I. Hintergrund
2024 wurden mit dem EU-Bankenpaket neue Vorschriften zur Stärkung der Bankenregulierung beschlossen und am 19.06.2024 im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Dieses Bankenpaket besteht aus der dritten Fassung der EU-Eigenmittelverordnung (CRR III1) sowie der sechsten EU-Eigenmittelrichtlinie (CRD VI2). Es enthält insbesondere die finalen Elemente der Basel III-Standards, nachdem die allermeisten Basel III-Standards aus 2010 in der EU bereits umgesetzt wurden. Die Basel III-Standards wurden seinerzeit zur Stärkung der Eigenkapitalanforderungen und der Liquidität von Banken eingeführt. Nunmehr wurde dieses internationale Rahmenwerk vollendet, indem die Berechnungsmethodik der Eigenmittelanforderungen angepasst wurde.
Die neuen Regelungen der CRR III wirken als europäische Verordnung i.S.d. Art. 288 Satz 2 AEUV seither direkt, während die CRD VI als europäische Richtlinie i.S.d. Art. 288 Satz 3 AEUV bis zum 10.01.2026 in nationales Recht umzusetzen ist. Mit dem am 22.08.2025 veröffentlichten Referentenentwurf (RefE) für ein Bankenrichtlinienumsetzungs- und Bürokratieentlastungsgesetz (BRUBEG)3 geht Deutschland nun final die Umsetzung an. Bereits aus jenem Wortlaut wird allerdings klar, dass es über die Umsetzung der CRD VI hinaus um Maßnahmen der Bürokratieentlastung im deutschen Bankensektor geht. Von vornherein lässt sich dabei sagen, dass der Entlastungsspielraum naturgemäß nicht allzu groß ist, da der nationale Gesetzgeber das weitestgehend europarechtlich geprägte Bankenrecht nicht einschränken darf und somit nur ein Spielraum entweder bei rein nationalem Bankenrecht oder bei europarechtlich geprägtem Bankenrecht besteht, welches einen nationalen Umsetzungsspielraum belassen hat.
II. Ziele und maßgeblicher Inhalt des BRUBEG
1. Ziele des BRUBEG
Die Ziele des BRUBEG sind zweigeteilt. Sie ergeben sich aus den beiden Namensbestandteilen Umsetzung der CRD VI und Entlastung von Bürokratie.
a) Ziele der Umsetzung der CRD VI
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Gezieltere und risikoadäquatere Adjustierung von aufsichtlichen Anforderungen, insbesondere bei den Berechnungsgrundlagen der Eigenmittelanforderungen aus der Zielsetzung auch der finalen Elemente der Basel III-Standards,
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Verbesserung des Umgangs von Banken mit ESG-Risiken im Rahmen eines Risikomanagementsystems,
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Harmonisierung der regulatorischen Unterschiede zwischen den EU-Mitgliedstaaten für die unmittelbare Erbringung von Dienstleistungen aus Drittstaaten und für unselbstständige Zweigstellen in Deutschland,
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Stärkere Harmonisierung des bislang zwischen den EU-Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich ausgeformten Regimes der Eignungsprüfung von Mitgliedern der Leitungsorgane, das auch um Anforderungen auch für Inhaber von Schlüsselfunktionen ergänzt wird.
b) Ziele der Entlastung von Bürokratie
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Zielgerichtete, verhältnismäßige und möglichst bürokratiearme Umsetzung der CRD VI unter Berücksichtigung der Belange kleinerer Banken und Sparkassen,
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Abbau unnötiger Bürokratie und Vereinfachung regulatorischer Anforderungen, soweit keine aufsichtlichen Bedenken bestehen. Damit soll die Kreditvergabe insbesondere an KMUs durch Banken erleichtert und von formalen Anforderungen entlastet werden.
2. Umsetzung
Der Referentenentwurf ist als Artikelgesetz mit 28 Artikeln abgefasst, welches einen Umfang von 360 Seiten aufweist. Der Schwerpunkt liegt naturgemäß auf Änderungen im KWG (Art. 1 bis 3). Auffallend und für die deutsche Gesetzgebung ungewöhnlich ist dabei die 1-zu-1-Umsetzung der CRD VI. Schließlich war in Deutschland bei der Richtlinienumsetzung seit jeher das sog. Gold-Plating üblich, also eine Umsetzung über die Vorgaben der jeweiligen EU-Richtlinie hinaus.4 Auf eine Abkehr vom Gold-Plating hatten sich indes die Parteien im Koalitionsvertrag 20255 verständigt, so dass die neue allgemeine Systematik nun auch auf die Umsetzung der CRD VI heruntergebrochen wird.
III. Bewertung
Da die CRD VI lediglich eins zu eins umgesetzt wurde, liegt der Schwerpunkt einer Bewertung nicht auf der CRD-Umsetzung, sondern vielmehr auf den flankierenden Maßnahmen zum Bürokratieabbau im Bankensektor, wo es noch deutliches Optimierungspotenzial gibt.
Dabei fällt zunächst auf, dass der Referentenentwurf leider nicht an die Bemühungen des 4. Bürokratieentlastungsgesetzes anknüpft und daher auch nicht konsequent um einen Übergang von Schriftform zu Textform bemüht ist. Etwa das KWG würde nun immer noch regelmäßig doppelgleisig fahren, was Meldungen, Dokumentationen etc. anbelangt („schriftlich oder elektronisch“). Hier sollten mutigere Schritte möglich sein.
Weiterhin haben BaFin und Bundesbank unlängst parallele Reformansätze zur Entlastung von Kleinbanken mit Blick auf deren Eigenkapitalregime vorgestellt.6 Insoweit sollte im Fortgang des Gesetzgebungsverfahrens überprüft werden, inwieweit diese Reformansätze mit eingebunden werden können. Dabei sollte allerdings auch Beachtung finden, dass die Reformansätze zwingend zu Mehraufwand führen, da fortan elektronisch gleich zwei Prozesse durchgeführt werden müssten. Ob eine solche „Entlastung durch Mehrbelastung“ wirklich zielführend ist, sollte überprüft werden.
Die BaFin hat den Verbänden des Drei-Säulen-Bankensystems kürzlich auch mitgeteilt, dass sie im Umgang mit Verbraucherbeschwerden dazu übergehen wird, eine Direktkommunikation zwischen den Banken und den Verbrauchern (ohne ihre Einbindung als Übermittlungsstelle) zu fordern. Womöglich könnte dieses Modell etwa über eine Portallösung auch auf bestimmte Meldepflichten von Banken (etwa nach § 7a Abs. 1 KWG) übertragen werden, um Ressourcen einzusparen.
Anlässlich der Novellierung des § 2c KWG durch Art. 1 Nr. 5 BRUBEG zwecks Umsetzung der neuen Vorgaben aus der CRD VI sollte die entsprechende Definition in § 1 Abs. 9 KWG nun auch noch einmal vor dem Hintergrund neuester EuGH-Rechtsprechung7 zum Begriff der sog. qualifizierten Beteiligung und den damit verbundenen Kontroll- oder Einflussmöglichkeiten überprüft werden. Dies gilt zumal mit Blick auf die Berechnung nach den §§ 33 ff. WpHG, welche in § 1 Abs. 9 Satz 2 KWG vorgesehen ist.
Im Zusammenhang mit Art. 1 Nr. 24 BRUBEG sollte bei der Thematik der Millionenkredite auch berücksichtigt werden, dass Bundesbank und BaFin zuletzt die Einstellung des Millionenkreditmeldewesens (§§ 14, 22 KWG) vorgeschlagen haben.8 Diesen Vorschlag greift interessanterweise der Referentenentwurf zum Standortfördergesetz9 bereits auf, obwohl er am selben Tag wie der Referentenentwurf zum BRUBEG veröffentlicht wurde, wobei letztgenannter Referentenentwurf dies noch nicht widerspiegelt. Beide Gesetzesvorhaben sollten daher miteinander synchronisiert werden.
Vor dem Hintergrund, dass § 23a KWG durch Art. 1 Nr. 40 BRUBEG ohnehin angepasst werden soll, könnten jährliche Übermittlungspflichten in zeitgemäße Abrufmöglichkeiten auf einer Homepage geändert werden, was dem BMF bereits vorgeschlagen wurde.10 Entsprechende Abrufmöglichkeiten sind in anderen Gesetzen wie dem KAGB oder dem WpHG längst üblich und ersparen dem Informationspflichtigen beträchtlichen Aufwand.
Bei der vorgesehenen Änderung von § 28 Abs. 3 Satz 2 KWG durch Art. 1 Nr. 48 BRUBEG liegt derzeit erkennbar ein Fehler vor. Der BaFin soll nunmehr die Möglichkeit eingeräumt werden, einen Prüfungsverband abzulehnen, was nach der Systematik von § 28 KWG Genossenschaftsbanken und Sparkassen erfassen würde. Schon jener Wortlaut (Prüfungsverband) deutet allerdings an, dass bislang rein an genossenschaftliche Prüfungsverbände gedacht wurde, nicht aber an letztlich gar nicht auswechselbare Prüfungsstellen der Sparkassen- und Giroverbände. Insoweit ist zu fordern, dass in § 28 Abs. 3 Satz 2 KWG anders als bislang vorgesehen entweder zwischen Genossenschaftsbanken und Sparkassen differenziert wird (so dass er sich in der Folge nur noch auf Genossenschaftsbanken bezieht), oder aber, dass die im Referentenentwurf vorgesehene Regelung komplett gestrichen wird. Denn für Genossenschaften und damit auch Kreditgenossenschaften ist die Bekämpfung des Wechsels des Prüfungsverbands – allerdings ohne BaFin-Bezug – ohnehin schon auf Ebene des GenG vorgesehen, vgl. § 54a Abs. 1 Satz 4 GenG-E11.
Die in § 26d KWG-E vorgesehene Regelung von ESG-Risikoplänen schöpft das in der CRD VI angelegte Wahlrecht noch nicht bestmöglich aus. Zudem sind derzeit noch zu viele Wertungspositionen enthalten, so dass fraglich ist, ob für kleine und nicht komplexe Institute wirklich weniger Aufwand entsteht. Hier gilt es, nachzuschärfen.
Sowohl die CRD VI als auch der jetzige Referentenentwurf sind von der Erwartung getragen, Meldepflichten abzubauen. Stattdessen finden sich etwa im vorgesehenen § 53ck Abs. 3 KWG zugunsten der BaFin eingeräumte Optionen, ggf. sogar weitere Meldepflichten festzulegen. Dies sollte gestrichen werden. Daneben sollte der gesamte Referentenentwurf auch nochmal daraufhin überprüft werden, ob nicht einzelne Meldepflichten abgeschafft oder zumindest zusammengelegt werden können. Zusätzlich sollte etwa das derzeitige KWG daraufhin geprüft werden, ob nicht einzelne nach nationalem Recht bestehende Meldepflichten abgeschafft werden können, etwa weil der Meldeinhalt bei der Bundesbank und/oder der BaFin keinen Mehrwert in der Beaufsichtigung bringt oder aber die entsprechenden Meldungen bislang in der Realität gar nicht ausgelesen werden.
IV. Ausblick
Die Zeit ist knapp: Will Deutschland die Umsetzungsfrist der CRD VI einhalten, muss das Gesetzgebungsverfahren zum BRUBEG bis zum 10.01.2026 abgeschlossen sein. Demzufolge bleibt wenig Spielraum dafür, etwa die aufgezeigten Optimierungspotenziale zu nutzen. Dabei wäre gerade das BRUBEG bestens geeignet, den Sorgen und Nöten der Banken mit Blick auf Entbürokratisierung und Überregulierung12 nun wirksam zu begegnen. Der Finanzplatz Deutschland kann schließlich im internationalen Vergleich auf Dauer nur wettbewerbsfähig sein, wenn vor allem der regulatorische Aufwand und die damit verbundenen Belastungen von Ressourcen und die entsprechenden Kosten deutlich gesenkt werden. Vor diesem Hintergrund sind die national bestehenden Möglichkeiten für größtmögliche Deregulierung im Kontextgefüge des BRUBEG bislang noch nicht ausgeschöpft.