohnungen. Hier wiederum sind für die „Leerstandserwägung“ weitere Faktoren zu berücksichtigen als die im vorliegenden Praxisfall eingewandten und vom OLG Karlsruhe angestellten Erwägungen. Zum einen kann der kalkulierte und voraussichtliche Nettomietertrag so attraktiv sein, dass auch Kapitalanleger als voraussichtliche Bietinteressenten auftreten. Zum anderen ist der voraussichtliche Leerstandsvorteil der Versteigerung an Eigennutzer (zu den Bietern können natürlich auch die Mieter gehören) allein durch die Erwägung begründet, dass der Ersteher als künftiger Eigennutzer nicht mit der Ungewissheit ersteigern will, erst nach langer Zeit, wenn überhaupt, in „seine“ Wohnung einziehen zu können. § 93 Abs. 1 Satz 2 ZVG hindert die Räumungsvollstreckung gegen den Mieter, der nach § 57 ZVG, §§ 566, 578 BGB ein Recht zum Besitz gegenüber dem Ersteher hat. Den Ersteher trifft bei einer solchen Konstellation die Finanzierungslast aus dem Erwerb in der Zwangsversteigerung als auch beispielsweise die Miete für die eigene bisherige Wohnung. Ob und wann er erreichen kann, dass der Mieter „seiner“ Wohnung zugunsten des Erstehers auszieht, ist ungewiss. Der Grund liegt in der Norm des § 57a ZVG; das Sonderkündigungsrecht des Erstehers nach dieser Norm abrogiert die Vorschriften des Mieterschutzes (§§ 573 ff. BGB) nicht (vgl. Depré/Bachmann, ZVG, 3. Aufl. 2024, § 57a-57b Rn. 25 bis 30). IV. Der Interessentenkreis in der Zwangsversteigerung wird also bei vermieteten Einzel-Wohnungen kleiner sein. Anders ist das, wenn aus der Insolvenzmasse eines Immobilienunternehmens eine ganze Wohnanlage mit einer größeren Anzahl von Wohnungen, vermietet oder unvermietet, zwangsversteigert wird. Die Ersteher gehören dann aber ganz anderen Interessentengruppen an. Bei der Frage nach bewusstem Leerstand ist zu beachten, dass dauernder Leerstand (z.B. länger als sechs Monate) in Gemeinden, „in denen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist“, nach Landesrecht bzw. in Verbindung mit kommunalen Satzungen nur mit Genehmigung zulässig sein kann, Verstöße können mit Bußgeldern geahndet werden (vgl. etwa die §§ 1, 4 Zweckentfremdungsgesetz Rheinland-Pfalz). Fazit ist bei Berücksichtigung der sich jeweils ex ante aufdrängenden Faktoren des Für und Wider eines Leerstandes unter Einbeziehung der Interessen der Grundpfandgläubiger bzw. des bestbetreibenden Gläubigers sowie des Eigentümers, ob eine anfänglich ermessensfehlerfreie Entscheidung für den Leerstand nicht revidiert werden muss. Diese Frage wird man bejahen müssen. V. Auch wenn Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung zwei getrennt zu betrachtende Verfahrensarten der Immobiliarvollstreckung sind, wäre es nicht vertretbar, jede Schnittstelle zu verneinen, wenn Zwangsverwaltung und Zwangsversteigerung parallel betrieben werden, ein nicht seltenes Phänomen. Das gemeinsame Interesse von Grundpfandgläubigern und Eigentümer/Vollstreckungsschuldner kann es sein, zwischen Leerstand und entgeltlicher Nutzungsüberlassung der zwangsverwalteten Immobilie durch den Zwangsverwalter zu entscheiden, so dass auch der Leerstand über kürzere Zeit ermessensfehlerfrei sein kann. Insbesondere ist das der Fall bei übermäßigem Aufwand für Instandsetzung, die die Vermietung überhaupt erst ermöglicht oder wenn die Immobilie erst noch fertig zu stellen wäre (§ 5 Abs. 3 ZwVwV). Die Gründe, die für den Leerstand sprechen, sind laufend zu überprüfen, insbesondere kürzere Fristen bis zum Versteigerungstermin rechtfertigen auch den Leerstand. VI. Der tragenden Feststellung des OLG Karlsruhe (Rn. 40 der Besprechungsentscheidung): „Die durch die Vermietung oder Verpachtung entstehenden Auswirkungen auf das Zwangsversteigerungsverfahren dürfen und müssen ihn nicht interessieren“ ist nur eingeschränkt zu folgen.
- D.
Auswirkungen für die Praxis I. Die Entscheidung zeigt einen ganz ungewöhnlichen Ausnahmefall mit mehr als sieben Jahren des Unterbleibens der Vermietung, die ohne unverhältnismäßigen Aufwand hätte – nach der vorläufigen Einschätzung der zugrunde liegenden Tatsachen im PKH-Verfahren – umgesetzt werden können, und zwar mit vermutlich bedeutenden Verwaltungsüberschüssen i.S.d. § 155 ZVG. Mit den gewöhnlichen Abläufen der Zwangsverwaltung hat dieser Extremfall wenig zu tun. II. Weitgreifender ist die zwar natürlich richtige verfahrensrechtliche Erwägung, dass Versteigerungsverfahren und Zwangsverwaltungsverfahren voneinander strikt zu unterscheiden sind, insbesondere weitgreifend ist aber die Feststellung, die bewusste Nutzungsunterlassung – wie hier – sei verboten. Man muss diese Formel der Entscheidung auch im Zusammenhang mit dem Sachverhalt im vorliegenden Fall betrachten, u.a. mit dem zu erwartenden hohen Leerstandsschaden und dem verhältnismäßigen Aufwand zur Herstellung der Vermietbarkeit und den hohen Überschüssen nach § 155 ZVG. Stilllegungen führen regelmäßig zu Schäden, wie bei leerstehenden Wohnungen, stillgelegten Land-, Wasser- und Luftfahrzeugen, Industrie- und sonstigen Produktionsanlagen. III. Den Ausführungen des Senats zur Verjährung (Rn. 64, 66 der Besprechungsentscheidung) bzw. zum Verjährungsbeginn bei pflichtwidrigem Leerstand ist zuzustimmen, zumal die Eigentümer die erforderliche Tatsachenkenntnis von dem Leerstand im Einzelnen hatten. Der Beschluss entspricht Rechtsprechung und Literaturmeinung (vgl. etwa Merz in: BeckOK ZVG, 17. Edition, § 154 Rn. 21 bis 23 m.w.N., unklar bei Stöber/Drasdo, ZVG, 23. Aufl. 2022, § 154 Rn. 44, Verjährungsbeginn ist „in der Regel der Zeitpunkt der Beendigung der Zwangsverwaltung“). Auf die „richtige“ rechtliche Würdigung des Verjährungsbeginns durch die Antragsteller/Eigentümer/Vollstreckungsschuldner kommt es hier nicht an (vgl. Ellenberger in: Grüneberg, BGB, 2025, § 199 Rn. 27, 28 m.w.N.).
|