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Anmerkung zu:BFH 4. Senat, Urteil vom 02.07.2025 - IV R 36/22
Autor:Dr. Christian Graw, RiBFH
Erscheinungsdatum:08.12.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 1030 BGB, § 39 AO 1977, § 716 BGB, § 15 EStG
Fundstelle:jurisPR-SteuerR 49/2025 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Dr. Peter Fischer, Vors. RiBFH a.D.
Prof. Dr. Franz Dötsch, Vors. RiBFH a.D.
Zitiervorschlag:Graw, jurisPR-SteuerR 49/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Anforderungen an die Mitunternehmerstellung des Vorbehaltsnießbrauchers



Leitsätze

1. Wird ein Nießbrauch am Anteil an einer Personengesellschaft bestellt, ist der Begünstigte nur dann Mitunternehmer i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes, wenn er Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt (Bestätigung der Rechtsprechung).
2. Ist der Nießbrauch dem gesetzlichen Leitbild folgend so ausgestaltet, dass der Nießbrauchberechtigte weder an den stillen Reserven im Gesellschaftsvermögen noch unmittelbar am Verlust der Gesellschaft beteiligt ist, trägt der Nießbrauchberechtigte kein Mitunternehmerrisiko. Dass er Verluste mittelbar zu tragen hat, sofern diese den Kapitalanteil des Kommanditisten unter den Betrag der Pflichteinlage mindern, und bis zur Wiederauffüllung des Kapitalanteils keine Entnahmen getätigt werden dürfen, reicht für die Annahme eines Mitunternehmerrisikos nicht aus. Nur dann, wenn der Nießbrauchberechtigte abweichend vom gesetzlichen Leitbild in anderer Weise ein unternehmerisches Verlustrisiko trägt, durch das sein Vermögen belastet werden kann, trägt er ein Mitunternehmerrisiko (Klarstellung und Bestätigung der Rechtsprechung).



A.
Problemstellung
Das Besprechungsurteil betrifft vor allem die Frage, inwiefern der Kommanditist, der seinen Kommanditanteil unter Nießbrauchsvorbehalt überträgt, weiterhin als Mitunternehmer der Personengesellschaft angesehen werden kann.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger zu 1. war bis Juli 2013 alleiniger Kommanditist der Klägerin zu 2., deren Komplementärin die X GmbH war. Geschäftsführer der X GmbH war ebenfalls der Kläger zu 1. Zugleich war er alleiniger Kommanditist der im Jahr 2013 gegründeten V KG, deren Gegenstand das Halten und Verwalten eigenen Vermögens war. Komplementärin der V KG war im Jahr 2014 (Streitjahr) die D GmbH, deren Gesellschafter-Geschäftsführer ebenfalls der Kläger zu 1. war.
Der Kläger zu 1. schenkte mit notariellem Vertrag vom 30.07.2013 im Rahmen der vor-weggenommenen Erbfolge seinen Kommanditanteil an der Klägerin zu 2. zu jeweils 1/3 seinen drei Söhnen. Dabei sollte an den Kommanditanteilen zugunsten der V KG ein „unentgeltlicher Ertrags(quoten)nießbrauch“ zu einem Anteil von 70 % zur Altersversorgung des Klägers zu 1. bestellt werden (Auflage 1). Zum anderen sollten die geschenkten Kommanditanteile unverzüglich nach Abschluss des Nießbrauchvertrags gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in die beigeladene F KG eingebracht werden, die dadurch alleinige Kommanditistin der Klägerin zu 2. werden sollte (Auflage 2). Die „Einbringungsauflage“ verfolgte den Zweck, das Vermögen der Familie des Klägers zu 1. zu bündeln und gemeinschaftlich zu verwalten.
Die notariellen Verträge über die Gewährung des Nießbrauchs sowie die Einbringung der Kommanditanteile an der Klägerin zu 2. in die F KG wurden noch am 30.07.2013 geschlossen. Zugleich kam es zum Abschluss des Gesellschaftsvertrags der F KG. Kommanditisten der F KG waren der Kläger zu 1. und seine drei Söhne.
Das FA erließ am 18.06.2015 einen Gewinnfeststellungsbescheid für 2014 für die Klägerin zu 2. Dabei folgte es der Feststellungserklärung. Bei der Berechnung des steuerlichen Gewinns hatte die Klägerin zu 2. die gegenüber der V KG bestehende Nießbrauchverpflichtung abgezogen. Der so bereinigte Gewinn wurde auf die X GmbH und die F KG verteilt.
Im Rahmen einer Außenprüfung gelangte der Prüfer zu der Auffassung, der Kläger zu 1. sei trotz seines Ausscheidens als alleiniger Kommanditist der Klägerin zu 2. weiterhin als verdeckter Mitunternehmer anzusehen. Die ihm (über die V KG) in Gestalt des Ertragsquotennießbrauchs zuzurechnenden Gewinnanteile der Klägerin zu 2. stellten originäre gewerbliche Einkünfte des Klägers zu 1. dar. Das FA erließ daraufhin am 27.01.2017 einen geänderten Gewinnfeststellungsbescheid für das Streitjahr, in dem der Gesamthandsgewinn der Klägerin zu 2. auf die X GmbH, die F KG und die V KG verteilt wurde.
Hiergegen richtete sich der Einspruch der Klägerin zu 2. Im Einspruchsverfahren wurde der Gewinnfeststellungsbescheid 2014 am 22.02.2017 aus hier unstreitigen Gründen nochmals geändert. Zudem teilte das FA mit, dass nach der Übertragung der Kommanditanteile auf die Söhne des Klägers zu 1. nicht die V KG, sondern der Kläger zu 1. selbst als Mitunternehmer anzusehen sei. Das FA zog den Kläger zu 1. daher zum Einspruchsverfahren hinzu. Mit Einspruchsentscheidung vom 09.08.2018 änderte das FA den Gewinnfeststellungsbescheid für das Streitjahr schließlich dahin, dass der (unveränderte) Gesamthandsgewinn der Klägerin zu 2. nunmehr dem Kläger zu 1., der X GmbH und der F KG zugerechnet wurde. Zudem wurde festgestellt, dass die V KG (mangels Mitunternehmerinitiative) keine Mitunternehmerin der Klägerin zu 2. sei. Der Kläger zu 1. sei nach der Übertragung der Kommanditanteile auf seine Söhne weiterhin als Mitunternehmer der Klägerin zu 2. anzusehen.
Im nachfolgenden Klageverfahren vertraten die Kläger (erstmals) die Auffassung, aufgrund der auflagenbedingten Einräumung des Nießbrauchs zugunsten der V KG liege ein unmittelbarer und voll entgeltlicher Erwerb des Kommanditanteils des Klägers zu 1. durch die F KG vor. Daher legten sie berichtigte Steuererklärungen sowie Ergänzungsbilanzen vor. Das FG wies die Klage als unbegründet ab.
Der BFH hat der Revision der Kläger teilweise stattgegeben. Das FG ist bei der Beurteilung der Frage, ob der Kläger zu 1. das für die Annahme seiner Mitunternehmerstellung erforderliche Mitunternehmerrisiko getragen hat, von teilweise unzutreffenden Rechtsgrundsätzen ausgegangen (dazu 1.); seine Entscheidung war daher aufzuheben. Hingegen hat die KG – mangels entgeltlichen Erwerbs des Anteils an der Klägerin zu 2. vom Kläger zu 1. – keinen Ergänzungsbilanzverlust erlitten (dazu 2.). Dies hat der BFH wie folgt begründet:
I. Mitunternehmerstellung des Klägers zu 1.
1. Werde ein Nießbrauch am Anteil an einer Personengesellschaft bestellt, sei auch der Begünstigte nur dann Mitunternehmer i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, wenn er Mitunternehmerinitiative entfalten könne und Mitunternehmerrisiko trage (z.B. BFH, Beschl. v. 30.05.2006 - IV B 168/04 - BFH/NV 2006, 1828; BFH, Urt. v. 03.12.2015 - IV R 43/13 Rn. 32). Auch derjenige, der sich im Zusammenhang mit der schenkweisen Übertragung seines Kommanditanteils im Rahmen einer vorweggenommenen Erbfolge einen Nießbrauch an dem Kommanditanteil vorbehalte (Vorbehaltsnießbraucher), bleibe nur dann Mitunternehmer, wenn er weiterhin Mitunternehmerinitiative entfalten könne und Mitunternehmerrisiko trage.
Im Rahmen der Prüfung der Mitunternehmerstellung des Nießbrauchberechtigten sei zu beachten, dass das den Nießbrauch kennzeichnende Fruchtziehungsrecht (§ 1030 Abs. 1 i.V.m. § 1069 Abs. 2 BGB) sich auf den gesellschaftsrechtlich entnahmefähigen Ertrag beschränke; darüber hinausgehende Ansprüche auf Zahlung von Gewinn stünden dem Nießbraucher nicht zu. Insoweit schließe das Fruchtziehungsrecht – nach der gesetzlichen Grundregel – bereits begrifflich aus, dass der Nießbraucher die auf den Gesellschaftsanteil entfallenden Verluste des Unternehmens wirtschaftlich zu tragen habe (z.B. BFH, Urt. v. 20.03.2025 - IV R 12/21 Rn. 47 f. - BFH/NV 2025, 1013).
Sofern – diesem gesetzlichen Leitbild folgend – vorgesehen sei, dass der Vorbehaltsnießbraucher weder an den stillen Reserven noch am Verlust beteiligt werde, trage er kein Mitunternehmerrisiko. Der Umstand, dass bis zur Wiederauffüllung eines unter den Betrag der Pflichteinlage gesunkenen Kapitalanteils keine Entnahmen getätigt werden dürften, führe zu keinem anderen Ergebnis. Denn auch insoweit trage der Nießbrauchberechtigte keinen Verlust, sondern verliere lediglich (künftige) entnahmefähige Gewinnanteile (z.B. BFH, Urt. v. 20.03.2025 - IV R 12/21 Rn. 50 - BFH/NV 2025, 1013; anders noch BFH, Urt. v. 11.04.1973 - IV R 67/69 Rn. 30 - BStBl II 1973, 528, unter 3.). Im Fall eines dem gesetzlichen Leitbild folgenden Nießbrauchrechts trage der Nießbrauchberechtigte dementsprechend kein Mitunternehmerrisiko. Hingegen trage er Mitunternehmerrisiko, wenn er ausnahmsweise unmittelbar am Verlust der Gesellschaft oder an den stillen Reserven im Gesellschaftsvermögen beteiligt sei oder sein eigenes Vermögen in anderer Weise zum Erreichen betrieblicher Ziele der Gesellschaft herangezogen werde. Ein nach dem gesetzlichen Leitbild des BGB ausgestalteter Nießbrauch lasse die Mitunternehmerinitiative und das Mitunternehmerrisiko des den Nießbrauch bestellenden Erwerbers einer Kommanditbeteiligung nicht entfallen (BFH, Urt. v. 01.03.1994 - VIII R 35/92 - BStBl II 1995, 241, unter III.3.c aa).
2. Das FG sei von teilweise abweichenden Grundsätzen ausgegangen. Es habe nicht berücksichtigt, dass der durch einen am Kommanditanteil bestellten Nießbrauch Begünstigte jedenfalls dann kein Mitunternehmerrisiko trage und damit nicht als Mitunternehmer anzusehen sei, wenn der Nießbrauch so ausgestaltet sei, dass der Begünstigte weder am Verlust der Gesellschaft oder deren stillen Reserven beteiligt sei, noch in anderer Weise ein unternehmerisches Verlustrisiko trage, durch das sein eigenes Vermögen belastet werden könne.
3. Das FG habe zu Unrecht angenommen, der Kläger zu 1. sei Mitunternehmer der Klägerin zu 2. geblieben. Denn er habe kein Mitunternehmerrisiko mehr getragen. Unterstellt, dem Kläger zu 1. sei das Nießbrauchrecht der V KG zuzurechnen, stehe ihm zwar ein Ertragsquotennießbrauch i.H.v. 70 % des entnahmefähigen Gewinns der Klägerin zu 2. zu. Am Verlust der Gesellschaft sei er jedoch nicht beteiligt. Zudem sei der Kläger zu 1. nicht an den stillen Reserven der Gesellschaft beteiligt. Der Nießbrauchvertrag schreibe „klarstellend“ fest, dass Gewinne aus der Aufdeckung stiller Reserven des Anlagevermögens oder sonstige außerordentliche Gewinne den Gesellschaftern – nicht hingegen dem Nießbraucher – gebührten. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Kläger zu 1. in anderer Weise ein unternehmerisches Risiko in Gestalt des Verlusts eigenen, zur Verfolgung der unternehmerischen Ziele der Gesellschaft eingesetzten Vermögens trage. Entgegen der Auffassung des FA könne die besonders ausgeprägte Mitunternehmerinitiative des Klägers zu 1. allein nicht dessen Mitunternehmerstellung begründen.
Da der Kläger zu 1. im Streitjahr nicht mehr Mitunternehmer der Klägerin zu 2. gewesen sei, habe ihm kein Anteil am Gesamthandsgewinn der Klägerin zu 2. zugerechnet werden können. Sei der Nießbraucher kein Mitunternehmer, seien auch die ihm zufließenden Gewinne steuerlich dem Gesellschafter zuzurechnen (Haep in: Herrmann/Heuer/Raupach, § 15 EStG Rn. 445). Dabei sei der F KG der gesamte auf sie entfallende Gewinnanteil zuzurechnen, auch wenn sie hiervon aufgrund des Nießbrauchs 70 % der V KG bzw. dem Kläger zu 1. überlassen müsse. Die Erfüllung des Nießbrauchanspruchs stelle eine Gewinnverwendung dar.
II. Entgeltlicher Anteilserwerb der F KG
1. Die F KG habe den Anteil an der Klägerin zu 2. nicht unmittelbar vom Kläger zu 1. erworben. Eine solche Würdigung widerspräche den Bestimmungen des Schenkungsvertrags, der ausdrücklich vorsehe, dass der Kläger zu 1. seinen Kommanditanteil an der Klägerin zu 2. zu gleichen Teilen seinen Söhnen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge schenkweise übertrage. Die Söhne des Klägers zu 1. seien zivilrechtliche Eigentümer der Kommanditanteile geworden.
Dass die Schenkung der Kommanditanteile an die Söhne des Klägers zu 1. mit der Auflage verbunden gewesen sei, die Anteile unverzüglich nach Abschluss des Vertrags über die Einräumung des Nießbrauchs gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in die F KG einzubringen, führe zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen setze die Erfüllung der Auflage voraus, dass die Söhne des Klägers zu 1. zuvor Eigentum an den Kommanditanteilen erlangt hätten. Erst hierdurch seien sie jeweils in die Lage versetzt, die geschenkte Kommanditbeteiligung – wie vertraglich vorgesehen – (steuerneutral) gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten durch entsprechende Aufstockung ihrer Kapitalanteile in die F KG einzubringen, so dass die gewünschte Holdingstruktur habe entstehen können. Zum an-deren habe die Auflage nichts an der Absicht des Klägers zu 1. geändert, seinen Kommanditanteil an der Klägerin zu 2. seinen Söhnen schenkweise zuzuwenden. Die Beteiligten hätten bewusst eine mehraktige Gestaltung gewählt, die im ersten Schritt darauf gerichtet gewesen sei, den Kommanditanteil zu gleichen Teilen auf die Söhne zu übertragen, und im zweiten Schritt darauf gezielt habe, das Familienvermögen zwecks gemeinsamer Verwaltung in der F KG zu bündeln.
Entgegen der Auffassung der Kläger könne auch „im Lichte des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO“ mit der Auflagenerfüllung nicht ein direkter Eigentumserwerb durch die F KG angenommen werden. Die F KG habe keine rechtlich geschützte, auf den Erwerb der Anteile gerichtete Position erworben, die ihr gegen ihren Willen nicht mehr habe entzogen werden können.
2. Des Weiteren sei der Erwerb nicht entgeltlich erfolgt. Der Vorbehaltsnießbrauch stelle kein Entgelt für die Übertragung des Kommanditanteils dar. Die Übertragung eines Wirtschaftsguts unter Vorbehalt eines Nutzungsrechts lasse die Unentgeltlichkeit der Vermögensübertragung unberührt, denn der Erwerber erwerbe von vornherein nur das mit dem Nießbrauch belastete Wirtschaftsgut (z.B. BFH, Urt. v. 18.11.2014 - IX R 49/13 Rn. 18 - BStBl II 2015, 224). Die Bestellung des Nießbrauchs stelle keine Gegenleistung des Erwerbers dar (BFH, Urt. v. 25.01.2017 - X R 59/14 - BStBl II 2019, 730).


C.
Kontext der Entscheidung
I. Voraussetzungen der Mitunternehmerstellung
Mitunternehmer i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist, wer zivilrechtlich Gesellschafter einer Personengesellschaft ist oder – in Ausnahmefällen – eine diesem wirtschaftlich vergleichbare Stellung innehat, Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfaltet sowie die Absicht zur Gewinnerzielung hat (z.B. BFH, Urt. v. 22.06.2017 - IV R 42/13 Rn. 32 m.w.N. - BFHE 259, 258).
Mitunternehmerinitiative bedeutet vor allem Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen, wie sie z.B. Gesellschaftern oder diesen vergleichbaren Personen als Geschäftsführer, Prokuristen oder andere leitende Angestellte obliegen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH, Urt. v. 19.07.2018 - IV R 10/17 Rn. 29 ff. m.w.N. - BFH/NV 2018, 1268). Ausreichend ist allerdings schon die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschafterrechten, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert sind, die einem Kommanditisten nach dem HGB zustehen oder die den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten nach § 716 Abs. 1 BGB a.F. entsprechen (z.B. BFH, Urt. v. 04.04.2023 - IV R 19/20 Rn. 39 - HFR 2023, 972).
Mitunternehmerrisiko bedeutet gesellschaftsrechtliche oder eine wirtschaftlich vergleichbare Teilnahme am Erfolg und Misserfolg eines gewerblichen Unternehmens. Dieses Risiko wird regelmäßig durch Beteiligung an Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts vermittelt (z.B. BFH, Beschl. des Großen Senats v. 25.06.1984 - GrS 4/82 - BStBl II 1984, 751). Erforderlich ist ein Gesellschafterbeitrag, durch den das Vermögen des Gesellschafters belastet werden kann. Ein Mitunternehmerrisiko kann sich dementsprechend auch aus einem Haftungsrisiko ergeben, z.B. als Komplementärin (BFH, Urt. v. 19.12.2019 - IV R 8/17 Rn. 24 - BStBl II 2020, 401). Demgegenüber reicht der bloße Verzicht auf eine spätere Gewinnbeteiligung für die Annahme eines Mitunternehmerrisikos nicht aus (z.B. BFH, Urt. v. 04.04.2023 - IV R 19/20 Rn. 40 - HFR 2023, 972, zur stillen Gesellschaft).
Die beiden Hauptmerkmale der Mitunternehmerstellung können zwar im Einzelfall mehr oder weniger stark ausgeprägt sein. Sie müssen jedoch beide vorliegen. Ob dies zutrifft, ist unter Berücksichtigung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmenden Umstände zu würdigen (z.B. BFH, Urt. v. 04.04.2023 - IV R 19/20 Rn. 41 - HFR 2023, 972).
II. Entgeltlicher Anteilserwerb und Nießbrauch
Der entgeltliche Erwerb eines Mitunternehmeranteils an einer Personengesellschaft ist einkommensteuerrechtlich nicht als Erwerb eines Gesellschaftsanteils als besonderes Wirtschaftsgut (wie die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft) zu werten, sondern als entgeltliche Anschaffung von Anteilen an den einzelnen zum Gesellschaftsvermögen gehörenden Wirtschaftsgütern (z.B. BFH, Urt. v. 06.07.1995 - IV R 30/93 Rn. 10 m.w.N. - BStBl II 1995, 831, unter 1.).
Aufwendungen des Erwerbers, die den Betrag des übergehenden Kapitalkontos in der Steuerbilanz der Personengesellschaft übersteigen, sind in einer Ergänzungsbilanz zu aktivieren, soweit sie als Anschaffungskosten für die Anteile an den Wirtschaftsgütern des Gesellschaftsvermögens anzusehen sind (z.B. BFH, Urt. v. 06.07.1995 - IV R 30/93 Rn. 11 m.w.N. - BStBl II 1995, 831, unter 1.). Liegt der Kaufpreis für einen Gesellschaftsanteil unter dem Betrag des zugehörigen positiven Kapitalkontos, müssen die auf den Erwerber entfallenden Buchwerte der Wirtschaftsgüter des Gesellschaftsvermögens in der Ergänzungsbilanz durch Korrekturen herabgesetzt werden, die in der Folge entsprechend dem Verbrauch der Wirtschaftsgüter gewinnerhöhend aufgelöst werden (z.B. BFH, Urt. v. 06.07.1995 - IV R 30/93 Rn. 12 m.w.N. - BStBl II 1995, 831, unter 1.).
Ergänzungsbilanzen sind demnach zu bilden, um Wertansätze in der Steuerbilanz (Gesamthandsbilanz) der Mitunternehmerschaft für den einzelnen Mitunternehmer zu korrigieren. Bezugsgrößen sind einerseits das anteilige Eigenkapital an der Mitunternehmerschaft und andererseits die Anschaffungskosten bzw. die Tauschwerte der in die Mitunternehmerschaft eingebrachten Wirtschaftsgüter (vgl. BFH, Urt. v. 22.10.2015 - IV R 37/13 Rn. 32 m.w.N. - BStBl II 2016, 919).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Mit dem Besprechungsurteil hat der BFH die für die Mitunternehmerstellung eines (Vorbehalts-)Nießbrauchers geltenden Grundsätze klargestellt. Der Begünstigte eines Nießbrauchs am Anteil einer Personengesellschaft ist nur dann Mitunternehmer i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, wenn er Mitunternehmerinitiative entfalten kann und Mitunternehmerrisiko trägt. Dies entspricht allgemeinen Grundsätzen. Mit Blick auf die zivilrechtlichen Rechtsfolgen eines Vorbehaltsnießbrauchs ergibt sich daraus aber Folgendes: Ist der Nießbrauch dem gesetzlichen Leitbild folgend so ausgestaltet, dass der Nießbrauchberechtigte weder an den stillen Reserven noch unmittelbar am Verlust der Gesellschaft beteiligt ist, trägt er kein Mitunternehmerrisiko. Dass er Verluste mittelbar zu tragen hat, sofern diese seinen Kapitalanteil unter den Betrag der Pflichteinlage mindern (Folge: bis zur Wiederauffüllung des Kapitalanteils dürfen keine Entnahmen getätigt werden), reicht für die Annahme eines Mitunternehmerrisikos nicht aus. Denn der BFH verlangt in ständiger Rechtsprechung einen Gesellschafterbeitrag, durch den das Vermögen des Gesellschafters belastet werden kann, und sei es durch Übernahme eines Haftungsrisikos. Auch eine (starke) Mitunternehmerinitiative vermag dies nicht zu kompensieren. Das für die Mitunternehmerstellung erforderliche Mitunternehmerrisiko besteht daher in diesen Fällen nur, wenn der Nießbrauchberechtigte abweichend vom gesetzlichen Leitbild in anderer Weise ein unternehmerisches Verlustrisiko trägt.


E.
Weitere Themenschwerpunkte der Entscheidung
In verfahrensrechtlicher Hinsicht fasst das Besprechungsurteil die Grundsätze zur „Atomisierung“ von Gewinnfeststellungsbescheiden zusammen: Nach ständiger Rechtsprechung des BFH kann ein solcher Bescheid eine Vielzahl selbstständiger und damit auch selbstständig anfechtbarer Feststellungen enthalten, die eigenständig in Bestandskraft erwachsen und deshalb für die in dem nämlichen Bescheid getroffenen und rechtlich nachgelagerten Feststellungen Bindungswirkung entfalten können. Solche selbstständigen Feststellungen sind insbesondere die Qualifikation der Einkünfte, das Bestehen einer Mitunternehmerschaft und wer an ihr beteiligt ist, die Höhe des laufenden Gesamthandsgewinns sowie dessen Verteilung auf die Mitunternehmer und die Höhe eines Sonderbetriebsgewinns bzw. einer Sondervergütung. Auch der Gewinn oder Verlust aus der (teilweisen) Auflösung von Korrekturposten in einer Ergänzungsbilanz stellt eine selbstständige Besteuerungsgrundlage dar, die gesondert festzustellen und selbstständig anfechtbar ist. Keine selbstständige Feststellung – sondern eine bloße Rechengröße – ist hingegen der sich aus den einzelnen Feststellungen ergebende Gesamtgewinn.
Wird eine gesondert festgestellte Besteuerungsgrundlage nicht angegriffen, steht das einer gerichtlichen Überprüfung grundsätzlich entgegen. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn die Änderung einer anderen – ausdrücklich angefochtenen – Besteuerungsgrundlage zwangsläufig Auswirkungen auf die nicht angefochtene Besteuerungsgrundlage hat und dies von dem Rechtsbehelfsführer nicht gerade in Abrede gestellt wird. Eine derartige untrennbare Verknüpfung besteht etwa im Fall der Anfechtung der Mitunternehmerstellung und der daraus resultierenden Zurechnung eines laufenden Gesamthandsgewinns.



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