Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Beklagte ist eine Publikums-KG, welche (nur) eine vermietete Liegenschaft besitzt. Vertreten wird die Beklagte durch ihren Komplementär. Im Gesellschaftsvertrag der Beklagten ist geregelt, dass die Auflösung der Gesellschaft durch den Komplementär eines Zustimmungsbeschlusses der Gesellschafter mit einer Mehrheit von 75% der abgegebenen Stimmen auf einer Gesellschafterversammlung bedarf. Für nicht näher aufgeführte Maßnahmen reicht dagegen eine einfache Mehrheit aus.
Dementsprechend wurde den Gesellschaftern der Beklagten Ende 2019 ein Vorschlag zur Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren über die Zustimmung zum Verkauf der Liegenschaft der Beklagten übersendet, wobei auch eine detaillierte Mittelrückflussbetrachtung enthalten war. Danach sollten die Gesellschafter der Beklagten in drei Tranchen ausbezahlt werden.
Der Kläger stimmte in dieser Sache mit nein. Gleichwohl erfolgte die Mitteilung, dass 59,31% der stimmberechtigten Gesellschafter dem schriftlichen Verfahren und 79,01% allgemein dem Verkauf der Liegenschaft zugestimmt hätten, weshalb der Beschlussvorschlag angenommen worden sei.
In der Folge wurde Anfang 2020 ein Kaufvertrag über die Liegenschaft der Beklagten beurkundet. Dieser stand unter der Bedingung eines diesem Verkauf zustimmenden Gesellschafterbeschlusses auf Ebene der Beklagten. Nun wurde erneut in gleicher Weise abgestimmt, wieder stimmte der Kläger dabei mit nein. Als Ergebnis wurde mitgeteilt, dass 58,09 % der stimmberechtigten Gesellschafter dem schriftlichen Verfahren und 67,01% dem Verkauf der Liegenschaft im Sinne des konkreten Kaufvertrags zugestimmt hätten, womit der Beschlussvorschlag erneut angenommen worden sei.
2021 stellte das Landgericht im Rahmen einer Beschlussmängelklage einer anderen Gesellschafterin die Nichtigkeit der beiden Verkaufsbeschlüsse fest, da diese nicht im schriftlichen Verfahren hätten gefasst werden dürfen. Infolgedessen wurde 2021 eine Gesellschafterversammlung einberufen und dort nochmals über den Verkauf der Liegenschaft abgestimmt. Der Kläger stimmte dabei wieder mit nein, 67,21% der stimmberechtigten Gesellschafter jedoch dafür.
Der Kläger erhob nun seinerseits eine Beschlussmängelklage, da er von einem Mehrheitserfordernis von 75% ausging. Vor dem Landgericht und dem OLG unterlag er, wobei das OLG die Revision auf die Fragestellung beschränkte, ob § 179a AktG auf eine Publikums-KG eine analoge Anwendung findet.
Der BGH hat der Revision des Klägers (in unbeschränkter Weise) stattgegeben. Dementsprechend hob er die Entscheidung des OLG auf und verwies dorthin zurück.
Die Revision sei zunächst zulässig. Jedoch sei die seitens des OLG ausgesprochene beschränkte Zulassung unwirksam, so dass sie als unbeschränkt angesehen werden müsse. Eine Revisionszulassung könne im Grundsatz nicht auf einzelne Rechtsfragen beschränkt werden. Auch die seltene Ausnahme einer Abgrenzbarkeit einzelner Rechtsfragen sei vorliegend nicht gegeben.
Ferner stelle sich die Revision auch als begründet dar. Zwar habe das OLG zutreffend die formelle Wirksamkeit des streitgegenständlichen Beschlusses bejaht, dabei jedoch die inhaltliche Prüfung jenes Beschlusses verabsäumt.
So habe für den streitgegenständlichen Beschluss insbesondere in Ansehung des Inhalts des Gesellschaftsvertrags der Beklagten in der Tat nur das Erfordernis einer einfachen Mehrheit bestanden. Denn weder qua Gesetz noch aus Einzelregelungen des Gesellschaftsvertrags der Beklagten sei eine Ausnahme vom Grundsatz der einfachen Mehrheit für den vorliegenden Beschlussinhalt vorgegeben gewesen.
Was eine Ausnahme qua Gesetz anbelangt, so ergebe sich kein anderes Mehrheitserfordernis aus einer analogen Anwendung von § 179a Abs. 1 Satz 1 AktG i.V.m. § 179 Abs. 2 Satz 1 AktG. Denn § 179a AktG gelte bei einer Publikums-KG gerade nicht in entsprechender Weise.
Der erkennende Senat habe bereits früher entschieden, dass § 179a AktG weder bei einer GmbH noch bei einer KG analog anzuwenden ist, wobei er dies für den Spezialfall einer Publikums-KG (welche in der konkreten Ausgestaltung einer AG ähnelt) bislang ausdrücklich offengelassen hat. Die einschlägige Literatur beurteilt diese Fallkonstellation dabei allerdings unterschiedlich.
Der Senat schließe sich nun derjenigen Literaturmeinung an, welche die analoge Anwendbarkeit von § 179a AktG auf Publikums-KGs generell, d.h. unabhängig von der inneren Ausgestaltung der Gesellschaft, ablehnt.
Denn es sei bereits fraglich, ob insoweit tatsächlich eine planwidrige Regelungslücke vorliegt. So habe es der Gesetzgeber sowohl im Rahmen der Gesetzgebung zum KAGB als auch zum MoPeG in der Hand gehabt, eine Sondervorschrift für Publikums-KGs mit Entsprechung zu § 179a AktG zum Schutz der Gesellschafter vor Gesamtvermögensgeschäften zu erlassen. Zu beiden Zeitpunkten sei dem Gesetzgeber der Streitstand zur Frage der analogen Anwendbarkeit von § 179a AktG in jener Konstellation bereits bekannt gewesen, trotzdem habe er nichts weiter unternommen.
Zumindest aber fehle es an der ebenfalls erforderlichen vergleichbaren Interessenlage. Während § 179a AktG bei AGs eine gesellschaftsinterne Kontrolle der Geschäftsführung bei Gesamtvermögensgeschäften durch die Beteiligung der Gesellschafter gewährleistet, werde dem bei einer Publikums-KG bereits durch einen gesetzlich verankerten Beschlussvorbehalt (§§ 116 Abs. 2, 119 Abs. 1 , 161 Abs. 2, 164 HGB) hinreichend Rechnung getragen. Insoweit würde einerseits das Kontrollrecht der Gesellschafterversammlung in ihrer Gesamtheit geschützt, andererseits aber auch der Minderheitsgesellschafter vor einer unangemessenen Vertragsgestaltung oder einer Selbstbedienung des Mehrheitsgesellschafters.
Ferner spreche gegen eine analoge Anwendung von § 179a AktG bei Publikums-KGs, dass anderenfalls ein Grundprinzip des Handels- und Gesellschaftsrechts – die Klarheit der Vertretungsverhältnisse im Rechtsverkehr – gefährdet würde. Außenstehende Dritte müssten sich bei Rechtsgeschäften mit Personenhandelsgesellschaften letztlich auf die grundsätzlich vorhandene Vertretungsbefugnis verlassen können. Im Fall der analogen Anwendbarkeit von § 179a AktG bei Publikums-KGs müssten sich Vertragspartner letzten Endes jedoch erst systemwidrig über den Umfang der Vertretungsbefugnis informieren. Zudem könne der Vertragspartner dabei regelmäßig auch nicht ohne Weiteres beurteilen, ob sich das jeweilige Rechtsgeschäft als Gesamtvermögensgeschäft darstellt oder nicht.
Kontext der Entscheidung
Den Schwerpunkt der Entscheidung bildet die Frage dahin gehend, ob § 179a AktG auch bei Publikums-KGs analog anwendbar ist. Diese Frage war bislang immer noch final ungeklärt, der erkennende Senat hatte hierzu 2022 ausdrücklich keine Entscheidung getroffen („Ob eine entsprechende Anwendung von § 179a AktG auf die Kommanditgesellschaft auch bei Publikumspersonengesellschaften ausscheidet, bei denen die Struktur einer Aktiengesellschaft angenähert ist und die Einwirkungsmöglichkeiten des Kommanditisten denjenigen eines Aktionärs vergleichbar gering sind, bedarf keiner Entscheidung“, vgl. BGH, Urt. v. 15.02.2022 - II ZR 235/20 - NJW 2022, 1878, 1881 m. Anm, Hippeli, jurisPR-HaGesR 5/2022 Anm. 2). Interessant ist in diesem Kontext zunächst, dass die vorliegende Entscheidung unterschlägt, dass jene Fallfrage nicht nur in der Literatur, sondern auch zwischen den Obergerichten bislang umstritten war. So hatte die hiesige Vorinstanz OLG Frankfurt die analoge Anwendbarkeit von § 179a AktG auch bei Publikums-KGs abgelehnt (OLG Frankfurt, Urt. v. 12.09.2023 - 5 U 116/22 - NZG 2024, 153, 156), das OLG Düsseldorf dies aber zuvor bereits unter gewissen Umständen befürwortet (OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.11.2017 - I-6 U 225/16 - RNotZ 2018, 191, 198 ff.).
Insgesamt dürfte die vorliegende Entscheidung allerdings recht eindeutig richtig sein. Schutzzweck des § 179a AktG ist schließlich der materielle Schutz der Aktionärsrechte, die bei einer Verpflichtung der AG zur Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens im Wege der Einzelrechtsnachfolge in mehrfacher Hinsicht gefährdet sind (vgl. Poelzig in: MünchKomm AktG, 6. Aufl. 2025, § 179a Rn. 5; Koch in: Koch, AktG, 19. Aufl. 2025, § 179a Rn. 1). Sind die Gesellschafter einer KG aber bereits anderweitig geschützt (und zwar über die §§ 116 Abs. 2, 119 Abs. 1, 161 Abs. 2, 164 HGB), dann besteht überhaupt kein Bedürfnis für eine Analogie.
Insgesamt zeigt sich, dass § 179a AktG doch wohl recht eindeutig nur auf die AG und die KGaA zugeschnitten ist, schließlich sind nun GmbH (BGH, Urt. v. 08.01.2019 - II ZR 364/18 - NJW 2019, 1512, 1513), KG (BGH, Urt. v. 15.02.2022 - II ZR 235/20 - NJW 2022, 1878, 1879) und als Spezialfall davon nun auch die Publikums-KG höchstrichterlich von der analogen Geltung ausgeschlossen. Dies auch bereits abstrakt, ohne dass es auf eine konkrete Betrachtung der jeweiligen Ausgestaltung der Gesellschaftsverhältnisse ankäme.