juris PraxisReporte

Autoren:Dr. Peter Kersandt, RA und FA für Verwaltungsrecht,
Daniel Schneider, RA
Erscheinungsdatum:17.04.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 3 BImSchV 4, § 1 BImSchG, § 3 BImSchG, § 7 BImSchG, § 48 BImSchG, § 12 BImSchG, § 823 BGB, § 31 BImSchG, § 4 UIG 2005, § 62 BImSchG, § 64 BImSchG, § 3a VwVfG, § 43 KrWG, § 42 KrWG, § 35 KrWG, § 39 KrWG, § 5 BImSchG, § 67 BImSchG, § 19 BImSchG, § 8 EnEfG, Anhang 1 BImSchV 4, EGRL 31/1999, EURL 2024/1785, EURL 75/2010
Fundstelle:jurisPR-UmwR 4/2025 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Ferdinand Kuchler, RA
Dr. Martin Spieler, RA
Zitiervorschlag:Kersandt/Schneider, jurisPR-UmwR 4/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Zum Stand der Umsetzung der novellierten Industrieemissionsrichtlinie in deutsches Recht

I. Hintergrund

Die Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.11.2010 über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung)1 (im Folgenden: IE-RL) stellt das wichtigste europäische Regelwerk für den anlagenbezogenen Immissionsschutz dar. Rund 55.000 Industrieanlagen in Europa, davon ca. 13.000 in Deutschland sind vom Anwendungsbereich der IE-RL umfasst. Betroffen sind besonders emissionsreiche Industriezweige wie die chemische Industrie, die Nahrungs- und Futtermittelindustrie, die rohstoffverarbeitende Industrie (mineralische Rohstoffe, Eisen- und Nichteisenmetalle, Holz), die Abfallbehandlung und -verbrennung, die Textil- und Lederindustrie sowie die Tierhaltung. Anlagen nach der IE-RL2 sind von dieser in allen „Lebensphasen“ erfasst, von der Planung und Genehmigung, über die Errichtung und den Betrieb, die Betriebseinstellung und Stilllegung bis zum Abschluss der Rückführung des Betriebsgrundstücks in den Ausgangszustand (vgl. § 5 Abs. 4 BImSchG).

Die IE-RL von 2010 wurde in 2024 durch die Richtlinie (EU) 2024/17853 (im Folgenden: IE-Änderungs-RL) revidiert. Die IE-Änderungs-RL ist am 04.08.2024 in Kraft getreten. Die Mitgliedstaaten haben bis zum 01.07.2026 Zeit, die notwendigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft zu setzen, um der IE-Änderungs-RL fristgerecht nachzukommen. Die Novelle der IE-RL ist im Zusammenhang mit dem European Green Deal zu sehen und zu verstehen. Dabei handelt es sich um ein im Jahr 2019 beschlossenes politisches Projekt der EU, die Wirtschaft der EU-Mitgliedstaaten bis 2050 zu transformieren und die Netto-Treibhausgasemissionen auf null zu reduzieren.4

Neben der Vermeidung und Verminderung der Schadstoffemissionen, die sich in der Festlegung von Emissionswerten manifestiert, nimmt der EU-Gesetzgeber mit der Novelle der IE-RL verstärkt Umweltthemen wie die Verwendung sichererer und weniger toxischer Chemikalien, die Abfallvermeidung, eine verbesserte Ressourceneffizienz, eine effektivere Umsetzung des Kreislaufprinzips, die Wasserwiederverwendung und die Dekarbonisierung in den Blick. Der medienübergreifende, „ganzheitliche“ Regelungsansatz der IE-Änderungs-RL geht insofern über den der Ursprungsrichtline von 2010 hinaus.5

II. Umsetzungsbedarf im deutschen Recht

Die novellierte IE-RL löst erheblichen Änderungsbedarf im deutschen Recht, vor allem im Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und in dessen untergesetzlichem Regelwerk, den Verordnungen zur Durchführung des BImSchG (BImSchVen) und der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft), aus.

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) hatte noch in der alten Legislaturperiode Referentenentwürfe eines Mantelgesetzes und einer Mantelverordnung vorgelegt, mit denen die IE-Änderungs-RL in das deutsche Recht umgesetzt werden soll.6 Die Länder- und Verbändeanhörung fand mit sehr kurzer Frist von sechs Wochen im Dezember 2024 / Januar 2025 statt. Ein Paket zur Anpassung von Verwaltungsvorschriften ist angekündigt; der Referentenentwurf des BMUV für die Anpassung der TA Luft liegt inzwischen vor.

Die Mantelverordnung bündelt die Novellierung verschiedener Rechtsverordnungen, vor allem der BImSchVen, aber z.B. auch der Ersatzbaustoffverordnung und der Deponieverordnung, in denen kleinere Änderungen wie Veröffentlichungspflichten und Folgeanpassungen umgesetzt werden sollen. Durch die Mantelverordnung soll zudem eine neue 45. BImSchV mit Managementvorgaben und Umweltleistungswerten in Industrieanlagen (IE-Managementverordnung) eingeführt werden. Für diese Anpassungen und Neuregelungen bedarf es erweiterter bzw. neuer Ermächtigungsgrundlagen im BImSchG. Ein Inkrafttreten der Mantelverordnung ist daher erst nach dem Inkrafttreten des Mantelgesetzes möglich.

Durch das Mantelgesetz sollen neben dem BImSchG auch das Bundesberggesetz (BBergG), das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) und das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) angepasst werden.

Die Umsetzung der neuen Anforderungen für Tierhaltungsanlagen, geregelt in den durch die IE-Änderungs-RL neu eingefügten Art. 70a ff. IE-RL, soll in Absprache mit der Europäischen Kommission und dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft voraussichtlich 2026 erfolgen.

III. Überblick über die geplanten Änderungen durch das Mantelgesetz

1. BImSchG

Die Novelle des BImSchG wird weitreichende Änderungen vor allem für die – beschleunigte – Umsetzung der besten verfügbaren Techniken (BVT) mit sich bringen. Der in den § 3 Abs. 6a bis Abs. 6e BImSchG konkretisierte Begriff der BVT ist nach der Legaldefinition in Art. 3 Nr. 10 IE-RL weiter als der „Stand der Technik“ i.S.v. § 3 Abs. 6 BImSchG. Die BVT i.S.d. IE-RL werden in BVT-Merkblättern für bestimmte industrielle Tätigkeiten konkretisiert. Den wichtigsten Teil der BVT-Merkblätter bilden die BVT-Schlussfolgerungen, weil diese gemäß den Art. 13 Abs. 5, 15 Abs. 3 IE-RL hinsichtlich der BVT-Emissionswerte verbindlich sind bzw. durch nationale untergesetzliche Regelungen und/oder Einzelfallentscheidungen für verbindlich erklärt werden.7

a) Gesetzeszweck (§ 1 BImSchG)

Der Gesetzeszweck soll durch eine Änderung von § 1 Abs. 2 BImSchG um die Dekarbonisierung, Verbesserung der Ressourceneffizienz und Förderung der Kreislaufwirtschaft erweitert werden. Verbindliche Rechtspflichten ergeben sich daraus nicht.

b) Umweltleistungswerte (§ 3 BImSchG)

Verbindliche Rechtspflichten werden dagegen aus den neuen Regelungen zur Einführung von sog. Umweltleistungswerten erwachsen. Dazu sollen die Begriffsbestimmungen zu den BVT in § 3 BImSchG erweitert werden. Konkret wird § 3 Abs. 6b BImSchG dahin gehend ergänzt, dass die BVT-Schlussfolgerungen auch die „mit den besten verfügbaren Techniken und Zukunftstechniken assoziierten Umweltleistungswerte“ und den Inhalt des Umweltmanagementsystems einschließlich etwaiger Umweltleistungsvergleichswerte enthalten.

„Zukunftstechniken“ ist bereits in § 3 Abs. 6e BImSchG definiert; die Definition soll jedoch um das Schutzgut der menschlichen Gesundheit ergänzt werden.

Die neuen, schwer zu greifenden Begriffe im Zusammenhang mit den Umweltleistungen sollen in neu eingefügten Absätzen des § 3 BImSchG in Anlehnung an die Begriffsbestimmungen der IE-Änderungs-RL legaldefiniert werden:

Danach ist „Umweltleistung“ im Sinne des Gesetzes „die Leistung in Bezug auf das Verbrauchsniveau, die Ressourceneffizienz in Bezug auf Materialien sowie auf Wasser- und Energieressourcen, die Wiederverwendung von Materialien und Wasser sowie das Abfallaufkommen“ (§ 3 Abs. 6g BImSchG-E). Umweltleistungswerte beziehen sich auf einzelne Prozesse mit ähnlichen Merkmalen, z.B. Energieträger, Rohstoffe, Produktionseinheiten und Endprodukte.8
Der sog. „Umweltleistungsvergleichswert“ ist als „die indikative Spanne der mit den besten verfügbaren Techniken assoziierten Umweltleistungswerte, die im Umweltmanagementsystem als Referenzwert zu benutzen sind“, zu verstehen (§ 3 Abs. 6i BImSchG-E).
„Mit den besten verfügbaren Techniken assoziierte Umweltleistungswerte“ wird definiert als „die Spanne von Umweltleistungswerten, die unter normalen Betriebsbedingungen unter Verwendung einer besten verfügbaren Technik oder einer Kombination von besten verfügbaren Techniken entsprechend der Beschreibung in den BVT-Schlussfolgerungen erzielt werden“ (§ 3 Abs. 6j BImSchG-E). Dabei handelt es sich konkret um Verbrauchswerte, auf Materialien sowie Wasser- und Energieressourcen bezogene Werte für Ressourceneffizienz und Wiederverwendung sowie um Abfallwerte und sonstige unter spezifischen Referenzbedingungen gemessene Werte.9

Die auf Basis der IE-RL erarbeiteten BVT-Schlussfolgerungen enthalten teilweise bereits Vorgaben zur Verbesserung der (allgemeinen) Umweltleistung der von ihnen erfassten Anlagen.10 Mit der IE-Änderungs-RL ist dieses Instrument nunmehr ausgebaut und branchenübergreifend mit dem Ziel, die bestmögliche Umweltleistung für die spezifischen Anlagen zu verwirklichen, eingeführt worden.11 Hinsichtlich der Auswirkungen für die Praxis bleibt die Umsetzung durch die jeweiligen BVT-Schlussfolgerungen bzw. deren Fortschreibung abzuwarten.

c) Umsetzung der BVT-Schlussfolgerungen im untergesetzlichen Regelwerk (§§ 7, 48 BImSchG)

Die BVT-Schlussfolgerungen sollen weiterhin in der Regel durch Anpassung der entsprechenden Rechtsverordnungen (BImSchVen) und Verwaltungsvorschriften (TA Luft) umgesetzt werden. An dem Konzept der Umsetzung im untergesetzlichen Regelwerk soll somit grundsätzlich festgehalten werden. Bei den Umsetzungsvorschriften im BImSchG sind jedoch praxisrelevante Änderungen geplant:

In § 7 Abs. 1a BImSchG, der die Umsetzung der BVT-Schlussfolgerungen durch Rechtsverordnung regelt, sollen zusätzlich zu den bisherigen Anforderungen folgende Verpflichtungen eingefügt werden:

die Festlegung der strengstmöglichen Emissionsgrenzwerte, die bei Anwendung der BVT und unter Berücksichtigung medienübergreifender Aspekte, einschließlich möglicher negativer Auswirkungen der Anwendung von BVT auf z.B. den Ressourcen- oder Energieverbrauch, das Abfallaufkommen oder die Entstehung von Treibhausgasen, zur bestmöglichen Gesamtleistung der Anlage beitragen (Satz 1 Nr. 1);
die Festlegung verbindlicher Spannen für die Umweltleistung, so dass die Umweltleistung unter normalen Betriebsbedingungen die mit den BVT assoziierten Umweltleistungswerte nicht überschreitet (Satz 1 Nr. 2).

Binnen vier Jahren nach Veröffentlichung von BVT-Schlussfolgerungen ist sicherzustellen, dass bestehende Anlagen nicht nur die Emissionsgrenzwerte, sondern künftig auch die verbindlichen Spannen für die Umweltleistung einhalten (§ 7 Abs. 1a Satz 2 Nr. 2 BImSchG-E). Abweichend davon soll in der Rechtsverordnung bestimmt werden können, dass die zuständige Behörde die Möglichkeit hat, die vorgenannte Frist auf acht Jahre zu verlängern, wenn sich der Betreiber nachweislich in einer „tiefgreifenden industriellen Transformation“ befindet, die Genehmigung den Transformationsprozess – auch hinsichtlich der Etappenziele und des Zeitplans – beschreibt und der Betreiber der Behörde hierüber jährlich berichtet (§ 7 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 BImSchG-E).

In der Rechtsverordnung soll auch bestimmt werden können, dass die zuständige Behörde von einer Aktualisierung der bestehenden Genehmigung unter bestimmten Voraussetzungen – „tiefgreifende industriellen Transformation“ durch Stilllegung der bestehenden Anlage und ihrer Ersetzung durch eine neue Anlage, Aufnahme des Transformationsplans in die Genehmigung, jährlicher Bericht, Abschluss binnen acht Jahren nach Veröffentlichung der BVT-Schlussfolgerungen – ganz absehen kann (§ 7 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 BImSchG-E).

Mit der „tiefgreifenden industriellen Transformation“ würde somit ein neuer Begriff in das BImSchG eingeführt werden. Dieser beinhaltet im Wesentlichen, dass eine erhebliche Änderung der Konstruktion oder Technologie einer Anlage oder die Ersetzung einer bestehenden Anlage durch eine neue Anlage zu einer sehr weitgehenden Verringerung der Treibhausgasemissionen mit dem Ziel der Klimaneutralität und der gleichzeitigen Reduzierung anderer Umweltauswirkungen führt (§ 3 Abs. 6m BImSchG-E).

In § 48 Abs. 1a und 1b BImSchG, der die Anpassung von Verwaltungsvorschriften wie der TA Luft an die BVT-Schlussfolgerungen betrifft, sind vergleichbare Ergänzungen wie bei den für die Anpassung von Rechtsverordnungen geltenden Vorschriften geplant.

d) Umsetzung der BVT-Schlussfolgerungen durch Nebenbestimmungen (§ 12 BImSchG)

Bereits nach geltender Rechtslage ist der Normgeber verpflichtet, die betreffenden Rechtsverordnungen (BImSchVen) oder Verwaltungsvorschriften (TA Luft) innerhalb eines Jahres nach Veröffentlichung von BVT-Schlussfolgerungen anzupassen.12

Nach der bisherigen Konzeption des BImSchG galt das untergesetzliche Regelwerk aber unabhängig davon, ob es an neue BVT-Schlussfolgerungen angepasst worden ist oder nicht. Dies führte in der Überwachung wie in Genehmigungsverfahren von Anlagen nach der IE-RL zu Rechtsunsicherheit im Hinblick auf die Frage der Anwendbarkeit von BVT-Schlussfolgerungen vor deren Umsetzung im untergesetzlichen Regelwerk.

Dies soll sich nun ändern: Für Neugenehmigungen von IE-Anlagen soll durch Änderung von § 12 Abs. 1a BImSchG nunmehr geregelt werden, dass BVT-Schlussfolgerungen nach ihrem Erlass in der Übergangszeit bis zu ihrer Umsetzung unmittelbar anzuwenden sind. Nach der Begründung des Referentenentwurfs beruht die Festsetzung der Emissionsgrenzwerte in solchen Fällen auf einer Analyse des Betreibers, in der darzulegen und zu begründen ist, ob die Werte am strengsten Ende der mit BVT-assoziierten Emissionsbandbreite erreicht werden können; medienübergreifende Auswirkungen sind zu berücksichtigen. Im Ergebnis geht es um die bestmögliche Gesamtleistung der Anlage bei Anwendung der BVT.

Für bestehende Anlagen sieht § 12 Abs. 1b BImSchG Erleichterungen vor, die im Wesentlichen denen entsprechen, die oben in Bezug auf die Umsetzung der BVT-Schlussfolgerungen durch Rechtsverordnung und Verwaltungsvorschrift erläutert wurden.

e) Schadensersatzpflicht des Betreibers (§ 14a BImSchG-E)

In Umsetzung des durch die IE-Änderungs-RL eingefügten Art. 79a IE-RL soll eine Schadensersatzpflicht für Anlagenbetreiber eingeführt werden. Gemäß § 14a BImSchG-E soll die Schadensersatzpflicht bestehen, wenn durch einen Verstoß gegen Betreiberpflichten nach § 5 BImSchG, namentlich Abs. 1 Nr. 1 und 2 (Schutz- und Vorsorgepflicht), Abs. 3 und 4 (Nachsorge-und Rückführungspflichten), die Gesundheit eines anderen verletzt wird. Die geplante Vorschrift erscheint verfehlt und mit Blick insbesondere auf § 823 BGB unnötig, sie sollte im weiteren Gesetzgebungsverfahren ersatzlos gestrichen werden.

f) Veröffentlichungspflichten (§ 31 BImSchG)

Im Zuge der Umsetzung der novellierten IE-RL sollen neue Veröffentlichungspflichten in das BImSchG eingeführt werden. So sieht § 31 Abs. 5 Satz 3 BImSchG-E eine Verpflichtung der Behörde zur Veröffentlichung der Ergebnisse der Emissionsüberwachung im Internet vor. Nach geltendem Recht setzt der Informationszugang einen Antrag nach § 4 UIG voraus, über den die zuständige Behörde dann im Einzelfall zu entscheiden hat.

g) Ordnungswidrigkeiten (§ 62 BImSchG)

Durch § 62 Abs. 5 BImSchG-E sollen künftig erhöhte Bußgelder für Umweltverstöße für unter die IE-RL fallende Anlagenbetreiber ermöglicht werden, wenn diese einen Umsatz von mehr als 1,67 Mio. Euro jährlich erwirtschaften; die Bußgeldhöhe soll in diesen Fällen bis zu 3% des Jahresumsatzes bei schweren Ordnungswidrigkeiten betragen können.

h) Elektronische Kommunikation (§ 64 BImSchG-E)

Durch einen neuen § 64 BImSchG soll klargestellt werden, dass überall dort, wo das BImSchG oder das dazugehörige Regelwerke die Schriftform vorschreibt, auch die elektronische Form gemäß § 3a VwVfG zulässig ist.

2. KrWG

Die IE-RL erfasst auch Deponien, die im deutschen Recht dem Kreislaufwirtschaftsrecht, konkret dem KrWG und der DepV13, unterfallen. Daher wird das KrWG teilweise analog zum BImSchG geändert und so an die Vorgaben der novellierten IE-RL angepasst.

Die Anpassungen betreffen vor allem § 43 KrWG, der die zentrale Ermächtigungsgrundlage für Rechtsverordnungen, die Anforderungen an Deponien regeln, enthält. Diese Verordnungsermächtigung soll um Regelungen für das künftig auch bei Deponien verpflichtende Umweltmanagementsystem (§ 36 Abs. 1 Nr. 6 KrWG-E) sowie für die Umsetzung künftiger BVT-Schlussfolgerungen für Deponien, einschließlich der Festlegung von Emissionsgrenzwerten und verbindlicher Spannen für die Umweltleistung von Deponien, erweitert werden.

Zudem soll in den neu gefassten § 42 KrWG eine Pflicht zur öffentlichen Bekanntgabe von Verwaltungsakten und Überwachungsergebnissen im Internet eingefügt werden. Danach muss die zuständige Behörde Planfeststellungsbeschlüsse und -genehmigungen nach § 35 Abs. 2 und 3 KrWG, Anordnungen nach § 39 KrWG sowie alle Ablehnungen und Änderungen im Internet öffentlich bekannt machen.

3. BBergG

Die novellierte IE-RL schließt erstmalig bestimmte bergbauliche Tätigkeiten in ihren Geltungsbereich ein. Der Anhang I IE-RL wurde dazu um die Gewinnung, einschließlich Aufbereitung vor Ort, bestimmter Erze im industriellen Maßstab ergänzt: Bauxit, Blei, Chrom, Eisen, Gold, Kobalt, Kupfer, Lithium, Mangan, Nickel, Palladium, Platin, Wolfram, Zink und Zinn. Mit § 57f BBergG-E („Zulassungsverfahren für Vorhaben, die dem Geltungsbereich der Industrieemissionsrichtlinie unterliegen“) sollen deshalb Anforderungen an Betreiberpflichten aus § 5 BImSchG, soweit dies für die Erfüllung von Pflichten aus der IE-RL notwendig ist, übernommen und diese in das bestehende bergrechtliche Betriebsplanverfahren integriert werden.

IV. Überblick über die geplanten Änderungen durch die Mantelverordnung

1. 4. BImSchV

Die geplanten Änderungen der 4. BImSchV14 betreffen im Wesentlichen die Neueinstufung bestimmter Anlagenarten und die Ausweitung des vereinfachten Genehmigungsverfahrens.

Teilweise handelt es sich lediglich um eine redaktionelle Anpassung der Anlagenbeschreibung bzw. der Nummer in Anhang 1 4. BImSchV, die nicht zur Notwendigkeit einer Anpassung des Genehmigungsbescheids führt. Für Anlagen, die einer neu in Anhang 1 4. BImSchV aufgenommenen Nummer unterliegen werden, kann – je nach aktueller Genehmigung – eine Anzeige nach § 67 Abs. 2 BImSchG erforderlich werden.

Die Anlagenarten, bei denen die Anwendung des vereinfachten Verfahrens nach § 19 BImSchG (anstelle des förmlichen Genehmigungsverfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung) möglich ist, sollen deutlich erweitert werden. Im Referentenentwurf wird angenommen, dass durch diese Änderungen bei geschätzten ca. 400 Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung pro Jahr diese bei ca. 200 Verfahren in Zukunft entfallen kann und dadurch eine erhebliche Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren erreicht wird.15

Wie oben ausgeführt, sind die Änderungen für Tierhaltungsanlagen noch nicht Gegenstand des Referentenentwurfs, sondern erst für 2026 vorgesehen. Für diese Anlagen ist nach dem durch die IE-Änderungs-RL neu eingefügten Anhang 1a IE-RL eine deutliche Ausweitung des Geltungsbereichs der Richtlinie vorgesehen.

2. IE-Managementverordnung (45. BImSchV-E)

Mit der neuen 45. BImSchV soll eine „Verordnung über die Umsetzung von Managementvorgaben und Umweltleistungswerten in Industrieanlagen“, die sog. IE-Managementverordnung, eingeführt werden, die die in § 5 Abs. 1 Satz 2 BImSchG-E geplante neue Betreiberpflicht für Anlagen nach der IE-RL konkretisiert. § 5 Abs. 1 Satz 2 BImSchG-E lautet wörtlich:

„Für Anlagen nach der Industrieemissions-Richtlinie ist ein Umweltmanagementsystem einzuführen und dauerhaft zu betreiben.“

Die 45. BImSchV und damit die neue Betreiberpflicht setzen auf der Nutzung etablierter, international standardisierte Umweltmanagementsysteme (EMAS und DIN EN ISO 14001) auf. Wie § 2 Abs. 2 45. BImSchV-E zeigt, sind andere als die beiden vorgenannten Systeme nicht vorgesehen, was eine erhebliche (Mehr-)Belastung für solche (in der Regel kleineren) Anlagen bedeutet, die diese Systeme bislang nicht eingeführt haben.

Vom Anwendungsbereich der neuen Verordnung sind gemäß § 1 Nr. 1 45. BImSchV-E alle Anlagen, die in Anhang 1 4. BImSchV in Spalte d mit „E“ gekennzeichnet umfasst, (derzeit noch) mit Ausnahme der in Nr. 7.1 Anhang 1 4. BImSchV bezeichneten Tierhaltungsanlagen.

Das Umweltmanagementsystem muss gemäß § 3 Abs. 2 45. BImSchV-E folgende Elemente enthalten:

Umweltziele für die fortlaufende Verbesserung der Umweltleistung und der Anlagensicherheit;
Ziele und Leistungsindikatoren für wesentliche Umweltaspekte;
ein Energieaudit bei Anlagen die der Verpflichtung nach § 8 Energieeffizienzgesetz unterliegen;
ein Chemikalienverzeichnis für Stoffe die in der Anlage aufgeführt sind;
Maßnahmen zur Erreichung der Umweltziele und zur Vermeidung von Risiken für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt, einschließlich ggf. erforderlicher Abhilfe- und Vorsorgemaßnahmen;
einen Transformationsplan gemäß § 4 45. BImSchV-E.

Gemäß § 3 Abs. 3 45. BImSchV-E muss das Umweltmanagementsystem nach branchenspezifischen Merkmalen, die in der Anlage 1 der Verordnung enthalten sind, ausgestaltet werden.

Ein zusätzlicher Aspekt ist die Verpflichtung zur Erstellung eines Transformationsplans nach § 4 45. BImSchV-E. Dieser ist je nach Anlagentyp bis zum 30.06.2030 (betrifft Anlagen nach Nummern 1, 2, 3, 4, 6.1 und 6.2 der Tabelle des Anhang 1 4. BImSchV) oder erst danach (betrifft alle übrigen Anlagen) zu erstellen. Der Transformationsplan muss Maßnahmen enthalten, die der Betreiber bis 2045 in der Anlage ergreifen wird, um zu einer nachhaltigen, schadstofffreien, kreislauforientierten, ressourceneffizienten und klimaneutralen Wirtschaft beizutragen.

Nach näherer Maßgabe des § 7 45. BImSchV-E wird eine Konformitätsbewertung zu erfolgen haben, welche an die zuständige Behörde übermittelt werden muss. Als Nachweis ist eine entsprechende Bestätigung, ein EMAS-Registrierungsbescheid oder ein Zertifikat nach DIN EN ISO 14001 vorgesehen. Alle drei Jahre muss ein Umweltgutachter die Konformität überprüfen; das Ergebnis ist der Behörde mitzuteilen.

Nach § 9 und Anlage 3 45. BImSchV-E müssen verbindliche Spannen für die Umweltleistung von Abfällen und anderen Ressourcen als Wasser eingehalten werden; begleitet wird diese Verpflichtung von Dokumentations- und Nachweispflichten.

Die im Umweltmanagementsystem festgehaltenen Informationen sowie der Konformitätsnachweis müssen gemäß § 5 45. BImSchV-E im Internet für die Öffentlichkeit bereitgestellt werden.

3. 9. BImSchV

Durch eine Anpassung der 9. BImSchV16 soll die Genehmigung von Mehrzweck-, Vielstoff- und modularen Anlagen klargestellt und vereinfacht werden (§ 4a Abs. 2a 9. BImSchV-E). Bei solchen Anlagen ist angesichts der Vielzahl möglicher Betriebsweisen, Einsatz- und Hilfsstoffe, Zwischen-, Neben- und Endprodukte, modularer Prozesseinheiten sowie deren verfahrenstechnischen Verschaltungen eine abschließende Beschreibung der Anlage und des Betriebs nicht möglich. Für solche Anlagen soll ein Rahmen genehmigt werden können, der die maximalen Auswirkungen der Anlage auf die Schutzgüter des BImSchG beschreibt. So würde z.B. bei modularen Anlagen, in denen verschiedene Spezialchemikalien hergestellt werden, nicht bei jeder neuen Zusammensetzung des Produktionsverfahrens für eine neue Chemikalie ein neues Genehmigungsverfahren notwendig werden.

V. Auswirkungen auf die Praxis und Ausblick

Mit der Umsetzung der IE-Änderungs-RL sollen zahlreiche neue Pflichten für die Betreiber von Anlagen nach der IE-RL eingeführt werden. Dem stehen – entgegen der Behauptung im Referentenentwurf – nur wenige Maßnahmen mit Entlastungs- und Beschleunigungswirkung gegenüber. Die folgenreichste, aber nahezu einzige Neuregelung mit Beschleunigungspotential ist die Ausweitung des vereinfachten Genehmigungsverfahrens infolge der beabsichtigten Neustrukturierung von Anhang 1 4. BImSchV.

Entsprechend negativ fallen die Stellungnahmen der Branchenverbände, aber auch vieler Bundesländer aus.17 Neben der handwerklichen Umsetzung wird der weiter wachsende, teilweise als unverhältnismäßig eingeschätzte Aufwand durch das (auf EMAS und DIN EN ISO 14001 beschränkte) Umweltmanagementsystem, die Transformationspläne, die Umweltleistungswerte sowie die neuen Überwachungs-, Dokumentations- und Veröffentlichungspflichten kritisiert. Weiterer Kritikpunkt in vielen Stellungnahmen ist, dass der Referentenentwurf des BMUV an vielen Stellen über die europäischen Vorgaben hinausgehe und von Ausnahmemöglichkeiten und Erleichterungen, z.B. im Bereich der BVT-Schlussfolgerungen, des Umweltmanagementsystems oder des Genehmigungsverfahrensrechts, kein Gebrauch gemacht worden sei.

Die die neue Bundesregierung stellenden Parteien haben im Koalitionsvertrag vereinbart, die novellierte IE-RL „1:1 und so schlank wie möglich“ in das deutsche Recht zu übertragen. Daran wird sich die Koalition im weiteren Gesetzgebungsverfahren messen lassen müssen.


Fußnoten


1)

ABl. L 334 vom 17.12.2010, S. 17.

2)

Das sind diejenigen Anlagen, die in Spalte d des Anhangs 1 der Vierten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen – 4. BImSchV) mit dem Buchstaben „E“ gekennzeichnet sind (§ 3 4. BImSchV).

3)

Richtlinie (EU) 2024/1785 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.04.2024 zur Änderung der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Industrieemissionen (integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung) und der Richtlinie 1999/31/EG des Rates über Abfalldeponien (ABl. L, 2024/1785 vom 15.07.2024). Vgl. dazu Spieler, jurisPR-UmwR 7/2024 Anm. 2.

4)

Appl, in: Koch/Hofmann/Reese, Handbuch Umweltrecht, 6. Aufl. 2024, § 2 Rn. 11.

5)

Vgl. IE-Änderungs-RL, Erwägungsgründe 27, 29, 56.

6)

Referentenentwurf eines Gesetzes und einer Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2024/1785 zur Änderung der Richtlinie 2010/75/EU über Industrieemissionen, im Internet: https://www.bmuv.de/gesetz/referentenentwurf-eines-gesetzes-zur-umsetzung-der-richtlinie-eu-2024-1785-zur-aenderung-der-richtlinie-2010-75-eu-ueber-industrieemissionen, zuletzt aufgerufen am 12.04.2025.

7)

Näher Jarass, BImSchG, 15. Aufl. 2024, BImSchG § 3 Rn. 129, 131, 133.

8)

Vgl. IE-Änderungs-RLL, Erwägungsgrund 27.

9)

Vgl. IE-Änderungs-RL, Erwägungsgrund Nr. 27.

10)

Vgl. z.B. für die Abfallbehandlung den Durchführungsbeschluss (EU) 2018/1147 der Kommission vom 10.08.2018 über Schlussfolgerungen zu den besten verfügbaren Techniken (BVT) gemäß der Richtlinie 2010/75/EU des Europäischen Parlaments und des Rates für die Abfallbehandlung, BVT 1, Aktenzeichen C(2018) 5070 vom 17.08.2018 (ABl. L 208 vom 17.08.2018, S. 38).

11)

Vgl. IE-Änderungs-RL, Erwägungsgründe 27 und 29.

12)

Vgl. die §§ 7 Abs. 1a Nr. 1, 48 Abs. 1a Satz 2 BImSchG.

13)

Deponieverordnung vom 27.04.2009 (BGBl I 2009, 900), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 03.07.2024 (BGBl. 2024 I Nr. 225).

14)

Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen i.d.F. der Bekanntmachung vom 31.05.2017 (BGBl I 2017, 1440), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 12.11.2024 (BGBl. 2024 I Nr. 355).

15)

Vgl. auch Fact Sheet „Die EU-Richtlinie über Emissionen aus Industrie und Tierhaltung (IED) Umsetzung in deutsches Recht“, im Internet: https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Glaeserne_Gesetze/20._Lp/ied/Entwurf/fact_sheet_umsetzung_ied_bf.pdf, zuletzt aufgerufen 12.04.2025.

16)

Verordnung über das Genehmigungsverfahren i.d.F. der Bekanntmachung vom 29.05.1992 (BGBl I 1992, 1001), zuletzt geändert durch Art. 4 des Gesetzes vom 03.07.2024 (BGBl. 2024 I Nr. 225).

17)

Vgl. die Stellungnahmen der Länder und Verbände auf der Internet-Seite des BMUV, Fn. 6, zuletzt aufgerufen am 12.04.2025.


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