juris PraxisReporte

Anmerkung zu:BGH 5. Zivilsenat, Urteil vom 06.12.2024 - V ZR 159/23
Autor:Prof. Dr. Reinhold Thode, RiBGH a.D.
Erscheinungsdatum:21.02.2025
Quelle:juris Logo
Fundstelle:jurisPR-BGHZivilR 4/2025 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Markus Würdinger, Universität Passau
Zitiervorschlag:Thode, jurisPR-BGHZivilR 4/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Ausschluss der Stellvertretung durch Rechtsgeschäft: Differenzierung zwischen höchstpersönlichen Ansprüchen und höchstpersönlichen Willenserklärungen



Leitsatz

Wird in einem Grundstücksüberlassungsvertrag der Anspruch des Veräußerers auf Rückübertragung des Grundstücks als „höchstpersönlich“ bezeichnet, hindert dies regelmäßig nicht die Stellvertretung bei der Geltendmachung des Anspruchs.



A.
Problemstellung
Der BGH hatte darüber zu entscheiden, ob die Regelung in einem Überlassungsvertrag, dass der Anspruch auf Rückauflassung „höchstpersönlicher Natur und nur übertragbar und vererblich ist, wenn er vom Veräußerer zu Lebzeiten geltend gemacht wurde“ und innerhalb der vereinbarten Frist geltend gemacht werden musste, die Stellvertretung bei Geltungsmachung des Anspruchs ausschließt.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Kläger übertrugen mit notariellem Überlassungsvertrag vom 14.06.2012 ihrem Sohn ein Hausgrundstück und ließen sich von ihm im Gegenzug ein Wohnungsrecht auf Lebensdauer an der im Erdgeschoss gelegenen Wohnung einräumen. Ihr Sohn bewohnte mit seiner Familie die Wohnung im ersten Obergeschoss. Der Überlassungsvertrag, in dem die Kläger als „der Veräußerer“ bezeichnet werden, enthielt unter Ziffer XVII. („Rückauflassungsanspruch“) folgende Regelung:
„1. Der Veräußerer ist berechtigt, den Vertragsbesitz vom Erwerber unentgeltlich zurückzuverlangen, wenn eine der folgenden Voraussetzungen eintritt:
a) der Erwerber vor dem Letztversterbenden der beiden Veräußerer verstirbt.
3. Der Anspruch ist höchstpersönlicher Natur und nur übertragbar und vererblich, wenn er vom Veräußerer zu Lebzeiten geltend gemacht wurde.
Der Anspruch kann nur mittels eingeschriebenem Brief binnen eines Jahres nach Kenntnis vom Vorliegen des Anspruchsgrundes geltend gemacht werden.“
Der Vertrag wurde vollzogen. Am 09.07.2021 verstarb der Sohn der Kläger. Er wurde von seiner Ehefrau allein beerbt. Mit eingeschriebenem Brief vom 02.08.2021 forderten die Kläger von der Beklagten die Rückübertragung des Grundstücks.
Mit ihrer Klage verlangten die Kläger von der Beklagten, das Eigentum an dem Grundstück an sie zu jeweils hälftigem Miteigentum aufzulassen und die Eintragung in das Grundbuch zu bewilligen.
Das Landgericht wies die Klage ab. Die hiergegen gerichtete Berufung der Kläger wies das OLG durch Beschluss zurück.
Die Revision der Kläger hatte Erfolg, der V. Zivilsenat des BGH hat mit im Wesentlichen folgender Begründung den Beschluss des OLG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen:
Rechtsfehlerfrei und von der Revision unbeanstandet nimmt das Berufungsgericht an, dass der durch das Vorversterben ihres Sohnes entstandene vertragliche Anspruch nicht mehr durchsetzbar wäre, wenn er nicht von den Klägern innerhalb eines Jahres nach Kenntnis vom Vorliegen des Anspruchsgrundes mit eingeschriebenem Brief geltend gemacht worden wäre. Insoweit ist der Wortlaut der vertraglichen Regelung eindeutig.
Unzutreffend ist aber die Annahme des Berufungsgerichts, dass die Kläger diese Frist mit dem anwaltlichen Schreiben vom 02.08.2021 nicht gewahrt haben, weil der Rückauflassungsanspruch nach der vertraglichen Regelung höchstpersönlicher Natur ist.
Im Ausgangspunkt trifft es allerdings zu, dass die Befugnis, sich bei rechtsgeschäftlichem Handeln durch einen Bevollmächtigten vertreten zu lassen, gesetzlich oder vertraglich ausgeschlossen sein kann.
Rechtsfehlerhaft ist aber die Annahme des Berufungsgerichts, dass der Überlassungsvertrag einen solchen Ausschluss der Stellvertretung enthalte.
Die Auslegung der vertraglichen Vereinbarung durch das Berufungsgericht ist in dieser Hinsicht zu beanstanden, weil das Berufungsgericht die im Gesetz angelegte Unterscheidung zwischen höchstpersönlichen Ansprüchen einerseits und höchstpersönlichen Willenserklärungen und Rechtsgeschäften andererseits nicht beachtet hat.
Der Wortlaut der in Ziff. XVII.3. des Überlassungsvertrags getroffenen Regelung spricht gegen die Annahme, dass der von den Klägern geltend gemachte Anspruch auf Rückauflassung des Grundstückseigentums von diesen höchstpersönlich innerhalb der vereinbarten Frist geltend gemacht werden müsste und eine Stellvertretung durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt insoweit ausgeschlossen sein sollte.
Während die Qualifizierung eines Rechtsgeschäfts als „höchstpersönlich“ zum Inhalt hat, dass die Willenserklärung persönlich abgegeben werden muss und die Stellvertretung durch einen Bevollmächtigten ausgeschlossen ist, hat die Bezeichnung eines Anspruchs als „höchstpersönlich“ regelmäßig keine auf die Stellvertretung bezogene Bedeutung. Ein höchstpersönlicher Anspruch ist dadurch gekennzeichnet, dass er aufgrund seiner Natur oder der Natur des Rechtsverhältnisses nicht abtretbar ist.
Übertragen die Eltern das in ihrem Eigentum stehende Hausgrundstück unter Vorbehalt eines lebenslangen Wohnrechts auf ihr Kind, dann mag dieses ein Interesse daran haben, dass die Eltern bei Eintritt einer der vertraglich vereinbarten Bedingungen höchstpersönlich die Entscheidung treffen, ob sie das Grundeigentum zurückfordern oder nicht, d.h. dass sie beispielsweise selbst abwägen, für wie schwer sie eine Verfehlung des Kindes halten, wie gravierend ihr Notbedarf ist oder ob sie bei Vorversterben des Kindes das Grundstück im Eigentum des oder der Erben belassen wollen oder nicht. Diesem Interesse ist aber weitgehend Rechnung getragen, wenn der Rückauflassungsanspruch vor seiner Geltendmachung nicht vererbbar und nicht übertragbar und damit grundsätzlich auch nicht pfändbar ist.
Dies habe das Berufungsgericht nicht hinreichend in den Blick genommen, bestehe doch ein ersichtliches Interesse der Eltern daran, sich bei der Rückforderung des Grundeigentums vertreten lassen zu können.


C.
Kontext der Entscheidung
Der V. Zivilsenat des BGH bestätigt seine bisherige Rechtsprechung, dass die Befugnis sich durch einen Bevollmächtigten vertreten zu lassen, auch durch Rechtsgeschäft abdingbar ist (Rn. 10 des Besprechungsurteils; BGH, Beschl. v. 11.11.1986 - V ZB 1/86 - MDR 1987, 485 m. Anm. Weitnauer, JZ 1987, 465; BGH, Beschl. v. 29.01.1993 - V ZB 24/92 - MDR 1993, 442 m. Anm. Wittkowski, EWiR 1996, 663; vgl. i.E. allgemein zum rechtsgeschäftlichen Ausschluss Schubert in: MünchKomm BGB, 10. Aufl. 2025, § 164 Rn. 110 m.w.N.; Finkenauer in: Erman, BGB, 17. Aufl. 2023, § 164 Rn. 33 m.w.N.; Schäfer in: BeckOK BGB, 72. Ed. Stand: 01.11.2024, § 164 Rn. 4; Weinland in: jurisPK-BGB, 10. Aufl. 2023, § 164 Rn. 22 ff. m.w.N.).
Er bestätigt ferner seine bisherige Rechtsprechung zum Inhalt einer gewillkürten Höchstpersönlichkeit (Rn. 14 des Besprechungsurteils m.w.N.; BGH, Urt. v. 04.12.2009 - V ZR 9/09 Rn. 12). Ein höchstpersönlicher Anspruch ist dadurch gekennzeichnet, dass er aufgrund seiner Natur oder der Natur des Rechtsverhältnisses nicht abtretbar ist (Rn. 14 bis 16 des Besprechungsurteils m.w.N.; hierzu i.E. Kieniger in: MünchKomm BGB, 9. Aufl. 2022, § 399 Rn. 7, 8, mit einer Übersicht der höchstpersönlichen Ansprüche Rn. 9 bis 17 m.w.N.; Schubert in: MünchKomm BGB, 10. Aufl. 2025, § 164 Rn. 107 bis 110 m.w.N.; Martens in: Erman, BGB, 17. Aufl. 2023, § 299 Rn. 1 f.).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung ergänzt die bisherigen Entscheidungen des BGH zum Ausschluss der Stellvertretung durch Rechtgeschäft. Für die Praxis ist es erforderlich, dass Rechtsberater vor einem rechtsgeschäftlichen Ausschluss der Stellvertretung prüfen müssen, ob der grundsätzlich zulässige Ausschluss der Stellvertretung bereits kraft Gesetzes oder der Natur des Rechtsgeschäfts ausgeschlossen ist, weil das Rechtsgeschäft nur höchstpersönlich vorgenommen werden kann (i.E. Schubert in: MünchKomm BGB, 10. Aufl. 2025, § 164 Rn. 107 f. m.w.N.). Wird die Höchstpersönlichkeit der Willenserklärung missachtet, ist das Vertretergeschäft in der Regel unwirksam (i.E. Schubert in: MünchKomm BGB, 10. Aufl. 2025, § 164 Rn. 109 m.w.N.).
Die hier besprochene Entscheidung des V. Zivilsenats des BGH klärt nicht nur die im Leitsatz genannte Grundsatzfrage, sie ist darüber hinaus ein aufschlussreiches Bespiel dafür, dass der Begriff der Höchstpersönlichkeit in der juristischen Fachsprache keine gesicherte zweifelsfreie Bedeutung hat, sondern dass seine Bedeutung von dem Kontext abhängig ist. Wird diese sprachliche Besonderheit bei der Formulierung einer Ausschlussvereinbarung nicht beachtet, führt dieser Mangel dazu, dass diese Vereinbarung das Risiko einer gerichtlichen Auseinandersetzung begründet, und eine Klärung des Inhalts dieser Vereinbarung erst durch eine Auslegung durch ein Gericht erfolgt mit möglicherweise einem Ergebnis, das von den Parteien nicht absehbar war. Selbst die Regelung unter 3., dass der Anspruch höchstpersönlicher Natur und nur übertragbar und vererblich ist, wenn er vom Veräußerer zu Lebzeiten geltend gemacht wurde, hat zur keiner hinreichenden Inhaltsbestimmung des Ausschlusses der Stellvertretung geführt. Wenn die Formulierung der Vereinbarung jedenfalls einen Zweifel an der Bedeutung nicht ausschließt, ist die Auslegung durch die Gerichte möglich. Der V. Zivilsenat des BGH hat, nachdem er die übliche, in ständiger Rechtsprechung entwickelte Formel zur Begründung seiner Prüfungskompetenz wiederholt hat, seine Überprüfungskompetenz nicht auf Grundlage dieser Formel begründet, sondern lediglich mit einem Rechtsfehler des Berufungsgerichts (Rn. 21 des Besprechungsurteils; BGH, Urt. v. 22.04.2016 - V ZR 189/15 - NJW-RR 2017, 210 Rn. 7; BGH, Urt. v. 22.02.2019 - V ZR 244/17 - MDR 2019, 1088 Rn. 19 m.w.N.).



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