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Anmerkung zu:BGH 6. Zivilsenat, Urteil vom 08.04.2025 - VI ZR 25/24
Autor:Eric Aßfalg, RA
Erscheinungsdatum:08.08.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 115 VVG, § 1 PflVG, § 195 BGB, § 562 BGB, § 199 BGB, § 197 BGB, § 201 BGB, § 826 BGB, § 256 ZPO, § 531 ZPO, § 249 BGB
Fundstelle:jurisPR-BGHZivilR 16/2025 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Markus Würdinger, Universität Passau
Zitiervorschlag:Aßfalg, jurisPR-BGHZivilR 16/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Feststellungsinteresse bei beabsichtigtem Übergang von der Schadensabrechnung auf Gutachtenbasis zur konkreten Abrechnung



Leitsätze

1. Der Geschädigte eines Kraftfahrzeugsachschadens hat bei Ausübung der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die Wahl, ob er fiktiv nach den Feststellungen eines Sachverständigen oder konkret nach den tatsächlich aufgewendeten Kosten abrechnet. Der Geschädigte kann, wenn er seinen Fahrzeugschaden zunächst fiktiv abgerechnet hat, später - im Rahmen der rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Schadensabrechnung und der Verjährung - grundsätzlich zur konkreten Schadensabrechnung übergehen und Ersatz der tatsächlich angefallenen Kosten einschließlich Mehrwertsteuer und (ggf. zusätzlicher) Nutzungsausfallentschädigung verlangen.
2. Berechnet der Geschädigte seinen Schaden zulässigerweise auf der Grundlage der von dem Sachverständigen ermittelten Kosten fiktiv, also ohne Durchführung der Reparatur und damit insbesondere ohne Umsatzsteuer, hat er - schon um der drohenden Verjährung zu begegnen - ein Interesse i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO an der Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige Schäden. Der Geschädigte muss nicht darlegen, dass er die Absicht hat, sein Fahrzeug zu reparieren. Vielmehr reicht die Darlegung, dass die Möglichkeit der Reparatur besteht, grundsätzlich aus. Daran fehlte es erst, wenn aus Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund bestände, mit der Reparatur wenigstens zu rechnen.



A.
Problemstellung
Der Geschädigte eines Kfz-Unfalls mit Sachschaden hat nach ständiger Rechtsprechung des BGH bei der Ausübung der Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die Wahl, ob er das Kfz unrepariert lässt und den zur Schadensbehebung „erforderlichen Geldbetrag“ fiktiv auf der Basis eines Sachverständigengutachtens über die hypothetischen Reparaturkosten abrechnet, oder ob er das Kfz tatsächlich reparieren lässt und die dabei tatsächlich anfallenden Reparaturkosten ersetzt verlangt (Dispositionsfreiheit des Geschädigten; vgl. BGH, Urt. v. 08.04.2025 - VI ZR 25/24 Rn. 8; BGH, Urt. v. 28.01.2025 - VI ZR 300/24 Rn. 12 - NJW 2025, 1346; BGH, Urt. v. 24.01.2017 - VI ZR 146/16 Rn. 6 - NJW 2017, 1664).
Der im Rahmen der fiktiven Abrechnung ersatzfähige Schaden kann jedoch im Einzelfall hinter dem Betrag zurückbleiben, der sich bei einer konkreten Abrechnung ergäbe: Zum einen gehört die Mehrwertsteuer gemäß § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB nur dann zum ersatzfähigen Schaden, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist; im Rahmen der Schadensabrechnung auf Gutachtenbasis kann sie daher nicht beansprucht werden (BGH, Urt. v. 12.10.2021 - VI ZR 513/19 Rn. 21 ff. - NJW 2022, 543; BGH, Urt. v. 02.10.2018 - VI ZR 40/18 Rn. 6 f. - NJW-RR 2019, 144; BGH, Urt. v. 13.09.2016 - VI ZR 654/15 Rn. 11 - NJW 2017, 1310). Zum anderen kann der Geschädigte eine Nutzungsausfallentschädigung für den zeitweisen Entzug der Nutzbarkeit seines privaten Kfz während der Dauer der Reparatur nur dann abrechnen, wenn er tatsächlich eine Reparatur durchführen lässt (vgl. BGH, Urt. v. 23.01.2018 - VI ZR 57/17 Rn. 7 f. - NJW 2018, 1393; BGH, Urt. v. 10.06.2008 - VI ZR 248/07 Rn. 6-8 - NJW-RR 2008, 1198; BGH, Urt. v. 23.03.1976 - VI ZR 41/74 Rn. 29-31 - BGHZ 66, 239; KG, Urt. v. 04.06.2007 - 12 U 208/06 - NZV 2008, 197, 198 unter III. 1).
Der BGH hat in der jüngeren Vergangenheit bereits erkennen lassen und nunmehr bestätigt, dass der Geschädigte auch dann, wenn er zunächst fiktiv auf Gutachtenbasis abrechnet, die Möglichkeit behält, das Kfz später noch reparieren zu lassen und dann auf konkreter Basis abzurechnen – auch die bis dahin noch nicht ersatzfähige Mehrwertsteuer und einen etwaigen Nutzungsausfallschaden. Fraglich war bislang aber noch, ob der Geschädigte die Haftung für diese weiteren, bei konkreter Abrechnung ersatzfähigen Schadensposten dem Grunde nach auch schon vor dem Übergang zur konkreten Schadensberechnung zum Gegenstand einer Feststellungsklage nach § 256 Abs. 1 ZPO machen kann. Dies hat der BGH nun bejaht.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Im Anlassfall (zum Sachverhalt BGH, Urt. v. 08.04.2025 - VI ZR 25/24 Rn. 1-3; LG Landshut, Endurt. v. 20.12.2023 - 15 S 1052/23 Rn. 1 ff.) stritten die Parteien über Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die beklagte Kfz-Haftpflichtversicherung aus einem Verkehrsunfall (vgl. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG). Die Haftung der Beklagten zu 100% war dabei unstreitig. Die Klägerin rechnete die Schäden an ihrem Wagen fiktiv auf Basis eines Sachverständigengutachtens ab, das einen Schaden i.H.v. 2.816,89 Euro ermittelt hatte. Die Beklagte erhob vorgerichtlich Einwendungen gegen die in dem Gutachten ermittelte Schadenshöhe und verwies die Klägerin auf eine günstigere Referenzwerkstatt; in entsprechendem niedrigerem Umfang von 2.657,38 Euro regulierte sie den Schaden der Klägerin bereits vorgerichtlich. Mit ihrer Klage erstrebte die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des Differenzbetrags zwischen der vorgerichtlichen Regulierung und dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens i.H.v. 159,61 Euro sowie die Feststellung, dass die Beklagte ihr verpflichtet sei, auch weitere zukünftige materielle Schäden zu ersetzen.
Das AG Erding (AG Erding, Urt. v. 31.03.2023 - 101 C 1611/22, n. v.) hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung des Differenzbetrags verurteilt und die begehrte Feststellung ausgesprochen. Das Feststellungsinteresse i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO hat es damit begründet, dass bei einer etwa noch durchzuführenden Reparatur des Wagens der Klägerin noch ersatzfähige Mehrwertsteuer anfallen könne (vgl. § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB) und dass bei einer im vorgerichtlichen Gutachten angenommen Reparaturdauer von vier Tagen zudem ein Nutzungsausfallschaden im Umfang von 200 Euro in Betracht komme (vgl. LG Landshut, Endurt. v. 20.12.2023 - 15 S 1052/23 Rn. 6). Das LG Landshut als Berufungsgericht hat der Klägerin gleichfalls den Differenzbetrag i.H.v. 159,61 Euro zugesprochen (LG Landshut, Endurt. v. 20.12.2023 - 15 S 1052/23 Rn. 16 f.). Das Feststellungsinteresse i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO für den Feststellungsantrag hat es dagegen verneint, weil die Haftung dem Grunde nach im Streitfall unstreitig sei, die Beklagte mit ihrem gesamten Regulierungsverhalten zu keinem Zeitpunkt Anlass gegeben habe, an ihrer 100%igen Einstandspflicht zu zweifeln und weil der Eintritt der weiteren Schadenspositionen in Form von Umsatzsteuer und Nutzungsausfall allein von der Entscheidung der Klägerin abhänge, ihr Fahrzeug doch noch reparieren zu lassen (LG Landshut, Endurt. v. 20.12.2023 - 15 S 1052/23 Rn. 21). Allein der Umstand, dass sich die Kläger den Wechsel von der fiktiven zur konkreten Abrechnung auch über den Ablauf der Regelverjährungsfrist von drei Jahren offenhalten wolle (vgl. die §§ 195, 199 Abs. 1 BGB bzw. die §§ 197 Abs. 1 Nr. 3, 201 BGB), vermöge dieses Interesse jedenfalls bei dem hier in Rede stehenden Fahrzeug mit einem Alter von 13 Jahren und einer Laufleistung von 250.000 Kilometern nicht zu rechtfertigen; es sei der Klägerin zuzumuten, innerhalb des Laufs der Regelverjährungsfrist zur konkreten Abrechnung überzugehen, so sie diese denn durchführen wolle (LG Landshut, Endurt. v. 20.12.2023 - 15 S 1052/23 Rn. 22 f.).
Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin (vgl. LG Landshut, Endurt. v. 20.12.2023 - 15 S 1052/23 Rn. 27 f.) führte hinsichtlich des in der Revisionsinstanz noch allein in Rede stehenden Feststellungsantrags zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils und zur vollumfänglichen Zurückweisung der Berufung der Beklagten gegen das amtsgerichtliche Urteil (§ 562 Abs. 1, 3 BGB; BGH, Urt. v. 08.04.2025 - VI ZR 25/24 Rn. 5, 14).
Zur Begründung führt der VI. Zivilsenat aus, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bestehe für die Feststellungsantrag durchaus ein Feststellungsinteresse, soweit sie dieses daraus ableite, dass ihr ersatzfähiger Schaden bei einer zukünftigen Reparatur ihres beschädigten Fahrzeugs auch die Mehrwertsteuer und eine Nutzungsausfallentschädigung erfasse (BGH, Urt. v. 08.04.2025 - VI ZR 25/24 Rn. 7). Denn wie der Senat bereits entschieden habe, stehe es der Geschädigten eines Kfz-Unfalls frei, bei der Ausübung ihrer Ersetzungsbefugnis nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB von einer zunächst gewählten fiktiven Schadensberechnung auf Gutachtenbasis zur Abrechnung auf Basis der konkret anfallenden Reparaturkosten überzugehen und dann insbesondere auch die anfallende Mehrwertsteuer und ggf. eine Nutzungsausfallentschädigung zu verlangen (BGH, Urt. v. 08.04.2025 - VI ZR 25/24 Rn. 8; vgl. u.a. schon BGH, Urt. v. 12.10.2021 - VI ZR 513/19 Rn. 20, 25 - NJW 2022, 543; BGH, Urt. v. 02.10.2018 - VI ZR 40/18 Rn. 9 - NJW-RR 2019, 144; BGH, Urt. v. 13.09.2016 - VI ZR 654/15 Rn. 18 - NJW 2017, 1310; BGH, Urt. v. 18.10.2011 - VI ZR 17/11 Rn. 4 - NJW 2012, 50; BGH. Urt. v. 17.10.2006 - VI ZR 249/05 Rn. 16, 18 - BGHZ 169, 263 - NJW 2007, 67). Die Geltendmachung weiterer Schadensposten nach dem Übergang von der fiktiven zur konkreten Abrechnung stehe aber unter dem Vorbehalt, dass der Schadensersatzanspruch im Zeitpunkt ihrer Geltendmachung noch nicht verjährt sei. Schon aus dem Interesse, der drohenden Verjährung zu begegnen, ergebe sich deshalb bei der Abrechnung auf Gutachtenbasis das notwendige Interesse i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO für die Feststellung der Ersatzpflicht für zukünftige weitere Schäden (BGH, Urt. v. 08.04.2025 - VI ZR 25/24 Rn. 9). Denn nach ständiger Rechtsprechung genüge für ein solches Feststellungsinteresse bereits die bloße Möglichkeit des Eintritts zukünftiger weiterer Schäden. Dass der Geschädigte auf die Realisierung dieser Möglichkeit Einfluss nehmen könne, stehe prozessrechtlich nicht entgegen. Vielmehr sei es eine Frage des materiellen Rechts, ob und inwieweit in einem solchen Fall noch ein ersatzfähiger Schadensposten vorliege; für den Bereich der Abrechnung von Kfz-Unfallschäden sei die Ersatzfähigkeit der in Rede stehenden Posten jedoch durch die Möglichkeit zum Übergang von der fiktiven zur konkreten Abrechnung gegeben (BGH, Urt. v. 08.04.2025 - VI ZR 25/24 Rn. 11). Entscheidend sei daher nur, ob im Einzelfall die Reparatur des Kfz noch möglich und ein Übergang zur konkreten Abrechnung daher theoretisch überhaupt noch denkbar sei; allein wegen des fortgeschrittenen Alters des Kfz könne dies nicht per se verneint werden (BGH, Urt. v. 08.04.2025 - VI ZR 25/24 Rn. 11). Eine tatsächliche Reparaturabsicht müsse der Geschädigte im Zeitpunkt der Feststellungsklage dagegen tatsächlich noch nicht haben und sie daher auch nicht darlegen (BGH, Urt. v. 08.04.2025 - VI ZR 25/24 Rn. 11).


C.
Kontext der Entscheidung
Die Entscheidung verbindet in konsequenter Weise die Rechtsprechung zum Recht des Geschädigten, von der fiktiven zur konkreten Schadensberechnung überzugehen, mit der ständigen Rechtsprechung zu den allgemeinen Anforderungen an das Vorliegen eines Feststellungsinteresses i.S.v. § 256 Abs. 1 ZPO (vgl. zu den Kriterien allgemein BGH, Urt. v. 08.04.2025 - VI ZR 25/24 Rn. 6).
Dass der BGH für ein Feststellungsinteresse bei der Verletzung eines absoluten Rechtsguts in ständiger Rechtsprechung bereits die bloße Möglichkeit weiterer Schäden ausreichen lässt, ist letztlich gerade durch verjährungsrechtliche Erwägungen begründet: Wegen des Grundsatzes der Schadenseinheit „entsteht“ der (ganze) Schadensersatzanspruch i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB einschließlich aller weiteren adäquat verursachten, zurechen- und voraussehbaren Schäden bereits im Zeitpunkt des Schadenseintritts, so dass die Verjährung des (ganzen) Anspruchs schon mit Erlangung der Kenntnis bzw. der grob fahrlässigen Unkenntnis von dem Schadenseintritt und der Person des Schädigers i.S.v. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB beginnt (vgl. etwa BGH, Urt. v. 07.03.2019 - III ZR 117/18 Rn. 33 - BGHZ 221, 253 = NJW 2019, 1953; BGH, Beschl. v. 15.11.2018 - IX ZR 76/18 Rn. 4 - GmbHR 2019, 113; BGH, Urt. v. 26.07.2018 - I ZR 274/16 Rn. 26 m.w.N.- NJW-RR 2018, 1301; zur historischen Entwicklung und zur Kritik an diesem Grundsatz vgl. Piekenbrock in: BeckOGK, Stand 01.06.2025, § 199 BGB Rn. 67 ff.). Soweit der Geschädigte einzelne künftige Schadensposten noch nicht konkret beziffern und er sie daher noch nicht zum Gegenstand einer Leistungsklage machen kann, ist er deshalb bei drohender Verjährung notwendigerweise auf die Feststellungsklage verwiesen. Dass ein Feststellungsinteresse deshalb schon bei der bloßen Möglichkeit weiterer ersatzfähiger künftiger Schäden besteht, hat der BGH ursprünglich gerade mit Blick auf den Grundsatz der Schadenseinheit und die daher häufig drohende Verjährung begründet (vgl. BGH, Urt. v. 16.01.2001 - VI ZR 381/99 Rn. 7 - NJW 2001, 1431, 1432 unter II. 2; BGH, Urt. v. 23.04.1991 - X ZR 77/89 Rn. 9 f. - NJW 1991, 2707, 2708 unter I. 3; vgl. ferner BGH, Urt. v. 20.03.2001 - VI ZR 325/99 Rn. 12 f. - NJW 2001, 3414, 3415 unter II. 3. b)). Da sich die Ersatzpflicht ohnehin erst im Fall eines tatsächlichen Eintritts weiterer künftiger Schäden realisiert, entsteht dem anderen Teil durch diese niederschwelligen Anforderungen an das Feststellungsinteresse auch kein unangemessener Nachteil (vgl. BGH, Urt. v. 17.10.2017 - VI ZR 423/16 Rn. 49 - BGHZ 216, 149 = NJW 2018, 1242).
Auf den Maßstab der „Wahrscheinlichkeit“ des Schadenseintritts stellt der BGH dagegen nur bei reinen (primär) vermögensschädigenden Handlungen ab, bei denen noch ungewiss ist, ob sie überhaupt zum Eintritt eines Schadens führen werden; unter diesen Voraussetzungen soll dem anderen Teil kein Rechtsstreit über gedachte Fragen aufgezwungen werden, von denen ungewiss ist, ob sie jemals praktische Bedeutung erlangen werden (vgl. BGH, Urt. v. 15.10.1992 - IX ZR 43/92 Rn. 78 - NJW 1993, 648, 654; aus der jüngeren Zeit etwa BGH, Urt. v. 05.10.2021 - VI ZR 136/20 Rn. 28 - NJW-RR 2022, 23; BGH, Urt. v. 29.06.2021 - VI ZR 52/18 Rn. 30 - NJW 2021, 3130; BGH, Urt. v. 24.01.2006 - XI ZR 384/03 Rn. 27 m.w.N. - BGHZ 166, 84 = NJW 2006, 830). Ist dagegen ein (primärer) Vermögens(teil)schaden bereits entstanden und der Eintritt weiterer Schäden im Rahmen der noch nicht abgeschlossenen Schadensentwicklung zu besorgen, genügt folgerichtig wiederum die bloße Möglichkeit eines künftigen weiteren Schadenseintritts, weil sich der andere Teil dann ohnehin schon auf den Rechtsstreit über den bereits eingetretenen Vermögens(teil)schaden einlassen muss (vgl. BGH, Urt. v. 05.10.2021 - VI ZR 136/20 Rn. 28 m.w.N. - NJW-RR 2022, 23, dort auch wiederum mit Verweis auf den Grundsatz der Schadenseinheit).
Dass die Regelverjährungsfrist nach Rechtskraft des Feststellungsurteils durch eine dreißigjährige Verjährungsfrist ersetzt wird (§§ 197 Abs. 1 Nr. 3, 201 BGB), ist die schlichte gesetzliche Rechtsfolge der Feststellungsklage und daher kein Gegenargument gegen deren Zulassung (zutreffend BGH, Urt. v. 08.04.2025 - VI ZR 25/24 Rn. 13). Soweit das Berufungsgericht sich daran gestört hat (LG Landshut, Endurt. v. 20.12.2023 - 15 S 1052/23 Rn. 23), hat es verkannt, dass die Verjährung kein Selbstzweck ist, sondern dass sie im Kern darauf abzielt, der „verdunkelnden Macht der Zeit“, hier also vor allem einer durch den Zeitablauf bedingten erschwerten Aufklärbarkeit des Streitsachverhalts und des damit ggf. verbundenen Verlusts von Beweismitteln – insbesondere aufseiten des Schuldners – entgegenzuwirken. Diese Gefahr wird durch die Erhebung der Feststellungsklage aber gerade ausgeräumt, so dass es gerechtfertigt ist, sodann eine längere Verjährungsfrist in den Lauf zu setzen. Theoretisch kann sogar nach Ablauf der dreißig Jahre erneut ein Feststellungsinteresse für eine wiederholte Feststellungsklage bestehen, wenn noch weitere Schäden drohen und es daher gilt, die Verjährung erneut neu in Lauf zu setzen (vgl. BGH, Urt. v. 07.05.2003 - IV ZR 121/02 Rn. 7 f. - NJW-RR 2003, 1076, 1076 f.; Bacher in: BeckOK ZPO, 56. Edition, Stand 01.03.2025, § 256 ZPO Rn. 21). Bei Kfz-Sachschäden ohne Personenschaden dürfte dies freilich regelmäßig nicht praktisch werden.
Überzeugend führt der Senat weiterhin aus, dass auch der Umstand, dass die Haftung der Beklagten dem Grunde nach unstreitig war, keine andere Beurteilung rechtfertigt (BGH, Urt. v. 08.04.2025 - VI ZR 25/24 Rn. 10). Denn allein, dass die Haftung zum jetzigen Zeitpunkt unstreitig war, gibt der Klägerin keine Sicherheit, dass dies auch nach einem etwaigen Ablauf der Regelverjährungsfrist noch so bleiben wird; gerade deshalb braucht die Geschädigte jedoch die Absicherung der Ersatzpflicht gegen die dreijährige Regelverjährung durch den (rechtskräftigen) Feststellungsausspruch (§§ 197 Abs. 1 Nr. 3, 201 BGB).
Zweifelhaft erscheint dagegen der Abgrenzungsversuch des Senats zu einer Rechtsprechung, wonach der Geschädigte nicht schon deshalb ein rechtliches Interesse an der isolierten Feststellung seiner Schadensersatzpflicht haben soll, weil er sich die Wahl zwischen großem und kleinem Schadensersatz im Rahmen von § 826 BGB noch länger offenhalten möchte (BGH, Urt. v. 08.04.2025 - VI ZR 25/24 Rn. 12; vgl. BGH, Urt. v. 05.10.2021 - VI ZR 136/20 Rn. 16 ff. - NJW-RR 2022, 23). Überzeugend ist dabei noch die Ausgangsprämisse, dass das Erfordernis eines Feststellungsinteresses nach § 256 Abs. 1 ZPO funktional nicht dazu bestimmt ist, die Partei zur vorzeitigen Ausübung ihr materiell-rechtlich gewährter Wahlrechte zu zwingen (vgl. BGH, Urt. v. 08.04.2025 - VI ZR 25/24 Rn. 11); die materiell-rechtlichen Wertungen werden insoweit also nicht durch das Prozessrecht überschrieben (vgl. zu einem ähnlichen Topos - Ausübung von Gestaltungrechten im Lichte von § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO - BGH, Urt. v. 17.10.2018 - VIII ZR 212/17 Rn. 24 ff., insbes. Rn. 27 - BGHZ 220, 77 = NJW 2019, 80). Insofern ist es daher auch folgerichtig, dass der Senat der Geschädigten jedenfalls im hiesigen Streitfall das im Rahmen von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB nach der Rechtsprechung bestehende Wahlrecht zwischen fiktiver und konkreter Abrechnung erhält (BGH, Urt. v. 08.04.2025 - VI ZR 25/24 Rn. 12). Nicht wirklich überzeugend ist aber die Auffassung des Senats, dass es sich bei der Wahl zwischen großem und kleinem Schadensersatz grundlegend anders verhalten soll, weil sich aus dem materiellen Recht nichts dafür ergebe, dass dem Geschädigten die Wahl insoweit „offengehalten“ werden solle – Entsprechendes gilt doch genau genommen auch für die Wahl zwischen fiktiver und konkreter Abrechnung, da sich dieses Wahlrecht ja nicht einmal aus dem Gesetz, sondern nur aus der zugehörigen ständigen Rechtsprechung ergibt. Überzeugender wäre es daher, dem Geschädigten auch die Wahl zwischen großem und kleinem Schadensersatz im Rahmen des Feststellungsinteresse offenzuhalten; das hätte aber freilich eine Rechtsprechungsänderung erfordert.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Für die Praxis ist mit der Entscheidung einmal mehr klargestellt, dass der Geschädigte eines Kfz-Unfalls mit Sachschaden auch noch nachträglich von der fiktiven Schadensabrechnung auf Gutachtenbasis zur konkreten Abrechnung übergehen und er dann auch wegen erst daraus resultierender weiter Schadensposten Ersatz verlangen kann. Die Nachforderung steht aber freilich unter dem Vorbehalt der Verjährung. Dass der drohenden Verjährung in diesem Fall mit der Feststellungsklage begegnet werden kann, stellt die Entscheidung mit erfreulicher Deutlichkeit klar.



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