Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
I. Die in der Türkei ansässige Klägerin vertreibt türkischen Kaffee sowohl in der Türkei als auch – über eine Distributorin – in der Europäischen Union (im Folgenden: EU). Sie ist Inhaberin einer international registrierten Wort-Bild-Marke, deren Schutz seit dem 01.03.2010 auf die EU erstreckt wurde.
Die in Deutschland ansässige Beklagte ist eine Lebensmittelgroßhändlerin. Sie importiert von der Klägerin hergestellten und in der Türkei in den Verkehr gebrachten Kaffee nach Deutschland und liefert diesen in den mit der Marke der Klägerin versehenen Kaffeedosen an verschiedene Einzelhändler.
Die Klägerin erhob nach erfolgloser Abmahnung Klage und begehrte Verurteilung der Beklagten zu Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz sowie Erstattung von Abmahnkosten.
Das Landgericht hat der Klage – mit Ausnahme des im Rahmen der Auskunft beantragten Wirtschaftsprüfervorbehalts hinsichtlich nichtgewerblicher Abnehmer und Angebotsempfänger – stattgegeben.
Das Berufungsgericht hat die Berufung hiergegen zurückgewiesen. Es hat den von der Beklagten erhobenen Erschöpfungseinwand zurückgewiesen und ausgeführt, durch das Inverkehrbringen der Produkte in der Türkei sei auch vor dem Hintergrund der Regelungen in dem Abkommen vom 12.09.1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (im Folgenden: Assoziierungsabkommen) nebst Zusatzprotokollen und Beschlüssen des Assoziationsrats im Verhältnis zur Beklagten keine markenrechtliche Erschöpfung eingetreten.
II. Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision war erfolglos.
Auch der BGH hat eine Erschöpfung der Rechte aus der Klagemarke verneint. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union trete Erschöpfung nicht für solche Waren ein, die vom Markeninhaber oder mit dessen Zustimmung außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (im Folgenden: EWR) unter dieser Marke in den Verkehr gebracht worden seien.
Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht vor dem Hintergrund der Regelungen der Art. 21, 22 Abs. 1 und 29 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen (im Folgenden: Zusatzprotokoll) und der Art. 5 und 7 des Beschlusses Nr. 1/95 des Assoziationsrats (im Folgenden: Beschluss des Assoziationsrats).
Nach Art. 21 des Zusatzprotokolls seien mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Vertragsparteien zwar verboten und dürften die Vertragsparteien nach dessen Art. 22 Abs. 1 untereinander keine neuen mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen oder Maßnahmen gleicher Wirkung einführen. Diese Vorschriften hätten auch unmittelbare Wirkung mit der Folge, dass die Beklagte sich hierauf berufen und geltend machen könne, es handle sich bei der Beschränkung der Erschöpfungswirkung nach Art. 13 Abs. 1 GMV (Art. 15 Abs. 1 UMV) um eine verbotene mengenmäßige Einfuhrbeschränkung oder Maßnahme gleicher Wirkung.
Nach Art. 29 des Zusatzprotokolls gelte dies jedoch nicht für solche Beschränkungen, die zum Schutz des gewerblichen oder kommerziellen Eigentums gerechtfertigt seien. Diese Verbote oder Beschränkungen dürften jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Vertragsparteien darstellen. Gleiches gelte nach Art. 5 des Beschlusses. Die Beschränkung der Erschöpfung des Markenrechts nach Art. 13 Abs. 1 GMV (Art. 15 Abs. 1 UMV), die während der Geltung des Zusatzprotokolls in Kraft getreten sei, sei eine solche grundsätzlich verbotene Maßnahme gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen, die aber nach Art. 29 Satz 1 des Zusatzprotokolls und Art. 7 Satz 1 des Beschlusses des Assoziationsrats zum Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sei.
Das Assoziierungsabkommen verfolge anders als der EWG-Vertrag nicht das Ziel der Errichtung eines Binnenmarktes; eine Rechtsangleichung werde lediglich in Teilbereichen und eine vollständige Übernahme der Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag durch die Türkei nur unter bestimmten Voraussetzungen in Aussicht genommen.
Anders als Art. 4 des Beschlusses des Assoziationsrats, der die vollständige Beseitigung von Zöllen und Abgaben gleicher Wirkung vorsehe, gelte das in Art. 5 des Beschlusses des Assoziationsrats geregelte, mit Art. 34 AEUV inhaltlich übereinstimmende Verbot mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen sowie Maßnahmen gleicher Wirkung von vornherein nicht uneingeschränkt. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Istanbul Lojistik (EuGH, Urt. v. 19.10.2017 - C-65/16) könne daher auf den Streitfall nicht übertragen werden.
Die in Art. 13 Abs. 1 GMV (Art. 15 Abs. 1 UMV) enthaltene Beschränkung der Erschöpfungswirkung sei verhältnismäßig und stelle weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels dar. Die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Freizügigkeit von Arbeitnehmern erforderliche strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung könne weder auf Art. 29 des Zusatzprotokolls noch auf Art. 7 des Beschlusses des Assoziationsrats übertragen werden. Diese Regelungen stellten für Einfuhrbeschränkungen zum Schutz gewerblichen oder kommerziellen Eigentums keine besonderen Voraussetzungen auf, sondern stellten ausschließlich auf den Zweck der in Rede stehenden Maßnahme ab. Damit reiche es für eine Rechtfertigung von Einfuhrbeschränkungen i.S.v. Art. 29 des Zusatzprotokolls, dass die Beschränkung der Reichweite der Erschöpfung dazu diene, es dem Markeninhaber zu ermöglichen, das erste Inverkehrbringen der mit der Marke versehenen Waren in den EWR zu kontrollieren.
Der Rechtszustand im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Assoziierungsabkommens sei für die Erschöpfung hingegen nicht maßgebend. Diese Rechtsansicht würde zu einer Zersplitterung der Erschöpfungswirkung und damit zu einer Behinderung des freien Warenverkehrs führen. So würde im Verhältnis der Türkei zu Deutschland nach der früheren Rechtsprechung des BGH noch der bei Inkrafttreten des Zusatzprotokolls geltende Grundsatz der internationalen Erschöpfung Anwendung finden, nach dem ein Zeicheninhaber die Einfuhr seiner unveränderten Originalware nicht untersagen könne, wenn er die Ware im Ausland mit dem Zeichen versehen in den Verkehr gebracht habe. Dies stünde zu dem in Art. 2 des Assoziierungsabkommens formulierten Ziel, die Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien zu fördern, in Widerspruch.
Art. 10 Abs. 2 des Anhangs 8 zum Beschluss des Assoziationsrats, wonach dieser Beschluss eine Erschöpfung der Rechte an geistigem, gewerblichem und kommerziellem Eigentum nicht vorsehe, sei lediglich eine Klarstellung, die der geltenden Rechtslage entspreche.
Kontext der Entscheidung
I. Es handelt sich, soweit ersichtlich, um die erste Entscheidung des BGH zu der Frage der Erschöpfung der Markenrechte im Verhältnis zwischen dem EWR und der Türkei.
Der EWR ist eine Freihandelszone zwischen der EU und den Ländern Island, Liechtenstein und Norwegen. Die Türkei ist jedoch weder Mitglied des EWR noch der EU; sie ist seit 1999 in Bezug auf die EU lediglich Beitrittskandidatin.
Diesen Beitritt zur EU sollte das Assoziierungsabkommen zwischen der Türkei und den Ländern des EWR vorbereiten. Das Assoziierungsabkommen ist zwar auf Errichtung einer Zollunion gerichtet und weist damit ein ausschließlich wirtschaftliches Ziel auf (vgl. EuGH, Urt. v. 24.09.2013 - C-221/11 Rn. 50 - NVwZ 2013, 1465 „Demirkan“; EuGH, Urt. v. 08.12.2011 - C-371/08 Rn. 64 - NVwZ 2012, 422 „Ziebell“). Die wirtschaftliche Stärkung der Türkei schafft jedoch eine der Voraussetzungen für ihren Beitritt zur EU. Daneben ist eine Angleichung von Rechtsvorschriften ebenfalls Bedingung für einen Beitritt; eine solche Rechtsangleichung ist teilweise bereits im Assoziierungsabkommen vorgesehen.
Dieses Assoziierungsabkommen sah insgesamt drei Zeiträume vor; die Endphase ist die Errichtung der Zollunion, die mit dem Beschluss des Assoziationsrats auch eingeläutet wurde. Allerdings ist auch die Errichtung der Zollunion wieder ins Stocken geraten: Der Beschluss des Assoziationsrats begründet die Zollunion – neben den Ländern Island, Liechtenstein und Norwegen – nur in Gestalt der damaligen EU. Nachdem die EU im Jahr 2004 zehn neue Mitglieder aufgenommen hatte, sollte die Zollunion mit der Türkei auf diese erstreckt werden. Ein entsprechendes Zusatzprotokoll zum Assoziierungsabkommen ist auch unterzeichnet, allerdings nicht ratifiziert worden, weil die Türkei einen einseitigen Vorbehalt erklärt hat, wonach sie die Republik Zypern, eines der neuen Mitglieder der EU, völkerrechtlich nicht anerkennt. Damit dürfte auch ein Beitritt der Türkei zur EU in weite Ferne gerückt sein.
II. Umso wichtiger ist es, die Frage zu klären, welche Wirkungen dem Assoziierungsabkommen und seinen Zusatzprotokollen auf das Markenrecht, insbesondere die Frage der Erschöpfung von Markenrechten, zukommen.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, der sich auch der BGH angeschlossen hat, werden die Markenrechte nur durch ein Inverkehrbringen innerhalb des EWR erschöpft. Der Markeninhaber, der seine Waren außerhalb des EWR in den Verkehr gebracht hat, kann sich nach wie vor gegen Importe in den EWR zur Wehr setzen. Dieser Grundsatz der auf das Gebiet des EWR begrenzten Erschöpfung der Markenrechte ergibt sich so auch aus Art. 15 Abs. 1 UMV.
Im Verhältnis zwischen den Ländern des EWR und der Türkei kann damit grundsätzlich eine Erschöpfung der Markenrechte nicht eintreten.
2. Vorliegend stellte sich die Frage, ob etwas anderes aus dem Assoziierungsabkommen und seinen Zusatzprotokollen sowie den Beschlüssen des Assoziationsrats folgt. Diese Frage hat der BGH zu Recht verneint.
a) Auch wenn viele Vorschriften des Assoziierungsabkommens und seiner Zusatzprotokolle den Vorschriften des EG-Vertrages nachgebildet sind bzw. ihnen wörtlich entsprechen, können sie nicht ebenso ausgelegt werden wie diese, wenn es um die Bestimmung des Umfangs der aus ihnen folgenden Rechte geht. Sinn und Zweck des Assoziierungsabkommens ist nämlich die Errichtung einer Zollunion zwischen den Ländern des EWR und der Türkei; diese ist nicht gleichzusetzen mit dem durch die EU beabsichtigten Zusammenschluss der nationalen Märkte zu einem Markt, der die Merkmale eines Binnenmarktes aufweist (vgl. EuGH, Urt. v. 09.02.1982 - C-270/80 Rn. 15 f., 18 - NJW 1982, 1208 „Polydor/Harlequin Record Shops“). Daher sind die innerhalb der EU geltenden Grundsätze zur Erschöpfung der Markenrechte nicht auf das Verhältnis zwischen den Ländern des EWR und der Türkei übertragbar.
Die Zollunion soll zwar ebenso wie der Binnenmarkt den Handel zwischen den Mitgliedern vereinfachen und Handelshemmnisse abbauen. Sie ist jedoch nicht so weitgehend wie ein Binnenmarkt. Ein Assoziierungsabkommen schafft lediglich besondere und privilegierte Beziehungen mit einem Drittstaat, der auf eine teilweise Teilhabe des Drittstaats am Gemeinschaftssystem gerichtet ist (vgl. EuGH, Urt. v. 30.09.1987 - C-12/86 Rn. 9 - Slg 1987, I-3719 „Demirel“).
Dementsprechend hat der Europäische Gerichtshof in der Entscheidung „Polydor/Harlequin Record Shops“ (EuGH, Urt. v. 09.02.1982 - C-270/80 Rn. 21 - NJW 1982, 1208) den Grundsatz der Erschöpfung im Verhältnis zwischen dem EWR und dem damaligen Nicht-Mitglied Portugal verneint.
Nichts anderes kann daher auch für die Zollunion mit der Türkei gelten. Die Zollunion mag weitergehen als ein Freihandelsabkommen und damit auch als der EWR (Pinar, GRUR Int 2004, 101, 103). Sie entspricht jedoch ebenso nicht dem mit der EU angestrebten Binnenmarkt. Es gibt auch hier keine äquivalenten Instrumente zur Herstellung eines gemeinsamen Marktes und insbesondere zur Ausübung einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik, die über die Abschaffung von Zöllen weit hinausgeht. Die EU ist auch nicht verpflichtet, die Türkei ebenso wie den EWR in ihren gemeinsamen Markt einzubeziehen, wenn es um die Frage der Erschöpfung von Markenrechten geht.
b) Art. 22 des Zusatzprotokolls steht einer Nichtanwendung des Erschöpfungsgrundsatzes im Verhältnis zwischen dem EWR und der Türkei ebenfalls nicht entgegen.
Art. 22 des Zusatzprotokolls sieht vor, dass die Vertragsparteien, also die Länder des EWR und die Türkei, keine neuen mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen oder Maßnahmen gleicher Wirkung einführen.
aa) Um eine solche Maßnahme gleicher Wirkung handelt es sich bei der Regelung der Erschöpfung in Art. 15 Abs. 1 UMV jedoch grundsätzlich (vgl. EuGH, Urt. v. 09.02.1982 - C-270/80 Rn. 7 - NJW 1982, 1208 „Polydor/Harlequin Record Shops“). Denn der Umstand, dass eine Erschöpfung nicht uneingeschränkt durch Inverkehrbringen der mit der Marke versehenen Ware eintritt (damit die Ablehnung des Grundsatzes der internationalen Erschöpfung), stärkt zwar die Rechte des Markeninhabers, geht jedoch zulasten von Parallelimporteuren und führt damit zugleich zur Einschränkung des Handels zwischen den Vertragsparteien. Anders formuliert: Des einen Freud ist des anderen Leid.
bb) Diese Einschränkung ist auch zeitlich nach Abschluss des Assoziierungsabkommens durch die EU eingeführt worden. Art. 13 GMV ist erst am 15.03.1994 eingeführt worden und wird damit, ebenso wie Art. 15 UMV, in zeitlicher Hinsicht von der Stillhalteklausel des Art. 22 des Zusatzprotokolls erfasst.
cc) Die Stillhalteklausel ist jedoch nicht unbedingt formuliert. Sie schließt nach Art. 29 des Zusatzprotokolls solche neuen Einfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung unter anderem dann nicht aus, wenn diese dem Schutz der Markenrechte dienen, verhältnismäßig sind und weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels darstellen.
Der BGH hat entschieden, dass die Regelungen in Art. 13 GMV und Art. 15 Abs. 1 UMV diese Voraussetzungen erfüllen. Dem ist zuzustimmen.
(1) Es ist schon fraglich, ob die Regelung in Art. 15 Abs. 1 UMV bzw. Art. 13 GMV bei teleologischer Auslegung überhaupt der Stillhalteklausel in Art. 22 des Zusatzprotokolls unterfällt:
Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Assoziierungsabkommens war die Rechtslage in den Mitgliedsländern der EU uneinheitlich. In Deutschland galt zwar der Grundsatz der internationalen Erschöpfung, der somit für den Handel günstiger war als die jetzige Regelung. Dies galt jedoch nicht für alle Mitgliedsländer. Ein Beibehalten des Status quo würde daher zu einer Zersplitterung der Rechtslage im Vergleich zu den einzelnen Mitgliedsländern der EU führen.
Dass dies durch das Zusatzprotokoll und dessen Art. 22 nicht gewollt war, ergibt sich schon daraus, dass Vertragsparteien des Assoziierungsabkommens und damit auch des Zusatzprotokolls nicht die einzelnen Mitgliedstaaten der EU waren, sondern die EU als Mitglied des EWR. Gerade vor dem Hintergrund, dass das Assoziierungsabkommen den Beitritt der Türkei zur EU vorbereiten sollte, entspräche eine solche Zersplitterung der Rechtslage nicht den Zielen des Abkommens: Bleibt es bei der unterschiedlichen Rechtslage im Hinblick auf die Mitgliedstaaten, beeinträchtigt dies bereits den Binnenmarkt innerhalb der EU. Denn mit einer in der EU geschützten Marke versehene Waren aus der Türkei dürften nur in solche Mitgliedstaaten parallel importiert werden, die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Assoziierungsabkommens den Grundsatz der internationalen Erschöpfung kannten. Damit ist bereits der Binnenmarkt innerhalb der EU gefährdet. Die Errichtung einer Zollunion mit der Türkei dient jedoch als Vorbereitungshandlung zu einem Beitritt der Türkei zur EU und damit auch zu deren Binnenmarkt. Auch die Türkei hat damit ein Interesse an der Herstellung und Aufrechterhaltung des Binnenmarktes innerhalb der EU. Es spricht daher viel dafür, dass die Stillhalteklausel einer Vereinheitlichung der innerhalb der EU geltenden Regelungen zwecks Herstellung des Binnenmarktes nicht entgegenstehen wollte.
(2) Unabhängig davon stellt sich diese Regelung jedenfalls als verhältnismäßig dar. Sie führt zwar zu einer Abschottung des europäischen Marktes vom türkischen Markt, ist jedoch vor dem Hintergrund des Markenschutzes gerechtfertigt. Dies gilt umso mehr, berücksichtigt man, dass nach wie vor erhebliche Preisunterschiede zwischen dem europäischen und dem türkischen Markt bestehen dürften, die sich zulasten des Markeninhabers auswirken würden.
Sie ist auch nicht diskriminierend. Wie man an der vorliegenden Entscheidung sehen kann, stärkt sie durchaus auch Markenrechte von türkischen Unternehmen, solange diese Inhaber einer europäischen Marke sind.
3. Entgegen der Ansicht von Pinar (GRUR Int 2004, 101, 105 f.) folgt auch nichts anderes aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Assoziierungsabkommen.
a) In der Entscheidung „Ziebell“ (EuGH, Urt. v. 08.12.2011 - C-371/08 - NVwZ 2012, 422) ging es um die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Ein türkischer Staatsangehöriger, der als Sohn eines türkischen Arbeitnehmers in Deutschland geboren und aufgewachsen war, wehrte sich gegen seine Abschiebung aufgrund der von ihm in der Vergangenheit begangenen schweren Straftaten.
Der EuGH urteilte, dass Herr Ziebell sich lediglich auf diejenigen Regeln berufen durfte, die für Drittstaatsangehörige allgemein gelten. Er hat ausdrücklich ausgeführt, dass Art. 14 Abs. 1 des Beschlusses des Assoziationsrats nicht denselben Ausweisungsschutz gewährt wie die entsprechende innergemeinschaftliche Vorschrift (Art. 28a Abs. 3 der Richtlinie 2004/38) einem Unionsbürger (EuGH, Urt. v. 08.12.2011 - C-371/08 Rn. 86 - NVwZ 2012, 422 „Ziebell“).
Uneingeschränkt wird die Freizügigkeit (und damit auch der Schutz vor Ausweisung) nur dem Arbeitnehmer selbst, nicht jedoch auch seinen Familienangehörigen gewährt.
Dies unterstreicht also im Gegenteil, dass das Assoziierungsabkommen in seinen Wirkungen hinter den Gemeinschaftsvorschriften zurückbleibt.
b) In der Entscheidung „Demirkan“ (EuGH, Urt. v. 24.09.2013 - C-221/11 - NVwZ 2013, 1465) ging es um die Frage, ob eine türkische Staatsangehörige, die ihren deutschen Stiefvater in Deutschland besuchen wollte, unter die Visumspflicht fiel. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Assoziierungsabkommens bestand in Deutschland keine Visumspflicht für Besuchsaufenthalte. Eine solche allgemeine Visumspflicht wurde in Deutschland erst 1980 eingeführt. Frau Demirkan argumentierte, die Einführung der Visumspflicht verstoße gegen die Stillhalteklausel aus Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls, da sie als Empfängerin von Dienstleistungen die passive Dienstleistungsfreiheit in Anspruch nehmen wolle.
Für das Unionsrecht ist seit der Entscheidung des EuGH „Luisi und Carbone/Ministero del Tesoro“ (Urt. v. 31.01.1984 - C-286/82 und 26/83 Rn. 10 - NJW 1984, 1288) anerkannt, dass die Dienstleistungsfreiheit nicht nur die aktive, sondern auch die passive Dienstleistungsfreiheit umfasst.
Der EuGH entschied, dass diese Auslegung jedoch nicht auf die Auslegung des Assoziierungsabkommens übertragen werden könne, weil es insbesondere aufgrund der Verbindung zwischen dem freien Dienstleistungsverkehr und der FreizügigkEuGH, Urt. v. 24.09.2013 - eit innerhalb der Union Unterschiede zwischen dem Assoziierungsabkommen und den Zusatzprotokollen einerseits und dem Vertrag andererseits gebe (C-221/11 Rn. 49 - NVwZ 2013, 1465 „Demirkan“). Ersteres sehe einen allgemeinen Grundsatz der Freizügigkeit nicht vor (EuGH, Urt. v. 24.09.2013 - C-221/11 Rn. 53 „Demirkan“). Im Rahmen des Unionsrechts beruhe der Schutz der passiven Dienstleistungsfreiheit dagegen auf dem Ziel, einen Binnenmarkt zu schaffen (EuGH, Urt. v. 24.09.2013 - C-221/11 Rn. 56 „Demirkan“). Es gebe keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Vertragsparteien des Assoziierungsabkommens bei deren Unterzeichnung davon ausgegangen seien, dass sich die hinsichtlich der Dienstleistungsfreiheit vereinbarte Stillhalteklausel auch auf die passive Dienstleistungsfreiheit beziehen solle (EuGH, Urt. v. 24.09.2013 - C-221/11 Rn. 59 f. „Demirkan“).
Auch insoweit hat der Europäische Gerichtshof also bestätigt, dass die Vorschriften des Assoziierungsabkommens nicht den gleichen Schutz gewähren wie die entsprechenden Vorschriften des EG-Vertrages.
c) Dem steht auch nicht die Entscheidung des EuGH in Sachen „Istanbul Lojistik“ (Urt. v. 19.10.2017 - C-65/16) entgegen.
aa) Diese Entscheidung erging im Rahmen eines Rechtsstreits über die Erhebung einer Kraftfahrzeugsteuer durch die ungarischen Behörden auf einen in der Türkei zugelassenen Lkw, der über Ungarn nach Deutschland reisen wollte.
In dieser Entscheidung führte der EuGH aus, dass die Erhebung einer Kraftfahrzeugsteuer auf in der Türkei zugelassene Fahrzeuge gegen Art. 4 des Beschlusses des Assoziationsrats verstoße. Die Zollunion verlange zwingend, dass der freie Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten gewährleistet sei. Der Warenverkehr wäre aber nicht vollkommen frei, wenn die Mitgliedstaaten die Durchfuhr der Waren durch ihr Gebiet in irgendeiner Weise be- oder verhindern könnten. Deshalb sei als Folge der Zollunion das Bestehen eines allgemeinen Grundsatzes der Freiheit der Warendurchfuhr innerhalb der Union anzuerkennen (EuGH, Urt. v. 19.10.2017 - C-65/16 Rn. 42 „Istanbul Lojistik“). Die Auslegung der Bestimmungen des AEU-Vertrags über den freien Warenverkehr innerhalb der Union lasse sich auf die Bestimmungen übertragen, die den freien Warenverkehr innerhalb der Zollunion mit der Türkei beträfen (EuGH, Urt. v. 19.10.2017 - C-65/16 Rn. 44 „Istanbul Lojistik“).
bb) Diese Entscheidung ist auf die Frage der Erschöpfung von Markenrechten nicht übertragbar.
(1) Der BGH hat zu Recht darauf abgestellt, dass die Entscheidung des EuGH die Auslegung von Art. 4 des Beschlusses des Assoziationsrats betrifft, der anders als Art. 5 (also das Verbot mengenmäßiger Einfuhrbeschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung) uneingeschränkt gelte.
(2) Dies hat seinen Grund im Übrigen auch in den unterschiedlichen Adressaten der Regelungen. Art. 4 des Beschlusses des Assoziationsrats betrifft Zölle und Abgaben gleicher Wirkung, damit Ansprüche des jeweiligen Mitgliedstaates auf Erzielung von Einnahmen aus Waren. Diese Rechte sind jedoch abschließend in dem Assoziierungsabkommen geregelt. Art. 5 hingegen erfasst auch Beschränkungen, die nicht unmittelbar durch die Mitgliedstaaten bzw. zu ihren Gunsten erfolgen, sondern – wie hier – zugunsten von Inhabern von Markenrechten, die sich der Einfuhr von Waren unter Berufung auf ihr Markenrecht widersetzen. Deren Rechte sind, wie sich auch aus Art. 10 Abs. 2 des Anhangs 8 zum Beschluss des Assoziationsrats ergibt, durch das Assoziierungsabkommen und die Zusatzprotokolle überhaupt nicht geregelt worden. Hier ist es also notwendig, einen Ausgleich zwischen den Interessen der Gewerbetreibenden an der Herbeiführung eines Binnenmarktes und den Interessen der Markeninhaber, das Inverkehrbringen ihrer Marken in den jeweiligen Märkten kontrollieren zu können, zu finden.