Ergibt die Testamentsauslegung nicht, dass mit dem Wegfall des benannten Testamentsvollstreckers die Testamentsvollstreckung beendet sein soll, ist von einem Ersuchen des Erblassers an das Nachlassgericht auf Benennung eines Testamentsvollstreckers auszugehen, wenn hierfür sachliche Gründe sprechen.
- A.
Problemstellung
Die Entscheidung befasst sich mit der Frage, ob das Nachlassgericht einen Testamentsvollstrecker zu benennen hat, wenn der im Testament benannte Testamentsvollstrecker das Amt weder annimmt noch aufgrund seiner Befugnisse einen Ersatztestamentsvollstrecker bestimmt.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Ehemann der Erblasserin war vorverstorben. Die Eheleute hatten am 18.02.2013 ein gemeinschaftliches handschriftliches Testament errichtet, das sie am 07.05.2013 ergänzt haben. In dem Testament setzten sich die Eheleute gegenseitig zu Alleinerben ein. Zu Schlusserben waren die Beteiligten zu 3) und 4) bestimmt. Des Weiteren enthielt das Testament Vermächtnisanordnungen. Davon war auch der Beteiligte zu 8) mit 10.000 Euro bedacht.
Unter III. war Testamentsvollstreckung angeordnet:
„Wir ordnen im vollen Umfang nach dem Ableben des Längstlebenden die Testamentsvollstreckung durch D AG in Frankfurt am Main an. Die D AG ist in diesem Fall berechtigt, einen Ersatztestamentsvollstrecker zu benennen.“
In der Ergänzung zu dem Ausgangstestament wurde unter anderem erklärt:
„Unter III. Testamentsvollstreckung: Wir ordnen in vollem Umfang, mit Ausnahme des Hausrats nach dem Ableben des Längstlebenden die Testamentsvollstreckung durch die D AG in Frankfurt am Main an.“
In einem weiteren Testament vom 07.05.2023 setzte die Erblasserin die Beteiligten zu 1) bis 6) zu Erben ein.
Nach dem Tod der Erblasserin teilte die D AG mit, das Amt des Testamentsvollstreckers nicht anzunehmen und keinen Testamentsvollstrecker zu benennen.
Die Beteiligten zu 1) bis 3) teilten für die Erbengemeinschaft mit, von dem eingeräumten Recht, der Benennung eines Testamentsvollstreckers, keinen Gebrauch zu machen. Am 30.04.2024 beschloss das Amtsgericht den Beteiligten zu 7) zum Testamentsvollstrecker zu ernennen. Dieser nahm das Amt an (06.05.2024).
Die Beteiligte zu 1) teilte mit Schreiben vom 10.05.2024 mit: Die Erben haben den Hausstand zum 30.11.2023 aufgelöst. Verbindlichkeiten, die bis zum 10.05.2024 angefallen waren, seien beglichen. Ihre Beschwerdeschrift vom 04.06.2024 gegen die Ernennung eines Testamentsvollstreckers reichten die Beteiligten zu 1) bis 6) ein. Es wurde die Rücknahme der Ernennung des Testamentsvollstreckers gefordert. Die Beschwerdeführer teilten des Weiteren mit Schreiben vom 15.06.2024 mit, welche Verbindlichkeiten beglichen worden waren und dass eine Erbschaftsteuererklärung nicht abzugeben sei. Guthaben auf einem Postbankkonto gebe es auch nicht mehr. Informationen zu einem Vermächtnis habe man nicht. Der Erbengemeinschaft seien auch keine Wertgegenstände hinterlassen worden. Es bestünden lediglich teilweise Rückforderungsansprüche von Personen der Erbengemeinschaft sowie von Versorgungsträgern.
Das Amtsgericht half der Beschwerde nicht ab. Das mit der Sache sodann betraute Kammergericht hat entschieden, dass das nach § 2200 Abs. 1 BGB erforderliche Ersuchen der Erblasserin an das Nachlassgericht auf Ernennung eines Testamentsvollstreckers gegeben ist:
In dem Testament der Eheleute vom 18.02.2023 haben die Erblasser Testamentsvollstreckung angeordnet. Durch die Auslegung des Testaments ergebe sich, dass nach einer Ablehnung des Amtes durch den benannten Testamentsvollstrecker und fehlendem Gebrauchmachen von einem Benennungsrecht des Testamentsvollstreckers von einem Ersuchen an das Nachlassgericht auf Ernennung eines Testamentsvollstreckers auszugehen ist. In dem Testament befinde sich der Hinweis, dass die Testamentsvollstreckung fortbestehen soll, falls der benannte Testamentsvollstrecker das Amt nicht annimmt. Da das spätere Testament als Ergänzung zum früheren Testament bezeichnet wurde, ist das frühere Testament auch nicht widerrufen. Anhaltspunkte für einen Aufhebungswillen der Testamentsvollstreckung sind in dem später ergänzenden Testament nun auch nicht ersichtlich. Es verbleibt so bei dem Willen nach Testamentsvollstreckung.
- C.
Kontext der Entscheidung
Zum Ersuchen des Nachlassgerichts für die Benennung eines Testamentsvollstreckers ist ein konkludentes Ersuchen des Erblassers ausreichend. Im Einklang mit der bestehenden Rechtsordnung und Literatur sind an das konkludente Ersuchen keine überspannten Anforderungen zu stellen (OLG Hamburg, Beschl. v. 04.07.2018 - 2 W 32/18; OLG Schleswig, Beschl. v. 18.01.2016 - 3 Wx 106/15; OLG Schleswig, Beschl. v. 06.07.2015 - 3 Wx 41/15; Zimmermann in: Münchkomm BGB, 9. Aufl. 2022, § 2200 Rn. 4).
Die Entscheidung des Kammergerichts bestätigt die Ansicht, dass, wenn der im Testament benannte Testamentsvollstrecker wegfällt, für die Bestellung eines Ersatztestamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht es genügt, wenn in seiner Gesamtheit der mutmaßliche Wille des Erblassers erkennbar ist, die Testamentsvollstreckung bei Wegfall des vom ihm bestellten Testamentsvollstreckers aufrechtzuerhalten (OLG Hamburg, Beschl. v. 04.07.2018 - 2 W 32/18; OLG München, Beschl. v. 23.01.2009 - 31 Wx 116/08).
Nach Ansicht des Kammergerichts entscheidet nicht das Nachlassgericht, sondern endgültig das Prozessgericht über die strittige Frage, ob das Amt des Testamentsvollstreckers erloschen ist (BGH, Urt. v. 22.01.1964 - V ZR 37/62). Das Nachlassgericht hat sich aber mit diesem Problem als Vorfrage zu befassen, wenn die Fortdauer des Amtes Voraussetzung für eine zutreffende Entscheidung im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist (BayObLG, Beschl. v. 24.02.1988 - BReg 1 Z 48/86).
Das Nachlassgericht hat seine Entscheidung, ob gemäß § 2200 BGB ein Testamentsvollstrecker zu bestellen ist, im Rahmen einer pflichtgemäßen Ermessensausübung zu treffen (BayObLG, Beschl. v. 24.02.1988 - BReg 1 Z 48/86). Dem Ersuchen ist dann nicht zu entsprechen, wenn es aufgrund veränderter Umstände seinen Sinn verloren hat. Dies ist dann der Fall, wenn davon auszugehen ist, dass der Erblasser in Kenntnis der eingetretenen Lage von der Anordnung der Testamentsvollstreckung abgesehen hätte oder wenn die Fortdauer der Testamentsvollstreckung nicht mehr zweckmäßig erscheint (OLG Hamburg, Beschl. v. 08.02.2017 - 2 W 91/15; BayObLG, Beschl. v. 30.10.2003 - 1Z BR 80/03; OLG Hamburg, Beschl. v. 04.07.2018 - 2 W 32/18; Baldus in: Staudinger, BGB, 2016, § 2200 Rn. 10; Kroiß in: Kroiß/Ann/Mayer, Erbrecht, 5. Aufl., § 2220 BGB Rn. 5; Zimmermann in: MünchKomm BGB, 9. Aufl. 2022, § 2200 Rn. 5).
- D.
Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung reiht sich in die bisherige Rechtsprechung ein, dass das Nachlassgericht im Rahmen der Vorfrage eines Verfahrens der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Frage zu klären hat, ob nach Wegfall eines Testamentsvollstreckers ein Ersuchen auf Bestellen eines „Ersatztestamentsvollstreckers“ vorliegt.
Insbesondere, wenn noch Aufgaben für den Testamentsvollstrecker gegeben sind, d.h. nicht alle Aufgaben aus dem Testament erledigt sind, ist von einem Ersuchen des Erblassers an das Nachlassgericht auf Bestellung eines Testamentsvollstreckers auszugehen.