Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Es handelt sich um jenes Verfahren, in dem im Januar 2020 ein BFH-Urteil zugestellt und veröffentlicht worden war (BFH, Urt. v. 19.06.2019 - I R 32/17 - BFHE 266, 142; Anm. Lieber, jurisPR-SteuerR 9/2020 Anm. 2), das der BFH später wegen unheilbaren Verfahrensmangels für unwirksam erklärt hat (BFH, Beschl. v. 03.03.2021 - I R 32/17 - BFH/NV 2021, 644). Nach Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung war erneut über die Sache zu entscheiden.
Die Klägerin, eine inländische Kapitalgesellschaft, war im Streitjahr (2005) an in- und ausländischen Gesellschaften beteiligt. Die Klägerin und mit dieser verbundene Organgesellschaften gewährten verschiedenen nachgeordneten – in Frankreich und den USA ansässigen – Gesellschaften Darlehen. Diese waren überwiegend festverzinst; für ein Darlehen war anstelle eines festen Zinssatzes als Gegenleistung eine jährliche Beteiligung i.H.v. 12,5% am Bilanzgewinn der nachgeordneten Gesellschaft, begrenzt durch einen Höchstbetrag i.H.v. 25% des Darlehensvolumens, vereinbart. Sicherheiten wurden nicht geleistet. Im Streitjahr schrieb die Klägerin diese Darlehen gewinnmindernd ab. Zudem übertrug die Klägerin Wirtschaftsgüter zu Buchwerten auf eine maltesische Tochterkapitalgesellschaft, deren Alleingesellschafterin sie war, und brachte die Anteile an dieser Gesellschaft gemäß § 23 Abs. 4 des im Streitjahr geltenden Umwandlungssteuergesetzes ebenfalls zu Buchwerten im Rahmen einer Kapitalerhöhung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in eine weitere in Malta ansässige Kapitalgesellschaft ein.
Das Finanzamt rechnete bei der Einkommensermittlung die Gewinnminderungen aufgrund der Teilwertabschreibungen auf die Darlehensforderungen außerbilanziell wieder hinzu, erhöhte den Bilanzansatz für die übertragenen Wirtschaftsgüter und behandelte die Zinseinnahmen in voller Höhe als steuerpflichtig.
In erster Instanz hatte die Klage teilweise Erfolg (FG Köln, Urt. v. 22.02.2017 - 13 K 493/12). Sowohl die Klägerin als auch das Finanzamt haben Revision eingelegt. Der BFH hat die Sache wie schon in dem unwirksamen Urteil vom 19.06.2019 an das Finanzgericht zurückverwiesen.
I. Zu den Teilwertabschreibungen auf die Darlehensforderungen hält der BFH im Kern an seiner Rechtsprechung fest, der zufolge insoweit eine außerbilanzielle Hinzurechnung gemäß § 1 Abs. 1 AStG in Betracht komme (z.B. BFH, Urt. v. 27.02.2019 - I R 81/17 - BStBl II 2020, 443; Anm. Lieber, jurisPR-SteuerR 43/2019 Anm. 2; BFH, Urt. v. 27.02.2019 - I R 51/17 - BStBl II 2020, 440; Anm. Märtens, jurisPR-SteuerR 41/2019 Anm. 2; BFH, Urt. v. 19.02.2020 - I R 19/17 - BStBl II 2021, 223). Er befasst sich mit dagegen in der Literatur vorgebrachten Einwendungen und hält diese im Ergebnis nicht für durchschlagend.
So enthalte der Tatbestand des § 1 AStG kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal einer Gewinnverlagerung über die Grenze. § 1 AStG diene ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs auch „der Erfassung des zutreffenden Inlandsgewinns“, wobei dies von einer korrespondierenden Anpassung der Besteuerung im Ausland unabhängig sei (vgl. hierzu
BT-Drs. 06/2883, S. 23). Damit erlaube die Regelung des § 1 AStG eine sachlich gebotene (nationale) Berichtigung von Einkünften. Dies entspreche auch dem Sinn und Zweck des abkommensrechtlichen Fremdvergleichsgrundsatzes, der gerade nicht eine sachlich gebotene Berichtigung von Einkünften für bestimmte Fälle verbieten wolle.
Auch werde nach nochmaliger Prüfung daran festgehalten, dass die Einkünftekorrektur gemäß § 1 Abs. 1 AStG im Streitfall nicht durch Art. 9 Abs. 1 DBA-USA 1989 oder Art. 5 DBA-Frankreich 1959 ausgeschlossen werde. Der Fremdvergleichsgrundsatz gestatte es, dass Deutschland als Ansässigkeitsstaat entsprechend der ihm zugewiesenen Steuerhoheit eine Einkünftekorrektur vornehme, wenn grenzüberschreitend verbundene Unternehmen deren wirtschaftliche oder finanzielle Beziehungen an fremdunüblich vereinbarte oder auferlegte Bedingungen knüpften.
Des Weiteren hält der BFH daran fest, das eine Fremdvergleichsprüfung nicht bereits aufgrund des sog. Rückhalts im Konzern entbehrlich ist. Eine fremdübliche (werthaltige) Besicherung des Rückzahlungsanspruchs im Sinne einer aktiven Einstandsverpflichtung könne allein in den Einflussnahmemöglichkeiten des beherrschenden Gesellschafters auf den Darlehensnehmer nicht gesehen werden. Insoweit verlange ein Fremdvergleich (nur) das „Wegdenken“ der Nahestehensbeziehung. Dann sei – unter Fortbestehen aller übrigen Bedingungen – bei der Prüfung zu unterstellen, ein Darlehensgeber wäre nicht ein Gesellschafter, sondern ein fremder Dritter.
Präzisiert hat der BFH die Vorgaben für die im zweiten Rechtsgang nachzuholende Fremdvergleichsprüfung. Für die Feststellung der Fremdüblichkeit sei auf das Verhalten eines fremden Dritten abzustellen. Es müsse sich bei diesen fremden Dritten allerdings nicht um „klassische Banken“ handeln. Soweit die bisherigen Entscheidungen des Senats dahin gehend verstanden worden seien, dass maßgeblich und stets auf ein bankübliches Verhalten abzustellen sei, handele es sich um eine Fehlinterpretation. Und auch das Sicherungsmittel selbst müsse nicht immer „banküblich“ sein. Zudem sei auch nicht stets von einer Vollbesicherung auszugehen. Entscheidend sei, dass ein Markt für die vereinbarten Darlehen ermittelt werden könne, der dann den Maßstab für den vorzunehmenden Fremdvergleich bilde. Zur Ermittlung dieses Marktes seien im Rahmen einer Gesamtbetrachtung alle Umstände des Einzelfalles einzubeziehen, d.h. neben der Bonität des Darlehensnehmers weitere Umstände wie beispielsweise das Verhalten der Unternehmensgruppe bei der Darlehensvergabe an Dritte, die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit einer möglichen Besicherung für den konkreten Einzelfall, Handlungsalternativen für eine Nichtbesicherung, Darlehenssumme und -laufzeit, der Zweck des Darlehens und die Geschäftsstrategie des Darlehensgebers (z.B. wirtschaftliches Eigeninteresse der Konzernmutter, am Erfolg der Tochter zu partizipieren).
Vor diesem Hintergrund erscheine es ggf. möglich, dass ein fremder Dritter auf diesem Markt bereit sei, beispielsweise gegen Vereinbarung eines Zinszuschlages das durch die Nichtbesicherung erhöhte Ausfallrisiko zu kompensieren. Ob ein unbesichertes Konzerndarlehen im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung aller Umstände des Einzelfalles fremdvergleichskonform sei, hänge damit davon ab, ob auch ein fremder Dritter – ggf. unter Berücksichtigung möglicher Risikokompensationen – das Darlehen unter gleichen Bedingungen ausgereicht hätte. Entsprechend dürfe das Fehlen einer einzelnen „Bedingung“ (hier: fehlende Besicherung) nicht unmittelbar dazu führen, dass eine hierdurch veranlasste Einkunftsminderung dem Berichtigungsbefehl des § 1 AStG unterfalle.
Im Fall der festen wie der variablen Darlehensverzinsung werde das Finanzgericht feststellen müssen, ob ein Markt für die – ohne Sicherheiten – vereinbarten Darlehen ermittelt werden könne, der dann den Maßstab für den vorzunehmenden Fremdvergleich abbilde. Insbesondere werde zu prüfen sein, ob ein fremder Dritter angesichts der konkreten Ertragssituation der darlehensnehmenden Gesellschaft bereit gewesen wäre, eine entsprechende Vereinbarung einzugehen. Zudem werde zu berücksichtigen sein, dass die Ausreichung unbesicherter Darlehen durch fremde Dritte an die Konzernobergesellschaft eine Würdigung des einer (Tochter-)Gesellschaft eingeräumten Darlehens am Maßstab der fremdüblichen Kreditgewährung nicht ersetzen könne. Der Fremdvergleich müsse sich vielmehr an der konkreten darlehensnehmenden (Tochter-)Gesellschaft orientieren.
Sollte die Prüfung ergeben, dass ein entsprechender Markt für die – ohne Sicherheiten – vereinbarten (fest wie variabel verzinsten) Darlehen vorhanden sei, also ein fremder Dritter dieses Markts bereit gewesen wäre, beispielsweise gegen Vereinbarung eines Zinszuschlages das durch die Nichtbesicherung erhöhte Ausfallrisiko zu kompensieren, werde das Finanzgericht zu prüfen haben, ob die im Streitfall vereinbarte konkrete Kompensation auch fremdüblich sei. Ergebe die Prüfung, dass die vereinbarten Bedingungen auch unter Berücksichtigung einer Risikokompensation nicht fremdüblich gewesen seien, sei eine Korrektur der Teilwertabschreibung nach § 1 AStG ausgeschlossen. Denn wenn ein entsprechender Markt vorhanden sei, habe die Einkünftekorrektur vorrangig in Höhe der Differenz zwischen den tatsächlich erzielten und den fremdüblichen Zinseinnahmen zu erfolgen. Auf diese Weise sei ausgeschlossen, dass es zu einer zweimaligen Einkünftekorrektur des identischen Lebenssachverhalts kommen könne. Entsprechend werde eine Billigkeitsmaßnahme, wie sie beispielsweise in Kapitel IV B. des BMF-Schreibens in BStBl I 2021, 1098 (früher Tz. 8.3.1. des BMF-Schreibens in BStBl I 1983, 218) vorgesehen sei, nicht erforderlich. Dies gelte auch für den Fall, dass die Einkünftekorrekturen bestandskräftig festgesetzt sein sollten. Die Korrektur über eine Teilwertabschreibung könne letztlich nicht davon abhängig gemacht werden, ob eine Korrektur der Zinshöhe noch verfahrensrechtlich möglich sei oder nicht.
Zum Sachverhaltskomplex der verdeckten Einlage von Wirtschaftsgütern in die maltesische Tochtergesellschaft entsprechen die Ausführungen des BFH im Wesentlichen dem in dem früheren Urteil (s. hierzu Lieber, jurisPR-SteuerR 9/2020 Anm. 2; Märtens, DB 2020, 28).