Beweislast des Gläubigers für Anfechtungsvoraussetzungen im Haftungsprozess gegen den BürgenLeitsatz Hat der Tatrichter im Rechtsstreit des Gläubigers gegen den Bürgen, der das Wiederaufleben der Forderung des Gläubigers bestreitet, nach Rückgewähr der vermeintlich anfechtbaren Leistung an den Insolvenzverwalter bei ansonsten feststehender Tatsachengrundlage Zweifel am Vorliegen des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Schuldners, geht dieser Umstand zu Lasten des Gläubigers. - A.
Problemstellung Nach dem „Günstigkeitsprinzip“ hat derjenige eine streitige Tatsache darzulegen und zu beweisen, zu dessen Gunsten diese wirkt. Dabei trifft den Anspruchsteller regelmäßig die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen. Der Anspruchsgegner hat die anspruchsbeeinträchtigenden (hemmenden, vernichtenden, verhindernden) Tatsachen darzulegen und zu beweisen. Die Entscheidung des BGH beschäftigt sich mit der Fragestellung, wem bei Geltendmachung eines Bürgschaftsanspruchs die Darlegungs- und Beweislast für das Wiederaufleben der Forderung gemäß § 144 Abs. 1 InsO obliegt.
- B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung Die Klägerin nahm den Beklagten als Bürgen für Darlehensverbindlichkeiten der (späteren) Insolvenzschuldnerin in Anspruch. Mit Vertrag vom 10.05.2012 hat die Klägerin der Insolvenzschuldnerin ein Darlehen i.H.v. 250.000 Euro gewährt, welches bis zum 30.12.2012 zurückgezahlt werden musste. Anschließend gewährte die Klägerin der späteren Insolvenzschuldnerin im Juni 2012 aufgrund eines weiteren, des hier streitgegenständlichen Vertrages, ein Darlehen von 150.000 Euro, rückzahlbar bis Ende Oktober des gleichen Jahres. Hierfür verbürgte sich der Beklagte, zugleich Gesellschafter und Steuerberater der Schuldnerin, persönlich unter Verzicht auf die Erhebung der Einrede der Vorausklage. Nachfolgend schloss die Schuldnerin mit einem Dritten einen Vertrag über die Errichtung einer stillen Gesellschaft, wobei sich der stille Gesellschafter zur Erbringung einer Bareinlage i.H.v. 525.000 Euro bis März 2013 verpflichtet hat. Mit Ablauf des Jahres 2012 leistete die Schuldnerin einen Teilbetrag von 50.000 Euro als Tilgungsrate auf den von der Bürgschaft abgesicherten Darlehensvertrag an die Klägerin. Im Jahr 2015 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Der Insolvenzverwalter hat die bewirkte Zahlung der Schuldnerin an die Klägerin angefochten, woraufhin die Klägerin die erhaltene Summe freiwillig zurückzahlte. Daran anschließend wandte sich die Klägerin an den Beklagten und nahm diesen aus der Bürgschaftsverpflichtung auf Zahlung der 50.000 Euro in Anspruch. Die Berufungsinstanz (OLG Karlsruhe, Urt. v. 22.07.2021 - 3 U 8/20) hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das OLG ausgeführt, dass ein Anspruch der Klägerin aus der Bürgschaft nicht bestehe, weil die Darlehensforderung in entsprechender Höhe durch die Insolvenzschuldnerin getilgt worden und nicht durch die Rückgewähr auf die anschließend seitens des Verwalters erklärte Anfechtung nach § 144 Abs. 1 InsO wiederaufgelebt sei. Insoweit fehle es am Nachweis der für die Vorsatzanfechtung gemäß § 133 InsO erforderlichen Voraussetzungen, namentlich des Benachteiligungsvorsatzes des Schuldners, durch die Klägerin. Der Benachteiligungsvorsatz sei unter Beachtung der jüngeren BGH-Rechtsprechung nur anzunehmen, wenn der Insolvenzschuldner, über das Bestehen seiner eigenen Zahlungsunfähigkeit hinaus, wisse oder billigend in Kauf nehme, die Gläubiger auch zu einem späteren Zeitpunkt nicht vollständig befriedigen zu können. Dabei treffe die Klägerin als Gläubiger in der gegebenen Situation die Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen des Benachteiligungsvorsatzes. Da die Insolvenzschuldnerin jedoch im Zeitpunkt der Ratentilgung wegen der mit der stillen Beteiligung verbundenen Einlageverpflichtung von einem baldigen Liquiditätsüberschuss ausgehen durfte, habe sie darauf vertrauen dürfen, dass die Liquiditätslücke durch die Einlageleistung des Dritten geschlossen werde, so dass ohnehin der Benachteiligungsvorsatz auszuschließen sei. Die dagegen gerichtete Revision hat keinen Erfolg. Der BGH hat überzeugend die Möglichkeit der Inanspruchnahme aus der Bürgschaft verneint, da die Klägerin nach den Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür vorgetragen hat, dass die Insolvenzschuldnerin mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt hat, weshalb die verbleibenden Zweifel im Rahmen der Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO zu ihren Lasten gehen. Ausgangspunkt ist, dass sich die Verpflichtung des Bürgen nach dem Wortlaut des § 767 Abs. 1 Satz 1 BGB nach der Hauptverbindlichkeit des Schuldners richtet. Entsprechend setzt die (akzessorische) Haftung des Bürgen voraus, dass dem Gläubiger zugleich ein Anspruch gegen den Hauptschuldner zusteht. Zudem kommt das Wiederaufleben der Forderung durch Rückgewähr der angefochtenen Leistung gemäß § 144 Abs. 1 InsO nur in Betracht, soweit die damalige Schuldnerleistung anfechtbar ist; ist die zurückgewährte Leistung aber nicht auf Basis einer anfechtbaren Rechtshandlung erbracht worden, lebt die Forderung des Hauptschuldners und damit, akzessorisch, auch die Forderung gegenüber dem Bürgen nicht wieder auf. Die Darlegungs- und Beweislast für die Anfechtbarkeit einer Leistung im Rahmen des § 144 Abs. 1 InsO liegt beim Gläubiger. Etwaige Unsicherheiten der Beweisbarkeit gehen zu seinen Lasten, weil nach den allgemeinen Beweisregeln („Günstigkeitsprinzip“) jede Seite die für sie maßgeblichen Umstände darzulegen und zu beweisen hat: Der Gläubiger hat gemäß § 765 Abs. 1 BGB den Grund für die Bürgenhaftung, also das Bestehen und die Fälligkeit der Hauptverbindlichkeit, somit das Wiederaufleben der Forderung nach § 144 Abs. 1 InsO und damit verbunden die dem Wiederaufleben zugrunde liegende Anfechtung gemäß den §§ 129 ff. InsO im Verhältnis zum Hauptschuldner darzulegen und zu beweisen, weil aus dem Grundsatz der Akzessorietät der Bürgschaft dieselbe Verteilung von Darlegungs- und Beweislast im Verhältnis Gläubiger – Bürge folgt, wie im Verhältnis Gläubiger – Hauptschuldner. Im Verhältnis Gläubiger – Hauptschuldner wäre das Wiederaufleben der Forderung eine vom Gläubiger zu beweisende, keinesfalls anspruchsbeseitigende Tatsache, da die Anfechtbarkeit der Forderung für das Wiederaufleben i.S.d. § 144 Abs. 1 InsO notwendige Voraussetzung ist, mithin anspruchsbegründend. Folgerichtig kann im Verhältnis Gläubiger – Bürge nichts anders gelten, weil das Bestehen einer Verbindlichkeit aus dem Verhältnis Gläubiger – Hauptschuldner notwendige Voraussetzung für die Bürgenhaftung gemäß § 765 Abs. 1 BGB ist. Eine Ausnahme besteht, entsprechend der in der ZPO vorgesehenen Möglichkeiten nur, wenn der Gläubiger die Bindewirkung eines vorher geführten Anfechtungsprozesses (gegen den Hauptschuldner) mittels Streitverkündung gemäß den §§ 72 ff. ZPO auf den Bürgen erstreckt hat. Unterlässt er diese aber oder findet überhaupt kein Prozess gegen den Hauptschuldner statt, sind die Anspruchsvoraussetzungen im Prozess gegen den Bürgen der gerichtlichen Kontrolle vollumfänglich zugänglich. Hierbei stehen dem Bürgen sämtliche Möglichkeiten zu, sich gegen eine Inanspruchnahme durch den Gläubiger zu wehren; dies erfasst insbesondere auch das Bestreiten der Hauptforderung, somit die Anfechtbarkeit der rückgewährten Leistung. Die Bürgschaft als solche führt für sich genommen nicht zu einem Gutglaubensschutz zugunsten des Gläubigers. Die freiwillige Herausgabe einer Leistung aufgrund eines Anfechtungsbegehrens begründet das von Anfechtungsgegner zu tragende Risiko, dass die Leistung rechtsgrundlos erfolgte. Eine erleichterte Beweisführung zugunsten des Gläubigers kommt dabei nicht in Betracht, da der Sinn und Zweck der Bürgschaft in der Sicherung der Forderung gegen den Hauptschuldner liegt. Der Sicherungszweck erfasst gerade nicht das Wiederaufleben der Forderung in Fällen der Rückgewähr der Leistung gemäß § 144 Abs. 1 InsO. Der Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin war nicht mit der erforderlichen Sicherheit anzunehmen, weil die Schuldnerin von einer nachhaltigen Befreiung ihrer zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Zahlungsunfähigkeit ausgehen durfte. Dies folgte bereits aus dem Vertragsschluss hinsichtlich der stillen Gesellschaft, durch den die Insolvenzschuldnerin mit einer erheblichen, die finanziellen Schwierigkeiten ausgleichenden Einlage rechnen durfte.
- C.
Kontext der Entscheidung Der Entscheidung des BGH ist uneingeschränkt zuzustimmen, handelt es sich doch um eine konsequente Anwendung der Grundsätze zur Darlegungs- und Beweislast. Dass dem Gläubiger der Beweis für die anspruchsbegründenden Tatsachen obliegt, ist ein seit langem anerkannter Grundsatz und überzeugt. In der Folge hat der Gläubiger die Anfechtbarkeit der Leistung des Insolvenzschuldners an ihn zu beweisen. Das ergibt sich bereits aus dem Verständnis der Bürgenhaftung, welche eine Hauptverbindlichkeit des Schuldners voraussetzt. Jene ist anspruchsbegründend und daher vom Gläubiger darzulegen und zu beweisen. Da im Hauptverhältnis, d.h. zum Schuldner, das Wiederaufleben der Forderung nach § 144 Abs. 1 InsO die darzulegende und zu beweisende (Haupt-)Verbindlichkeit ist, die ihrerseits eine anfechtbare Rechtshandlung i.S.d. §§ 129 ff. InsO verlangt, ist es ein Automatismus der Darlegungs- und Beweislast, dass der Gläubiger inzident auch die Voraussetzungen der angefochtenen Rechtshandlung für die Hauptverbindlichkeit im Verhältnis zum Bürgen darzulegen und zu beweisen hat. Zwar hat dies zur Folge, dass der Gläubiger damit belastet wird, die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung zu beweisen. Dieses Problem ergibt sich sonst aber in gleicher Weise zulasten des Insolvenzverwalters, wenn dieser (prozessual) die Rückforderung einer Leistung im Wege der Anfechtung verlangt. Auch für diesen bestehen keine weiter gehenden Beweiserleichterungen für die anspruchsbegründenden Tatsachen i.S.d. §§ 129 ff. InsO. Nichts anderes hat für den Gläubiger zu gelten, wenn er seine Forderung, gestützt auf § 144 Abs. 1 InsO, geltend macht. Gewisse „Härten“ und Schwierigkeiten in der Beweisführung sind dabei hinzunehmen – diese sind dem Beweis subjektiver Tatsachen immanent und für jeden Gläubiger, gleich ob Insolvenzverwalter oder Gläubiger, eine Hürde, die es zu nehmen gilt, wenn sein Anspruch von inneren Tatsachen abhängt. Eine Sonderbehandlung rechtfertigt sich allein daraus nach zutreffender Ansicht des BGH nicht. Zuzustimmen ist dem BGH auch darin, dass eine Ausnahme hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast nicht anzunehmen ist. Der Gesetzgeber hat die Fälle der Beweislastumkehr gesetzlich geregelt (z.B. § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB) oder in Fallgruppen (so die Produzentenhaftung) anerkannt, in denen sich der darlegungs- und beweisbelastete Gläubiger aufgrund eines strukturellen Nachteils nicht zur Erbringung des Beweises in der Lage sieht, weil er keine Einsicht in die internen Abläufe des Schuldners hat. Das ist bei einem normalen Bürgschaftsanspruch aber nicht der Fall. Durch die Bürgschaft wird dem Gläubiger lediglich eine Sicherung für seine Forderung eingeräumt; es bestehen keine irgendwie gearteten internen, für den Gläubiger nicht erkennbaren Abläufe, durch die er eine besondere Schutzwürdigkeit erlangt, welche eine Abweichung von den allgemeinen Prinzipien erforderlich macht. Demnach kann sich, wie der BGH festgestellt hat, aus dem Sicherungszweck der Bürgschaft für die Darlegungs- und Beweislast nichts Gegenteiliges ergeben.
- D.
Auswirkungen für die Praxis Die Entscheidung des BGH entfaltet weit über den Bereich des Insolvenzrechts hinaus Signalwirkung, da die Frage der Beweislast für das Bestehen der Hauptverbindlichkeit eine allgemeine Fragestellung des Zivilrechts ist. Gleichwohl kommt die Entscheidung nicht überraschend, da es sich im Ergebnis doch „nur“ um eine stringente Anwendung der Beweislastgrundsätze handelt. Den durch eine Bürgschaft gesicherten Anfechtungsgegnern ist zu empfehlen, den Bürgen frühzeitig in die Anfechtung von Tilgungen der Hauptforderung einzubinden. Nur wenn letztlich ein dreiseitiger Anfechtungsvergleich zwischen dem Bürgen, dem Gläubiger und dem Insolvenzverwalter gelingt oder vor einer Vergleichsvereinbarung zwischen dem Gläubiger mit dem Insolvenzverwalter eine entsprechende Vereinbarung zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger gelingt, kann dem Gläubiger geraten werden, sich mit dem Insolvenzverwalter auf einen Anfechtungsvergleich zu verständigen oder dem Rückzahlungsbegehren des Insolvenzverwalters nachzukommen. Anderenfalls sollten die Berater und Entscheider auf Seiten des durch eine werthaltige Bürgschaft gesicherten Anfechtungsgegners auf eine gerichtliche Entscheidung des Anfechtungsrechtsstreites hinwirken. Dies empfiehlt sich schon zur Vermeidung einer eigenen Haftung der Berater oder bei internen Entscheidern sogar zur Vermeidung einer sonst möglicherweise vorliegenden strafbaren Untreue zulasten des Anfechtungsgegners. In dem Anfechtungsrechtsstreit mit dem Insolvenzverwalter sollten durch eine Bürgschaft gesicherte Gläubiger dem Bürgen den Streit gemäß den §§ 72 ff. ZPO verkünden. So kann gewährleistet werden, dass die Feststellungen im Anfechtungsprozess im Verhältnis zum Bürgen Bindewirkung erzeugen. Der Bürge kann sich damit gegen das Wiederaufleben der Forderung nach § 144 Abs. 1 InsO und damit inzident gegen das Vorliegen des Rückgewähranspruches nach § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO als Nebenintervenient nach § 66 ZPO verteidigen. Gegen die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft kann sich der Bürge dann nicht mehr durch schlichtes Bestreiten, dass die Hauptforderung wiederaufgelebt sei, verteidigen. Insolvenzverwalter werden damit rechnen müssen, dass die außergerichtliche, schnelle Durchsetzung der Anfechtung von durch eine Bürgschaft gesicherten Zahlungen schwieriger wird. Es muss nicht nur der eigentliche Anfechtungsgegner, der vielleicht als Profigläubiger mehr Verständnis für das Anfechtungsrecht mitbringt, sondern auch der unter Umständen insolvenzrechtlich unerfahrene Bürge vom Vorliegen der Anfechtungsvoraussetzungen überzeugt werden. Wenn sich ein Fall der Streitverkündung abzeichnet, kann der Insolvenzverwalter auch darüber nachdenken, ob nicht gegen den Bürgen gleichzeitig ein Anfechtungsanspruch nach § 135 InsO besteht und direkt den in anfechtbarer Weise befriedigten Gläubiger und den Bürgen gesamtschuldnerisch in Anspruch nehmen (BGH, Urt. v. 29.11.2007 - IX ZR 165/05 - ZIP 2008, 372; BGH, Urt. v. 19.01.2012 - IX ZR 2/11 - BGHZ 192, 221).
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