Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
I. Im Zuge der Privatisierung der Deutschen Bundespost wurde das bis zur Privatisierung geltende Versorgungssystem durch neue tarifvertragliche Regelungen ersetzt. Ein zentraler Bestandteil der ab 1997 geltenden neuen Regelung war eine Besitzstandskomponente, die voraussetzte, dass Beschäftigte bis zum 01.05.1997 eine fünfjährige Wartezeit erfüllt hatten. Dabei zählten nur Monate, für die gehaltsabhängige Beiträge zur Zusatzversorgung entrichtet wurden – also nur solche Monate, in denen an den Mitarbeitenden auch Arbeitsentgelt gezahlt worden ist.
Für die Klägerin waren im Zeitraum Februar 1992 bis November 1996, in denen das Arbeitsverhältnis aufgrund von Erziehungsurlaub geruht hatte, keine Versorgungsbeiträge an das betriebliche Versorgungssystem entrichtet worden, so dass dieser Zeitraum auch nicht für die Wartezeit im Rahmen der Besitzstandsregelung berücksichtigt worden ist. Die Klägerin hat dies als Anlass genommen, eine Anrechnung der Zeiten des Erziehungsurlaubs einzuklagen und diesen Anspruch mit einer unmittelbaren Diskriminierung begründet, da Frauen typischerweise häufiger Erziehungszeiten in Anspruch nehmen würden.
II. Mit dieser Klage blieb die Klägerin in allen Instanzen erfolglos.
1. Die im Rahmen der Neuordnung der betrieblichen Altersversorgung normierte Wartezeitregelung für den bis zur Privatisierung der Post erdienten Besitzstandsbetrag, nach der nicht umlagefähige Monate bei der Berechnung des Besitzstandsbetrags nicht angerechnet werden, führt nicht zu einer unzulässigen mittelbaren Benachteiligung der Klägerin wegen des Geschlechts. Sie verstößt weder gegen den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit nach Art. 157 AEUV noch gegen das Differenzierungsverbot des Art. 3 Abs. 2 und 3 GG.
Sowohl Art. 157 AEUV als auch Art. 3 Abs. 2 und 3 GG erfassen mittelbare Diskriminierungen, die geschlechtsneutral formuliert und deshalb auf Frauen und Männer gleichermaßen anzuwenden sind, jedoch tatsächlich mehr Frauen als Männer nachteilig betreffen können. Aufgrund des Entgeltcharakters der betrieblichen Altersversorgung gilt dies auch für Leistungen der betrieblichen Altersversorgung.
Unabhängig von der Frage, ob Elternzeit heute noch tatsächlich mehrheitlich von Frauen wahrgenommen wird, ist eine eventuelle Ungleichbehandlung aber sachlich gerechtfertigt, wenn – wie vorliegend vom BAG bejaht – die streitige Maßnahme durch objektive Faktoren gerechtfertigt ist, die nichts mit der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu tun haben, und der vom Arbeitgeber für die Ungleichbehandlung angeführte Grund einem wirklichen Bedürfnis des Unternehmens entspricht und für die Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich ist.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass ein ruhendes Arbeitsverhältnis objektiv eine Anspruchsminderung bzw. einen Ausschluss der entsprechenden Ruhenszeiten bei der Berechnung der betrieblichen Altersversorgung rechtfertigt. Der Unterschied zwischen einem ruhenden und einem nicht ruhenden Arbeitsverhältnis ist so gewichtig, dass er eine unterschiedliche Behandlung nicht nur beim eigentlichen Arbeitsentgelt, sondern auch bei der Gewährung zusätzlicher Leistungen zum Arbeitsentgelt – wie der betrieblichen Altersversorgung – rechtfertigt.
2. Das gilt auch bei einem Systemwechsel, wenn die vorher erdienten Zeiten weiterhin Berücksichtigung finden.
Auch der Umstand, dass es vorliegend nicht um das Versagen von Leistungssteigerungen für die Zeiten von Erziehungsurlaub, sondern um die Erfüllung der Wartezeit für die Begründung eines Anspruchs auf den Besitzstandsbetrag geht, führt zu keiner anderen Bewertung. Die Beklagte kann sich auch insoweit zur Rechtfertigung ihrer Leistungsgestaltung auf ein wirkliches Bedürfnis berufen.
Da Erziehungsmonate zulässigerweise bei der Berechnung der Höhe von Ansprüchen unberücksichtigt bleiben dürfen, dürfen sie auch von der Berücksichtigung für die Erfüllung einer Wartezeit zur Abgrenzung zweier unterschiedlicher Regelungssysteme ausgenommen werden. Mangels Umlagefähigkeit der Erziehungsmonate konnte die Klägerin nicht darauf vertrauen, während ihres Erziehungsurlaubs Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung zu erwerben. Sie hätte solche auch nicht während anderer Ruhenszeiten erdient.
Die Unterschiede zwischen einem ruhenden und einem nicht ruhenden Arbeitsverhältnis rechtfertigen daher auch die Anknüpfung im Rahmen einer Stichtagsregelung.
3. Der von der Klägerin angeregten Vorlage an den EuGH nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedurfte es nicht. Die Nichtberücksichtigung von Erziehungsurlaubszeiten kann auch nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH durch objektive Gründe gerechtfertigt sein, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des (weiblichen) Geschlechts zu tun haben.
Auswirkungen für die Praxis
Das Urteil kann auf den ersten Blick als Niederlage für Arbeitnehmerinnen angesehen werden, die ihre Kinder erzogen und dafür auf Gehalt verzichtet haben. Es ist jedoch eine wichtige Bestätigung der systematischen Logik der betrieblichen Altersversorgung, die in einem Synallagma unter dem Entgeltprinzip Gegenleistungen für tatsächlich erbrachte Arbeit und darauf beruhenden Dienstzeiten gewährt. Das BAG schafft damit Klarheit für die Gestaltung von Versorgungssystemen und ermöglicht eine unterschiedliche Behandlung von Dienstzeiten mit und ohne Vergütungsansprüche.
Hinzu kommt, dass mittlerweile auch Männer den Anspruch auf Elternzeit beanspruchen können bzw. in der Praxis dieser Anspruch sehr häufig auch zwischen den Eltern gesplittet wird, so dass insoweit eine Diskriminierung von Frauen nicht mehr zwangsläufig stattfindet.
Die Nichtberücksichtigung ruhender Arbeitszeiten ist allerdings kein Automatismus, sondern von einer entsprechenden Regelung in der Versorgungsvereinbarung abhängig. Fehlt eine solche Regelung, so werden z.B. in einer dienstzeitabhängigen Versorgungsordnung auch Zeiten eines ruhenden Arbeitsverhältnisses mitberücksichtigt, da das Arbeitsverhältnis in diesen Zeiten formal fortbesteht und nur die Hauptleistungspflichten suspendiert sind.
Arbeitgeber sollten daher sorgfältig prüfen, wie sie mit Zeiten eines ruhenden Arbeitsverhältnisses umgehen wollen bzw. ob sie eine gewollte Nichtberücksichtigung auch rechtssicher in den Versorgungsbestimmungen geregelt haben.