Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Parteien stritten um Urlaubsabgeltung. Die Klägerin war bei der Beklagten kurzzeitig (vom 01.12.2020 bis zum 12.03.2021) beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthielt u.a. Folgendes:
„Der MA erhält kalenderjährlich einen gesetzlichen Urlaub von 20 Arbeitstagen und einen zusätzlichen vertraglichen Urlaub von fünf Arbeitstagen. Der vertragliche Urlaub wird anteilig, d.h. pro Monat ein Zwölftel, gewährt. Der vertragliche Urlaub verfällt, wenn dieser im Übertragungszeitraum z.B. wegen einer Arbeitsunfähigkeit des MA nicht genommen werden kann. Im Übrigen erfolgt eine etwaige Urlaubsabgeltung im Fall einer Beendigung des Anstellungsverhältnisses nur bis zur Höhe des gesetzlichen Urlaubsanspruchs.
[…]
1. Alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit gegenüber dem Vertragspartner in Textform geltend gemacht und im Falle der Ablehnung oder dem Fristablauf durch den Vertragspartner innerhalb von weiteren drei Monaten eingeklagt werden. Hiervon unberührt bleiben Ansprüche, die auf Handlungen wegen Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruhen sowie Ansprüche wegen einer Verletzung von Leben, Körper oder Gesundheit sowie bei grobem Verschulden.
2. Die Ausschlussfrist gilt nicht für den Anspruch eines Arbeitnehmers auf den gesetzlichen Mindestlohn. Über den Mindestlohn hinausgehende Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers unterliegen hingegen der vereinbarten Ausschlussfrist.“
Die Beklagte gewährte der Klägerin während des Beschäftigungsverhältnisses drei Tage Urlaub. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses machte die Klägerin erstmals am 14.04.2021 gegenüber der Beklagten mittels E-Mail einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung geltend. Mit Klage vom 30.09.2021 machte die Klägerin eine Urlaubsabgeltung dann gerichtlich geltend.
Die Klage hatte vor der 24. Kammer des ArbG Berlin Erfolg.
Nach Auffassung der Kammer sei während der Beschäftigung zunächst der vertragliche Mehrurlaub gewährt worden, so dass mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch der gesetzliche Urlaubsanspruch bestand, der abzugelten ist. Da die Beklagte keine Tilgungsbestimmung bei der Urlaubsgewährung getroffen habe, sei nach § 366 Abs. 2 BGB zunächst der vertragliche Urlaubsanspruch gewährt worden. Im Gegensatz zum gesetzlichen Urlaubsanspruch handle es sich bei vertraglichem Mehrurlaub um diejenige Schuld, die dem Arbeitnehmer weniger Sicherheit bietet, da § 13 BUrlG für den vertraglichen Mehrurlaub nicht gilt.
Der Urlaubsabgeltungsanspruch sei auch nicht aufgrund der Ausschlussklausel erloschen. Nach Auffassung der Kammer ist die Ausschlussklausel unwirksam, da sie sich nur auf den gesetzlich unverzichtbaren Mindestlohnanspruch bezieht, nicht jedoch auf weitere unverzichtbare Ansprüche, wie die Entgeltfortzahlung (§ 12 EFZG) oder Urlaub (§ 13 BUrlG). Nach Auffassung der Kammer führt dieser Umstand zur Unwirksamkeit der Ausschlussklausel insgesamt.
Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts ist rechtskräftig, so dass diese erst einmal in der Welt bleibt. Für die (vorsichtige) Beratungs- und Gestaltungspraxis heißt es deshalb, die Arbeitsvertragsmuster ggf. in zweierlei Hinsicht nachzuschärfen: Die Urlaubsklausel ist um eine Tilgungsbestimmung zu erweitern, um so Klarheit über die vorrangige Erfüllung des gesetzlichen (oder vertraglichen) Urlaubsanspruchs zu schaffen.
Zum anderen ist die Ausschlussklausel dahingehend zu formulieren, dass sie sich nicht allein auf den unverzichtbaren Mindestlohnanspruch beschränkt, sondern sich auf alle (einschlägigen, BAG, Urt. v. 24.09.2019 - 9 AZR 273/18) unverzichtbaren Ansprüche bezieht.