Kein Abzug von Mitgliedsbeiträgen an Körperschaften, die kulturelle Betätigungen fördern, die in erster Linie der Freizeitgestaltung dienenLeitsätze 1. § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG ist dahin auszulegen, dass Mitgliedsbeiträge an eine gemeinnützige Körperschaft, die kulturelle Betätigungen fördert, die in erster Linie der Freizeitgestaltung dienen, auch dann nicht als Sonderausgaben abziehbar sind, wenn die Körperschaft daneben noch einen weiteren Zweck fördert, der nicht in § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG genannt ist. 2. Die Rechtmäßigkeit der - in Körperschaftsteuer-Freistellungsbescheiden für die unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG fallenden Körperschaften regelmäßig enthaltenen - Hinweise zur Ausstellung von Zuwendungsbestätigungen kann im Wege der Feststellungsklage überprüft werden. 3. Für die Beurteilung von Feststellungsklagen ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem FG maßgeblich. - A.
Problemstellung Dass § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 1 EStG Mitgliedsbeiträge an Sportvereine ausdrücklich nicht als Spenden anerkennt, leuchtet ein, wie auch das hier besprochene Urteil ausführt (Rn. 63): Mitgliedsbeiträgen fehlt es infolge der rechtlichen Verpflichtung zu ihrer Zahlung zumindest an der Freiwilligkeit. Die Frage der „freiwilligen“ Zahlung soll hier dahingestellt bleiben. Der BFH führt aus: „Darüber hinaus wird in vielen Fällen ein Mitgliedsbeitrag auch in Erwartung einer Gegenleistung – zumindest im wirtschaftlichen Sinne – gezahlt werden“. Für Beiträge z.B. an das Deutsche Rote Kreuz, die nach dem Beitritt nicht mehr freiwillig gezahlt werden, erwartet das Mitglied keine Gegenleistung. Auch trifft es zu, dass die in § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG getroffene Abgrenzung den Normzweck zutreffend abbildet: „Alle dort genannten Förderzwecke zeichnen sich durch eine große Nähe zum Freizeit- bzw. Hobbybereich aus.“ Aber ist diese Abgrenzung, wie der BFH (Rn. 65) meint, stets „sachgerecht“? Es heißt, § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 23 AO normiere abschließend „sog. privilegierte Freizeitbeschäftigungen“. Das Tatbestandsmerkmal der – scil. sinnvollen und gemeinwohldienlichen – „Freizeitgestaltung“ z.B. beim Schutz der Umwelt ebenso wie beim Schutz von Denkmälern oder beim Musizieren in einer Kantorei – scheint eine geringe normative Steuerungsfunktion zu haben. Will man nicht die Gemeinwohlrelevanz jeglicher bürgerschaftlichen Aktivität negieren, muss der Freizeitaspekt ausgeblendet oder zumindest relativiert werden. Zum Beispiel für die Rettungsdienste ebenso für das Technische Hilfswerk (das keinen Mitgliedsbeitrag erhebt) und für die DLRG ist die Einbindung des ehrenamtlichen Engagements essentiell. Die dort tätigen Ehrenamtler leisten „Zeitspenden“ und finden für die typischerweise in ihrer Freizeit ausgeübte Tätigkeit persönliche Erfüllung ebenso wie ehrenamtliche Trainer von Sportvereinen. Ihre – unentgeltliche – Freizeitbeschäftigung ist „privilegiert“. Die hier besprochene BFH-Entscheidung ist zu diesem weiten Problemkreis ergangen.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Der Kläger ist ein gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG wegen Verfolgung gemeinnütziger Zwecke steuerbefreiter Verein. Satzungsmäßiger Zweck des Klägers ist die Förderung der Volksbildung, der Erziehung und Ausbildung sowie der Kunst im Bereich der Bläsermusik. Der Satzungszweck wird „insbesondere durch Unterhaltung und Betrieb eines sinfonischen Blasorchesters, die Förderung der musikalischen Bildung und Ausbildung von Jugendlichen und Erwachsenen in praktischer und theoretischer Hinsicht sowie die Aufführung von und Mitwirkung an Konzerten, Platzmusiken, kulturellen und kirchenmusikalischen Veranstaltungen, Musikfesten und -wettbewerben verwirklicht“. Der jährliche Mitgliedsbeitrag betrug 32 Euro. Die Mitglieder des Klägers sind überwiegend musikalische Laien, teilweise Musikstudenten und „vereinzelt“ Berufsmusiker. In den Jahren 2017 bis 2019 stellten sich die Mitgliederzahlen bzw. Beitrags- und Spendeneinnahmen wie folgt dar:
| 2017 | 2018 | 2019 | aktive Mitglieder | 26 | 30 | 28 | Fördermitglieder | 6 | 4 | 7 | Mitgliedsbeiträge | 1.164,00 Euro | 1.466,00 Euro | 1.576,00 Euro | Spenden | 1.334,70 Euro | 340,00 Euro | 1.332,50 Euro |
Der Kläger unterhält ein Blasorchester, ein „Vororchester“ (Juniororchester mit Kindern und Jugendlichen), seit 2019 zudem ein Zwischenorchester, das der vertieften Ausbildung für fortgeschrittene Mitglieder des Vororchesters und zur ergänzenden Probenarbeit für Mitglieder des Orchesters dient. Für Mitglieder, die Führungsaufgaben im Orchester innehaben (z.B. Dirigenten, Stimmführerschaft, Durchführung von Satzproben), übernimmt der Kläger die Kosten von Fortbildungen. Das FA erließ am 31.05.2017 einen Freistellungsbescheid für 2014 bis 2016 zur KSt und GewSt. In diesem wurden für den Kläger als gemeinnützige Zwecke aufgeführt die Förderung von Kunst und Kultur (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AO) und die Förderung der Erziehung (aus § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 AO). In dem Bescheid wurde vermerkt: „Die Körperschaft ist nicht berechtigt, für Mitgliedsbeiträge Zuwendungsbestätigungen (§ 50 Abs. 1 EStDV) auszustellen, weil Zwecke i.S.d. § 10b Abs. 1 Satz 8 EStG gefördert werden.“ Gegen letzteren Vermerk legte der Kläger Einspruch ein. Das FA entschied, das Musizieren der Mitglieder des Klägers bei Auftritten und Proben sei eine Form der Freizeitgestaltung. Mit der Klage trug der Kläger u.a. vor, die Vereinsmitglieder seien mit erheblichem organisatorischen und musikpädagogischen Aufwand unterrichtend tätig. Für Musikstudenten und Berufsmusiker seien die Orchesterproben und Konzerte Teil ihrer Ausbildung bzw. beruflichen Fortbildung. Es verstoße gegen das Gebot der Folgerichtigkeit, wenn Mitgliedsbeiträge bei passiven Kulturvereinen (Fördervereine i.S.d. § 10b Abs. 1 Satz 7 EStG) abziehbar seien, bei aktiven Kulturvereinen (Freizeitgestaltung i.S.d. § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG) aber nicht. Große Vereine seien in der Lage, diese Beschränkung durch Aufspaltung in einen aktiven und einen passiven Teil zu umgehen, kleine Vereine hingegen nicht. Das FG hat der Klage stattgegeben (FG Köln, Urt. v. 25.02.2021 - 10 K 1622/18 - EFG 2021, 1167; zust. Bauhaus, EFG 2021, 1170). Hiergegen richtete sich die vorliegende Revision des FA. Das dem Revisionsverfahren beigetretene BMF hat u.a. vorgetragen, die hier vorliegenden gemischten Mitgliedsbeiträge seien nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut vom Abzugsverbot umfasst. Der BFH hat der Revision stattgegeben und die Feststellungsklage abgewiesen. Er hat zur Begründung ausgeführt: I. Das FG hat seine Gesetzesauslegung allein auf die Entstehungsgeschichte des § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG gestützt, letztere jedoch nicht vollständig ausgewertet. Diese Norm geht auf eine lange Tradition zunächst (bis 1999) außergesetzlicher Regelungen zurück. Die Regelung der als besonders förderungswürdig geltenden Zwecke wurde ab 2000 – differenzierend – untergesetzlich in § 48 Abs. 2 i.V.m. Anlage 1 EStDV 2000 geregelt (BR-Drs. 418/99, S. 11, 15). Hinsichtlich aller in Anlage 1 Abschn. B zu § 48 Abs. 2 EStDV 2000 genannten Zwecke – u.a. kulturelle Betätigungen, die in erster Linie der Freizeitgestaltung dienen, vgl. Nr. 2 des Abschn. B – war ein Abzug von Mitgliedsbeiträgen auch schon nach den früheren Regelungen der Anlage 7 zu R 111 Abs. 1 EStR ausgeschlossen gewesen. Nahezu zeitgleich gab der BFH – in Entscheidungen, die noch zur Rechtslage vor der EStDV 2000 ergangen waren – die Rechtsprechung zur Überlagerungs- und Abfärbetheorie auf. Zuwendungen an Körperschaften, die mehrere Zwecke verfolgten, die hinsichtlich des Abzugs von Zuwendungen unterschiedlich behandelt wurden, waren nunmehr (außerhalb des zeitlichen Anwendungsbereichs des § 48 Abs. 4 Satz 2 EStDV 2000) nach Maßgabe derjenigen einkommensteuerrechtlichen Regelungen abziehbar, die für den Zweck galten, der durch die Verwendung der Spende tatsächlich gefördert wurde (BFH, Urt. v. 15.12.1999 - XI R 93/97 - BStBl II 2000, 608, unter II.2.b). Es folgte für die Zeit ab 2007 eine Neuregelung durch das Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements (GSbE) v. 10.10.2007 (BGBl I 2007, 2332). Das JStG 2009 vom 19.12.2008 (BGBl I 2008, 2794) hat in § 10b Abs. 1 EStG den heutigen Satz 7 (damals Satz 2) eingefügt. Danach sind Mitgliedsbeiträge an Körperschaften abziehbar, die Kunst und Kultur gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AO fördern, soweit es sich nicht um Mitgliedsbeiträge nach Satz 8 Nr. 2 handelt, auch wenn den Mitgliedern Vergünstigungen gewährt werden. Diese begünstigende Änderung diente der „Klarstellung“, dass aufgrund des Wegfalls des § 48 Abs. 4 Satz 2 EStDV 2000 Mitgliedsbeiträge an Kulturfördervereine selbst bei Gewährung von Vergünstigungen abziehbar sein sollten (Begründung zum Regierungsentwurf des JStG 2009 vom 02.09.2008, BT-Drs. 16/10189, S. 49). II. Der BFH führt aus: Das FG lässt außer Acht, dass sich die Regelungstechniken in § 48 Abs. 4 Satz 1 EStDV 2000 i.V.m. der Anlage 1 Abschn. B zu § 48 Abs. 2 EStDV 2000 einerseits und in § 10b Abs. 1 Sätze 7 und 8 EStG andererseits grundlegend voneinander unterscheiden. § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG schließt den Abzug von Mitgliedsbeiträgen an Körperschaften, die kulturelle Betätigungen fördern, die in erster Linie der Freizeitgestaltung dienen, generell aus. Ein Konkurrenzverhältnis zu einer anderen Norm, die den Abzug von Mitgliedsbeiträgen zulässt, kann bei dieser Regelungstechnik von vornherein nicht entstehen, so dass es einer besonderen gesetzlichen Regelung, die ein solches Konkurrenzverhältnis auflöst (seinerzeit § 48 Abs. 4 Satz 2 EStDV 2000), nicht mehr bedurfte. Dies wird durch § 10b Abs. 1 Satz 7 EStG bestätigt, der für Körperschaften, die Kunst und Kultur fördern, ausdrücklich den Vorrang des § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG anordnet und seine begünstigende Rechtsfolge nur auf die nicht von der zuletzt genannten Norm erfassten Körperschaften beschränkt. III. Zu Unrecht hat sich das FG auf eine Passage in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung zum GSbE gestützt, in der es heißt, der Sonderausgabenabzug für Mitgliedsbeiträge an Vereine zur Förderung kultureller Einrichtungen solle verbessert werden ( BT-Drs. 16/5200, S. 12). In der Begründung des Gesetzentwurfs heißt es ausdrücklich, dass Mitgliedsbeiträge an Körperschaften, die „insbesondere die aktiv ausgeführten eigenen kulturellen Betätigungen der Mitglieder (z.B. im Laientheater, Laienchor, Laienorchester)“ fördern, weiterhin vom Abzug ausgeschlossen seien; demgegenüber seien Mitgliedsbeiträge an Körperschaften zur Förderung kultureller Einrichtungen künftig als Sonderausgaben abziehbar ( BT-Drs. 16/5200, S. 16). IV. Auch der erkennbare Normzweck spricht gegen die vom FG vorgenommene Auslegung des § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG. Die mit dieser Regelung für bestimmte Körperschaften angeordnete Differenzierung zwischen Spenden und Mitgliedsbeiträgen nimmt die erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Unterschiede zwischen diesen beiden Unterfällen der „Zuwendung“ (§ 10b Abs. 1 Satz 1 EStG) auf. Spenden seien anders als die Mitgliedsbeiträge begrifflich entscheidend durch ihre Freiwilligkeit und Unentgeltlichkeit – d.h. das Fehlen einer Gegenleistung – gekennzeichnet (BFH, Urt. v. 15.01.2019 - X R 6/17 Rn. 40 m.w.N. - BStBl II 2019, 318). Mitgliedsbeiträgen fehle es infolge der rechtlichen Verpflichtung zu ihrer Zahlung zumindest an der Freiwilligkeit. Darüber hinaus werde in vielen Fällen ein Mitgliedsbeitrag auch in Erwartung einer Gegenleistung – zumindest im wirtschaftlichen Sinne – gezahlt (vgl. zu Beiträgen an Sportvereine BFH, Urt. v. 28.04.1987 - IX R 7/83 - BStBl II 1987, 814 m.w.N.) Entgegen der Auffassung des Klägers ist weder die gesetzliche Regelung als solche noch die vom Senat vorgenommene Gesetzesauslegung verfassungswidrig. Die „Eingriffsintensität“ des § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG stellt sich als vergleichsweise gering dar. V. Der Kläger fördert durch den Betrieb des Laienorchesters kulturelle Betätigungen, die in erster Linie der Freizeitgestaltung dienen. Es kommt nicht darauf an, ob der Kläger zusätzlich auch noch andere Zwecke fördert.
- C.
Kontext der Entscheidung I. Dem Urteil des X. Senats des BFH ist im rechtlichen Ausgangspunkt zuzustimmen. Der Wortlaut „in erster Linie“ ist kraft seiner Stellung im § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG – eindeutig – dahingehend zu verstehen, dass eine quantitative oder qualitative Gewichtung bzw. Abwägung nur insoweit zu erfolgen hat, als zu beurteilen ist, ob eine kulturelle Betätigung „in erster Linie der Freizeitgestaltung“ (dann tritt die Rechtsfolge des § 10b Abs. 1 Satz 8 Nr. 2 EStG ein) oder in erster Linie Nicht-Freizeitzwecken dient (dann fällt die Körperschaft unter die Komplementärregelung des § 10b Abs. 1 Satz 7 EStG). Für eine Abwägung mit weiteren Zwecken, die die Körperschaft neben den kulturellen Freizeitbetätigungen verfolgt, lässt der Wortlaut hingegen keinen Raum. Diese Auffassung entspricht dem überwiegenden Teil der Literatur. Ganz einhellig wird diese Ansicht zur – wortlautidentischen – Parallelvorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 2 Satz 8 KStG vertreten. – Indes: Eine solche Abwägung hat der BFH weder getroffen noch im Wege der Rechtskontrolle nachgeprüft. II. Traditionell erscheint die Anwendung des Zweckkatalogs des § 52 Abs. 2 Satz 1 bereits „kontaminiert“, wenn das Stichwort „Freizeit“ auftaucht. Indes ist der gemeinnützigkeitsrechtliche Begründungswert der „Freizeitbetätigung“ zweifelhaft. Denn gemeinnützigkeitsrelevante Tätigkeit von Vereinsmitgliedern findet überwiegend in deren Freizeit statt. Auch der Fan des Musiktheaters besucht das Opernhaus in seiner Freizeit. III. Das Problem sei erläutert am Beispiel des Sports. Die Skepsis gegenüber der staatlichen Sportförderung hat immer wieder Anhänger gefunden (P. Fischer, Gemeinnutz und Eigennutz in der steuerlichen Sportförderung, in: Festschrift für Offerhaus, 1999, S. 597 ff.; vgl. ferner die ausführlichen Erörterungen des Für und Widers bei Michael Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 150 ff.). Es hat zahlreiche rechtspolitische Vorschläge gegeben, um „Freizeitbetätigungen“ aus der Förderung durch das Gemeinnützigkeitsrecht herauszunehmen. J. Isensee (Gemeinwohl und Bürgersinn im Steuerstaat des Grundgesetzes, in: Festschrift für Dürig, 1990, S. 33 ff., 37) schreibt: „Das schöne, konsenssichere Wolkenwort ‚Vereinskultur‘ deckt den Übergang von der klassischen altruistischen Gemeinnützigkeit zur neuen Freizeitgemeinnützigkeit als Steueroase privater Selbstverwirklichung.“ Auch dies hat einen wahren Kern. Man kann sich auf den Standpunkt stellen, dass in einem freiheitlichen Staat die Freizeitgestaltung die ureigene Angelegenheit des mündigen Bürgers ist. Andererseits ist die Ermöglichung sportlicher wie auch kultureller Partizipation „in einem freiheitlichen Staat durchaus eine staatliche Aufgabe“ (Udo Steiner, Handbuch des Staatsrechts, § 87 Rn. 10.). Und deswegen finanzieren Kommunen wie auch der Staat Theater mit hohem Freizeitwert ebenso wie sie Beihilfen leisten „für Sportinfrastrukturen und multifunktionale Freizeitinfrastrukturen“ (Art. 55 AGVO). Der Staat fördert die Infrastruktur, die Sporttreiben ermöglicht, er fördert aber nicht den Sportler. Erforderlich ist ein realitätsgerechter Blick auf die Zivilgesellschaft, deren Proprium durch Art. 165 AEUV konkretisiert wird. Die ca. 90.000 gemeinnützigen Sportvereine in Deutschland sind – jeder für sich – Bestandteil der Zivilgesellschaft bzw. des Dritten Sektors, der als integraler Teil einer 3-Säulen-Architektur neben dem Staat und Markt mit seinen eigenen Handlungslogiken auch rechtsinstitutionell verfestigt ist. Weder der Staat noch der Markt können und/oder wollen einen Lauftreff oder ein Länderspiel, den Mannschaftssport als Breitensport oder Behindertensport und Herzsportgruppen organisieren. Hier übernimmt die sich selbst ermächtigende Zivilgesellschaft grundrechtlich fundamentiert (Art. 9 GG), verbandsautonom und selbstlos eine „Verantwortung für den Sport“, unter Einbindung von ehrenamtlichem Engagement als – so der EWSA – der „tragenden Säule des Sports in Europa“. Darüber hinaus gibt es in Deutschland ca. 580.000 Vereine, 18.000 Stiftungen und 9.000 gGmbHs, die für das gesellschaftliche, politische, ökonomische und kulturelle Zusammenleben eine bedeutsame Rolle spielen. Über 30 Millionen Menschen engagieren sich freiwillig und ehrenamtlich in Deutschland für das Gemeinwohl. IV. Das Proprium der Zivilgesellschaft wird konkretisiert durch Art. 165 Abs. 2 Spiegelstrich 7 AEUV (ausf. P. Fischer, Gemeinnützige Daseinsvorsorge und Wettbewerbsordnung, 2016, S. 61 ff.; ders., Das europäische Beihilferecht im Bereich des Sports, npoR 2021, 226): „Die Tätigkeit der Union hat folgende Ziele: ... Entwicklung der europäischen Dimension des Sports durch Förderung der Fairness und der Offenheit von Sportwettkämpfen und der Zusammenarbeit zwischen den für den Sport verantwortlichen Organisationen sowie durch den Schutz der körperlichen und seelischen Unversehrtheit der Sportler, insbesondere der jüngeren Sportler.“ Dies hat eine institutionelle Förderung der Sportinfrastruktur im Blick. Gefördert wird nicht der einzelne Sporttreibende. Wenn dieser sich einem Verein anschließt, nimmt er dessen Sportdienstleistungen in Anspruch. Und er zahlt hierfür – als Gegenleistung und letztlich eigennützig – seinen Mitgliederbeitrag. Hierfür erwartet und erhält das Mitglied eine geldwerte Leistung. Zu diesem Punkt hat sich im Anschluss an das EuGH-Urteil in der Rs. Kennemer Golf & Country Club (EuGH, Urt. v. 21.03.2002 - C-174/00 - Slg. 2002, I-3293-3331. Vgl. auch BFH, Urt. v. 11.10.2007 - V R 69/06 - BFH/NV 2008, 322: Mitgliedsbeiträge und Aufnahmegebühren können Entgelt für die Leistungen eines Sportvereins an seine Mitglieder sein) die Rechtsprechung zur (Umsatz-)Steuerbarkeit von Mitgliedsbeiträgen entwickelt (ausführlich Chr. Lenz, Mitgliedsbeiträge privatrechtlicher Vereinigungen im Umsatzsteuerrecht, 2012, S. 57 ff.). Für das Umsatzsteuerrecht ist maßgeblich abzustellen auf den konkreten Vorteil, den das Mitglied mit der Zahlung seines Beitrags erhält. Beim Bestehen dieses konkreten Individualinteresses ist es unerheblich, ob der Verein mit seinem Dienstleistungsangebot auch Satzungszwecke erfüllt. Der EuGH analysiert die Problemlage einer entgeltlichen Leistungserbringung an das Mitglied sehr klarsichtig (EuGH, Urt. v. 21.03.2002 - C-174/00 - BFH/NV Beilage 2002, 95 „Kennemer Golf & Country Club“): „... Die Leistungen des Vereins bestehen ... darin, dass er seinen Mitgliedern dauerhaft Sportanlagen und damit verbundene Vorteile zur Verfügung stellt“. Der EuGH zeigt einen realitätsgerechten Aspekt auf: Das Mitglied, das seinen Vereinsbeitrag entrichtet, erwartet als Gegenleistung die Möglichkeit einer Ressourcennutzung, für die ein gewerblicher Anbieter das Entgelt unter rauen Steuerbedingungen kalkulieren muss. Im Klartext: Wer „Vereinsmeierei“ nicht mag (vgl. hierzu das im Jahre 1926 entstandene Gedicht von Kurt Tucholsky „Das Mitglied“; http://www.textlog.de/tucholsky-das-mitglied.html), kann jedwedes (Freizeit-)Sportgerät – von der Jolle bis zum Sportflugzeug – oder jedwede Sportanlage (Tennis- oder Golfplatz, Kletterhalle) von gewerblichen Anbietern anmieten. In dem Umfang, wie der gemeinnützige Rechtsträger die Nutzung den Mitgliedern günstiger anbieten kann und anbietet, erhalten letztere – strenggenommen – eine „sonstige Zuwendung aus Mitteln der Körperschaft“ (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 AO). Der Mitgliedsbeitrag wird eigennützig gezahlt. Es gibt keinen Grund, diesen steuerlich zu begünstigen. Dies stimmt wertungsmäßig damit überein, dass sich die Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. j MwStSystRL auf jegliche Aus- und Fortbildung bezieht, „die nicht den Charakter bloßer Freizeitgestaltung hat“ (zuletzt EuGH, Urt. v. 21.10.2021 - C-373/19 Rn. 25 „Dubrovin & Tröger – Aquatics“ - UR 2021, 860 = MwStR 2021, 894; Anm. Weymüller, jurisPR-SteuerR 4/2022 Anm. 6). V. Anders ist die Lage bei der gemeinschaftlichen Pflege der Amateurmusik. Zwar geht es den Staat nichts an, ob ein Individuum in seiner Freizeit ein Blasinstrument spielt. Dies könnte aber anders zu werten sein, wenn es sich mit anderen zum Musizieren zusammenschließt. Der transsummative Effekt eines Orchesters, Chors oder einer Bläsergruppe – diese Formationen sind jeweils mehr als die Summe der einzelnen Musizierenden – führt in eine andere Welt und Qualität des nur „privaten“ Musizierens. Nach dem „Bundesweiten Verzeichnis Immaterielles Kulturerbe“ in der Kategorie „Musik und darstellende Kunst“ gehören zum Kulturerbe „Choralsingen“, „Chormusik in deutschen Amateurchören“, „Sächsische Knabenchöre“ und „Posaunenchöre“ (https://www.unesco.de/kultur-und-natur/immaterielles-kulturerbe/immaterielles-kulturerbe-deutschland/verzeichnis-ike). Zu letzteren steht auf der Homepage der Deutschen UNESCO-Kommission: „Ein Posaunenchor ist ein mehrstimmiges Laien-Blechbläserensemble, in dem alle Instrumente der Blechbläserfamilie zu finden sein können. Posaunenchöre unterscheiden sich von anderen Blechbläserensembles durch ihre variable Besetzung und ihren Schwerpunkt in der Pflege geistlichen Liedguts. Sie sind Markenzeichen der evangelischen Kirche, eine konfessionsübergreifende Mitwirkung ist jedoch möglich.“ Und: „Das instrumentale Laien- und Amateurmusizieren in Deutschland zeichnet sich durch eine Vielfalt und Breite aus, welche alle gesellschaftlichen Bereiche durchdringt und die kulturelle Identität Deutschlands prägt. Heute spielen rund neun Millionen Menschen in Deutschland in ihrer Freizeit ein Instrument.“ Was für die ganze Evangelische Kirche in Deutschland der Deutsche Evangelische Kirchentag ist, ist für die Blechbläser der Deutsche Evangelische Posaunentag (der ein drittes Mal im Mai 2024 in Hamburg stattfinden wird). Veranstalter dieses größten ehrenamtlichen Bläsertreffens der Welt ist der – selbstverständlich gemeinnützige – Evangelische Posaunendienst in Deutschland (EPiD), der Dachverband aller evangelischen Posaunenchöre in Deutschland. VI. Vor diesem Hintergrund hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages am 10.11.2022 die Einrichtung eines Amateurmusikfonds i.H.v. fünf Mio. Euro beschlossen (https://bundesmusikverband.de/bundestag-bringt-amateurmusikfonds-auf-den-weg/). Der Präsident des Bundesmusikverbands Chor & Orchester e.V. Benjamin Strasser MdB sagt hierzu u.a: „Die Einrichtung eines Amateurmusikfonds ist ein großartiger Erfolg. Dahinter steht das Bekenntnis der Bundesregierung für die Musik- und Kulturförderung in ihrer ganzen Vielfalt. Der Amateurmusikfonds stellt eine gezielte Mehrinvestition in den sozialen Zusammenhalt dar und ermöglicht, dass auch zukünftig mehr als 14,3 Millionen Menschen in ihrer Freizeit musizieren können.“ VII. Es wird ferner hingewiesen auf die Resolution des Deutschen Musikrates vom 22.10.2022 „Kirchenmusik als Chance für Gesellschaft, Kultur und Kirche“. Der Musikrat betont, dass über 800.000 Menschen in kirchlichen Ensembles und Chören engagiert sind. Im vorliegenden Kontext ist wichtig: Die Mitglieder erwarten und bezahlen keine geldwerten Leistungen ihres Vereins, sondern, sofern Mitgliedsbeiträge erhoben werden, ein organisatorisch-zivilgesellschaftlich verfestigtes und nicht marktfähiges Angebot zu einem Mit- und Zusammenwirken, welches das freizeitliche „private“ Spielen eines Musikinstruments in eine Kategorie hebt, die für das musizierende Individuum nicht erreichbar ist und welche die besondere, der Einstufung als Kulturerbe würdige kulturelle Prägung ausmacht. Es wird hingewiesen auf das Audio-Beispiel https://www.epid.de/medien/dateien/audio/79_Bach_-_Gloria_sei_dir_gesungen.mp3. Gesellschaft und Staat wollen, dass dies hierzulande stattfindet und zu Gehör gebracht wird. Die Zusammenarbeit von Staat und Zivilgesellschaft insbesondere in den Bereichen des Sports und der Kultur gehört zur nationalen Identität (Art. 4 Abs. 2 Satz 1 EUV). Dies lässt sich z.B. vom Modellbau und vom Hundesport nicht sagen.
- D.
Auswirkungen für die Praxis Über die steuerliche Behandlung von Mitgliedsbeiträgen an gemeinnützige Musikschulen, die es in den neuen Bundesländern seit längerem gibt und die z.B. im Kulturgesetzbuch NRW v. 01.12.2021 (GV. NRW S. 1345) erwähnt werden, muss noch nachgedacht werden.
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