Nichtigkeitsklage wegen vorschriftswidriger Besetzung eines VIa. Zivilsenats des BGHLeitsätze 1. Die Vorschrift des § 21f Abs. 1 GVG, wonach den Vorsitz in den Senaten des BGH der Präsident oder ein Vorsitzender Richter führt, gilt nur für die Senate, die als ständige Spruchkörper eingerichtet sind, nicht jedoch für nur vorübergehend gebildete Spruchkörper, zu denen auch die Hilfssenate gehören. 2. Die vom Präsidium des BGH getroffenen Entscheidungen über die Einrichtung und den Fortbestand des VIa. Zivilsenats („Dieselsenats“) halten der im Rahmen einer Nichtigkeitsbeschwerde analog § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vorzunehmenden Willkürkontrolle stand. - A.
Problemstellung Der VI. Zivilsenat hatte – als Vertretersenat des VIa. Zivilsenats – zu entscheiden, ob Urteile und Zurückweisungsbeschlüsse des VIa. Zivilsenats mit der Nichtigkeitsklage des § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO angegriffen werden können, weil der VIa. Zivilsenat keinen Vorsitzenden Richter aufweist.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Die Kläger machen gegen die Beklagte Ansprüche in einer „Diesel-Sache“ (Verfahren, die den Vorwurf einer unzulässigen Abschalteinrichtung bei einem Kraftfahrzeug mit Dieselmotor zum Gegenstand haben) geltend. Gegen die für sie nachteilige Entscheidung des Berufungsgerichts haben sie Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die der VIa. Zivilsenat des BGH zurückgewiesen hat. Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer „Nichtigkeitsklage“, mit der sie den Nichtigkeitsgrund des § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO geltend machen und die Wiederaufnahme des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens beantragen. Sie stützen den vermeintlichen Anfechtungsgrund des § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO darauf, dass über die Nichtzulassungsbeschwerde der VIa. Zivilsenat des BGH, also ein Hilfssenat, entschieden hat, dessen Vorsitz nicht von einem Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof ausgeübt wird, und dass auf den VIa. Zivilsenat seit 2023 bei weitem mehr unerledigte Revisionen und Nichtzulassungsbeschwerden entfallen als auf jeden anderen Zivilsenat beim BGH. Die Zulässigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde kann offenbleiben. Denn diese ist jedenfalls unbegründet. Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegt nicht vor, weil der über die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger entscheidende VIa. Zivilsenat ordnungsgemäß besetzt war. Dem steht nicht entgegen, dass den Vorsitz in diesem Senat nicht ein Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof führt, da dies bei einem Hilfssenat nicht erforderlich ist. Dass dieser auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde fortbestand, hält entgegen der Ansicht der Nichtigkeitsbeschwerde der hier vorzunehmenden Willkürkontrolle stand. Gemäß § 139 Abs. 1 GVG entscheiden die Senate des BGH in der Besetzung von fünf Mitgliedern einschließlich des Vorsitzenden. Den Vorsitz in den Senaten des BGH führt gemäß § 21f Abs. 1 GVG der Präsident oder ein Vorsitzender Richter. Die Nichtigkeitsbeschwerde weist zutreffend darauf hin, dass die Richterin, die den Vorsitz im VIa. Zivilsenat führt, nicht Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof ist. Über einen Vorsitzenden Richter verfügt der VIa. Zivilsenat seit seiner Einrichtung am 21.07.2021 nicht. Dies ist allerdings unschädlich, weil es sich bei dem VIa. Zivilsenat um einen Hilfsspruchkörper handelt. Die Vorschrift des § 21f Abs. 1 GVG gilt nur für die Senate, die als ständige Spruchkörper eingerichtet sind, nicht jedoch für nur vorübergehend gebildete Spruchkörper, zu denen auch die Hilfssenate gehören. Dass der VIa. Zivilsenat – ohne Vorsitzenden Richter – auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde fortbestand, hält der hier vorzunehmenden Willkürkontrolle stand. Die Einrichtung eines Hilfsspruchkörpers wegen vorübergehender Überlastung eines ständigen Spruchkörpers zählt zu den grundsätzlich zulässigen Maßnahmen des Präsidiums nach § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG. Voraussetzung ist, dass sie wegen Überlastung eines ständigen Spruchkörpers „nötig“ im Sinne dieser Vorschrift ist. Zudem darf die Überlastung nur eine vorübergehende sein und der Hilfsspruchkörper nur vorübergehend bestehen. Er darf nicht die Stelle eines ordentlichen Senats einnehmen und zu einer ständigen Einrichtung werden. Stellt sich heraus, dass entgegen den Erwartungen die Überlastung nicht eine nur vorübergehende ist, wird in der Regel der Hilfsspruchkörper nicht einfach weiter bestehen dürfen. Vielmehr muss dann – um der Gefahr der Gleichstellung der Hilfsspruchkörper mit den ständigen Spruchkörpern zu begegnen – nach einer anderen Lösung gesucht werden. Die Entscheidungen des Präsidiums eines Gerichts über die Geschäftsverteilung und damit auch über die Einrichtung und den Fortbestand eines Hilfsspruchkörpers sind nur eingeschränkt überprüfbar. Als Gremium der Selbstverwaltung des Gerichts muss das Präsidium die ihm übertragenen Entscheidungen flexibel und zeitnah treffen. Die Entscheidungen über die Geschäftsverteilung hängen wesentlich von der Bewertung zukünftiger Entwicklungen ab. Solche vorausschauenden Einschätzungen lassen ihrer Natur nach eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle nicht zu. Mit Ausnahme der Frage, ob die Geschäftsverteilung generell-abstrakten Regelungen folgt, ist die Annahme der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG durch das Gerichtspräsidium nur dann zu beanstanden, wenn es diese unter Berücksichtigung der Bedeutung und Tragweite der Gewährleistung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat und seine Entscheidung objektiv willkürlich erscheint. Ein Einschätzungsspielraum steht dem Präsidium insbesondere bei der Beurteilung zu, ob die Überlastung eines ständigen Spruchkörpers von Dauer oder lediglich vorübergehender Natur ist und ob ihr folglich mit der Bildung eines Hilfsspruchkörpers abgeholfen werden darf. Ein durchgreifender Rechtsmangel durch Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter liegt erst dann vor, wenn offen zutage liegt, dass die Mehrbelastung von Dauer und nicht bloß vorübergehend ist, und daher die Entscheidung über die Bildung oder den Fortbestand des Hilfsspruchkörpers als objektiv willkürlich erscheint. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 21e Abs. 3 Satz 1 GVG erfüllt, stellt die Vorschrift das weitere Vorgehen in das pflichtgemäße Ermessen des Präsidiums. Neben dem Entschließungsermessen hat es ein Auswahlermessen dahin, welche konkreten Maßnahmen es ergreift. Die Entscheidung ist auf beiden Ebenen nur auf Ermessensfehler zu überprüfen, wobei dem Präsidium auch hier ein weiter Einschätzungs- und Prognosespielraum einzuräumen ist. Dieser ist erst überschritten, wenn für das Vorgehen kein sachlicher Grund besteht und die Verteilung der Geschäfte maßgeblich durch sachfremde Erwägungen geprägt ist, also objektive Willkür vorliegt. Die Kontrolle hat sich nicht darauf zu erstrecken, ob sich die getroffene Regelung als die zweckmäßigste darstellt oder sich bessere Alternativen angeboten hätten. Nach diesen Maßstäben sind die Entscheidungen des Präsidiums des BGH über die Einrichtung und den Fortbestand des VIa. Zivilsenats nicht zu beanstanden. Die Nichtigkeitsbeschwerde stellt nicht in Frage, dass die Welle der sog. Dieselverfahren, die den BGH ab dem Jahr 2019 erreichte, zu einer Überlastung des zunächst zuständigen VI. Zivilsenats und später des dann zuständigen VII. Zivilsenats führte. Sie macht auch nicht geltend, dass die Einrichtung des VIa. Zivilsenats mit Präsidiumsbeschluss vom 21.07.2021 rechtswidrig oder gar willkürlich gewesen sei. Sie ist aber der Auffassung, seit dem 01.01.2024 habe – für das Präsidium offenkundig – angesichts des Geschäftsanfalls im VIa. Zivilsenat, der den Geschäftsanfall jedes anderen Zivilsenats erheblich übersteige, nicht mehr von einer nur vorübergehenden Belastung ausgegangen werden können. Spätestens zum 01.01.2024 sei die Schaffung einer Planstelle für einen Vorsitzenden Richter im VIa. Zivilsenat möglich und notwendig gewesen. Die Beibehaltung des Zustands des VIa. Zivilsenats – also ohne planmäßigen Vorsitzenden – sei willkürlich gewesen. Der Zweck des § 21f GVG schließe es aus, das „Gros des Geschäftsanfalls eines Gerichts“ über Jahre hinweg von einem Hilfssenat ohne Vorsitzenden erledigen zu lassen. Es trifft zu, dass die Belastung des VIa. Zivilsenats sehr hoch ist. Die Eingänge beim VIa. Zivilsenat beliefen sich im Jahr 2021 (August bis Dezember) auf 761, im Jahr 2022 auf 1.732, im Jahr 2023 auf 1.175 und im Jahr 2024 auf 657 Verfahren. Diese Zahlen zeigen allerdings auch, dass die Eingänge seit 2023 deutlich zurückgehen. Noch anhängig im VIa. Zivilsenat waren zum Ende des Jahres 2021 631, des Jahres 2022 1.598, des Jahres 2023 2.089 und des Jahres 2024 1.730 Verfahren. Der deutliche Rückgang der anhängigen Verfahren im Jahr 2024 setzt sich in diesem Jahr fort; im Juni 2025 waren noch 1.528 Verfahren anhängig. Selbst wenn zugunsten der Kläger unterstellt würde, dass für das Präsidium des BGH der dargestellte Geschäftsanfall bereits bei Einrichtung des Hilfssenats im Juli 2021 und/oder bei den Entscheidungen am jeweiligen Jahresende über den Fortbestand des Hilfssenats im Folgejahr vorhersehbar war, hält seine Einschätzung, dass es sich bei der Welle der sog. Dieselverfahren nicht um ein dauerhaftes, sondern um ein vorübergehendes Phänomen handelt, dem nach wie vor mit einem Hilfssenat als vorübergehendem Spruchkörper ohne Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof begegnet werden darf, der hier vorzunehmenden Willkürkontrolle stand. Grund für die Einrichtung und den Fortbestand des VIa. Zivilsenats waren und sind mit den sog. Dieselverfahren Massenverfahren, die es in diesem Ausmaß in der deutschen Ziviljustiz einschließlich des BGH zuvor nicht gegeben hat. Aufgabe und Funktion der Zivilsenate des BGH ist es, Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zu klären, das Recht fortzubilden und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen. Sie haben dementsprechend nicht nur richtungweisende Leitsätze und Orientierungshilfen aufzustellen, sondern auch sicherzustellen, dass in den ihnen jeweils anvertrauten Rechtsmaterien höchstrichterlich eine möglichst einheitliche Linie verfolgt wird. Auch in den Dieselverfahren gilt es mithin, die in diesem Bereich aufgeworfenen und von den Instanzgerichten teils unterschiedlich beantworteten Rechtsfragen einheitlich zu klären. Einem Hilfsspruchkörper, der diese Aufgabe und Funktion zur Entlastung eines ständigen Spruchkörpers erfüllen soll, muss hierfür mit Blick auf die schiere Masse dieser Verfahren ausreichend Zeit eingeräumt werden. Ferner darf erwartet werden, dass die jeweilige Klärung dazu führt, dass die unteren Instanzen die Revision hinsichtlich der geklärten Rechtsfragen nicht mehr zulassen. Ohnehin sind die Zahlen der Neueingänge sowie der erledigten und noch anhängigen Verfahren in Massenverfahren beim BGH anders zu beurteilen als in individuellen Verfahren. Zwar sind bislang in den sog. Dieselverfahren immer wieder neue Sachverhaltsgestaltungen und daran anknüpfend neue Rechtsfragen aufgetreten. Es ist aber hier, anders als bei individuellen Verfahren, häufig möglich, die Verfahren nach Fallgruppen zu sortieren, eine Pilotentscheidung in einem Fall zu treffen und diese, soweit es nicht infolge der Pilotentscheidung ohnehin zur anderweitigen Erledigung (Vergleich, Rücknahme des Rechtsmittels) kommt, auf andere Fälle derselben Fallgruppe zu übertragen. Trotz der hohen Anzahl der Verfahren ist daher nach wie vor die prognostische Beurteilung des Präsidiums nicht willkürlich, dass der VIa. Zivilsenat nur ein vorübergehender Spruchkörper zur Bewältigung einer vorübergehenden Überlastung durch die sog. Dieselverfahren ist, weil zu erwarten ist, dass jedenfalls ein Großteil der sich stellenden Rechtsfragen in einem überschaubaren Zeitraum höchstrichterlich geklärt sein wird. Auch das Ermessen des Präsidiums bei der Entscheidung entweder für die Einrichtung bzw. den Fortbestand des Hilfssenats oder für alternative Möglichkeiten kann nicht unabhängig von der Art der Überlastungssituation und den Funktionen und Aufgaben des Gerichts ausgeübt werden. Ermessensfehler, die auf objektive Willkür schließen lassen, sind nicht ersichtlich. Die Alternative, die sog. Dieselverfahren bei einem ständigen Zivilsenat zusätzlich zu seinem „normalen“ Geschäftsanfall zu belassen oder – nach kurzem Bestehen des Hilfssenats – auf ihn rückzuübertragen, hätte alsbald zur Überlastung des ständigen Senats geführt, wie dies bei den vor Einrichtung des Hilfssenats mit den Dieselsachen befassten Senaten der Fall war. Dies wäre angesichts des für alle Gerichtszweige geltenden Gebots wirksamen Rechtsschutzes, das auch den Aspekt eines Rechtsschutzes innerhalb angemessener Zeit umfasst, verfassungsrechtlich bedenklich gewesen. Die Alternative, die Zuständigkeiten eines ständigen Zivilsenats vorübergehend auf andere ständige Zivilsenate zu übertragen, um so bei ersterem Kapazitäten für die Bearbeitung der Dieselverfahren zu schaffen, kann schon angesichts des vorübergehenden Charakters der Überlastung durch die sog. Dieselverfahren, von dem das Präsidium, wie ausgeführt, ohne Willkür ausgehen durfte, nicht als sinnvoll, geschweige denn als zwingend angesehen werden. Die Alternative, die sog. Dieselverfahren auf mehrere oder alle ständigen Senate zusätzlich zu ihrem normalen Geschäftsanfall zu verteilen, hätte die Aufgabe des BGH erschwert, sicherzustellen, dass höchstrichterlich eine möglichst einheitliche Linie verfolgt wird. Dass das Präsidium sich für eine dieser Alternativen hätte entscheiden müssen, macht die Nichtigkeitsbeschwerde auch nicht geltend. Entgegen der Ansicht der Nichtigkeitsbeschwerde hätte der Vorsitz im „Diesel-Senat“ nicht inzwischen einem Vorsitzenden RiBGH übertragen werden müssen. Der erste Weg, dies zu bewerkstelligen, wäre es gewesen, dass der Vorsitzende Richter eines ständigen Spruchkörpers auch den Vorsitz in dem VIa. Zivilsenat übernimmt. Diese Möglichkeit dürfte angesichts der Masse der Verfahren, die der Vorsitzende dann zusätzlich zu dem Geschäftsanfall seines ständigen Senats zu betreuen hätte, praktisch ausscheiden und würde den mit der Bildung des Hilfssenats bezweckten Entlastungseffekt wieder zunichte machen. Es ist ferner nicht willkürlich, dass nicht der zweite Weg beschritten wurde, eine zusätzliche Planstelle für einen Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof schaffen zu lassen und diese dem VIa. Zivilsenat zuzuteilen. Das ergibt sich schon daraus, dass in Hilfsspruchkörpern aufgrund ihres vorübergehenden Charakters der Vorsitz nicht von einem Vorsitzenden Richter geführt werden muss. Zudem wäre der VIa. Zivilsenat, würde ihm die neu geschaffene Planstelle eines Vorsitzenden Richters zugeteilt, im Ergebnis kein Hilfssenat mehr, sondern ein zusätzlicher ständiger Senat, mithin der XIV. Zivilsenat. Abgesehen davon, dass die Bestimmung der Zahl der beim BGH gebildeten (ständigen) Zivilsenate dem Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz obliegt, hätte gegen die Einrichtung eines XIV. Zivilsenats zur Bewältigung der „Dieselwelle“ ebenfalls deren willkürfrei als vorübergehend eingeschätzter Charakter gesprochen.
- C.
Kontext der Entscheidung Entscheidend ist die Prämisse des VI. Zivilsenats, dass die Vorschrift des § 21f Abs. 1 GVG nur für die Senate des BGH gilt, die als ständige Spruchkörper eingerichtet sind, nicht jedoch für nur vorübergehend gebildete Spruchkörper, zu denen auch die Hilfssenate gehören (Rn. 14). Zum Nachweis kann sich der VI. Zivilsenat ausschließlich auf Entscheidungen von Strafsenaten des BGH, aber nicht von Zivilsenaten berufen. Allerdings hat auch das BVerfG die Verfassungsbeschwerde eines Kraftfahrzeugherstellers in einem „Dieselverfahren“ nicht zur Entscheidung angenommen, die u.a. die Entscheidung durch einen Hilfssenat des BGH als eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gerügt hatte, weil sich die Verfassungsbeschwerde u.a. nicht hinreichend mit dem relevanten Prüfungsmaßstab sowie dem zugrunde liegenden einfachen Recht und dem konkreten Fall auseinandergesetzt habe (BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 29.04.2025 - 2 BvR 1440/23 Rn. 37 ff.). Die für Hilfsspruchkörper geltende Auslegung des § 21f Abs. 1 GVG lässt sich nicht ohne weiteres mit der Ratio der Vorschrift vereinbaren. So hat der XII. Zivilsenat zum Vorsitz in einem OLG-Zivilsenat ausgeführt: „Durch diese Regelung soll gewährleistet werden, dass die Führung der Senate beim Oberlandesgericht Richtern anvertraut wird, die aufgrund ihrer besonderen Auswahl die Güte und die Einheitlichkeit der Rechtsprechung durch den Senat, dem sie vorsitzen, in besonderem Maße gewährleisten. Im Hinblick auf dieses Ziel, den Vorsitz in einem Spruchkörper einem besonders qualifizierten Richter vorzubehalten, ist § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG eng auszulegen. Eine Vertretung des ordentlichen Vorsitzenden ist daher nur in Fällen einer vorübergehenden Verhinderung zuzulassen.“ (BGH, Urt. v. 05.10.2016 - XII ZR 50/14 Rn. 13). Der VII. Zivilsenat hat daher ein Berufungsurteil aufgehoben, weil die als Vorsitzende tätig gewordene Richterin am Oberlandesgericht nicht gemäß § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG zur Vertretung des Vorsitzenden berufen war, weil zu diesem Zeitpunkt – nach längerfristiger Beurlaubung des Vorsitzenden – keine „Verhinderung“ im Sinne dieser Vorschrift mehr vorgelegen hat (BGH, Urt. v. 12.03.2015 - VII ZR 173/13 Rn. 28). Als einen die entsprechende Anwendung von § 21f Abs. 2 Satz 1 GVG rechtfertigenden Fall der Verhinderung des Vorsitzenden werde auch das – durch Eintritt oder Versetzung in den Ruhestand, durch Abordnung oder durch Tod bedingte – endgültige Ausscheiden eines Vorsitzenden aus dem Spruchkörper angesehen. Da es sich bei dieser Vakanz aber tatsächlich um eine dauernde Verhinderung des Vorsitzenden handele, könne dieser normwidrige Zustand bis zur Wiederbesetzung der Stelle nur für eine kurze Übergangszeit hingenommen werden (BGH, Urt. v. 12.03.2015 - VII ZR 173/13 Rn. 35). Warum diese Grundsätze nicht für Hilfsspruchkörper gelten sollen, ist nicht nachvollziehbar. Aus der Sicht der rechtssuchenden Parteien macht es keinen Unterschied, ob ein ordentlicher oder aber ein Hilfsspruchkörper die Rechtssache entscheidet. Dass letztlich haushaltsrechtliche Gesichtspunkte den Parteien die Entscheidung durch ein Gericht mit qualifiziertem Vorsitzenden verweigern, wird die Parteien nicht überzeugen.
- D.
Auswirkungen für die Praxis Ebenfalls vom Ergebnis gedacht erscheinen die Erwägungen des VI. Zivilsenats zur Abgrenzung vorübergehender von ständigen Spruchkörpern, wenn er ausführt: „Wie lange ein Spruchkörper in der vom Präsidium vorzunehmenden Prognose noch als vorübergehender und ab wann er als ständiger Spruchkörper anzusehen ist, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der Art der Überlastungssituation, die Grund für die Einrichtung des Spruchkörpers ist, und von den Aufgaben und Funktionen, die das Gericht, dem er angehört, in dieser Situation zu erfüllen hat.“ (Rn. 26 der Besprechungsentscheidung). Auch wenn der Geschäftsanfall beim VIa. Zivilsenat langsam zurückgeht, fragt sich, wann der vom VI. Zivilsenat als „überschaubar“ bezeichnete Zeitraum (Rn. 28) beendet sein wird, in dem „jedenfalls ein Großteil“ der sich stellenden Rechtsfragen geklärt sein wird.
|