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Anmerkung zu:OLG Brandenburg 3. Zivilsenat, Beschluss vom 03.04.2025 - 3 W 53/24
Autor:Julia Roglmeier, LL.M., RA'in, FA'in für Erbrecht, Wirtschaftsmediatorin und Fachberaterin für Unternehmensnachfolge
Erscheinungsdatum:08.07.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 2047 BGB, § 2267 BGB, § 2231 BGB
Fundstelle:jurisPR-FamR 14/2025 Anm. 1
Herausgeber:Andrea Volpp, RA'in und FA'in für Familienrecht
Franz Linnartz, RA und FA für Erbrecht und Steuerrecht
Zitiervorschlag:Roglmeier, jurisPR-FamR 14/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Anforderungen an die Beweisführung (hier: Vorlage einer Testamentskopie) bei nicht auffindbarem Testament



Orientierungssätze zur Anmerkung

1. Ein nicht mehr vorhandenes Testament ist nicht allein infolge seiner Unauffindbarkeit unwirksam.
2. Form und Inhalt können vielmehr mit allen zulässigen Beweismitteln festgestellt werden.
3. An die Beweisführung sind allerdings hohe Anforderungen zu stellen. Zweifel gehen zulasten desjenigen, der sich auf die Wirksamkeit des unauffindbaren Testaments beruft.



A.
Problemstellung
Der Beschluss des OLG Brandenburg behandelt einen Klassiker im Erbrecht: Inwieweit kann die Existenz eines nicht mehr auffindbaren Testaments auch durch Vorlage einer Kopie der Urschrift und/oder durch Zeugeneinvernahme nachgewiesen werden? Welche Anforderungen sind an den Nachweis zu stellen?


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Erblasser war mit der Beschwerdegegnerin in zweiter Ehe verheiratet. Aus dieser Ehe hatte der Erblasser eine Tochter. Ein weiterer Sohn (der Beschwerdeführer) stammt aus erster Ehe. Vor dem Nachlassgericht war zunächst von gesetzlicher Erbfolge ausgegangen worden. Hierzu hatte die Beschwerdegegnerin auch ein entsprechendes Formblatt ausgefüllt und Vollmachten der beteiligten Abkömmlinge des Erblassers zur Stellung eines Erbscheinsantrags vorgelegt. Wenige Monate später äußerte die Beschwerdegegnerin allerdings gegenüber einer Rechtspflegerin, dass es ein privatschriftliches Testament gäbe und dass dieses aber noch nicht gefunden worden sei. Als sie in der Folge einen Erbschein beantragte, der sie als Alleinerbin ausweisen sollte, berief sie sich auf eine zuvor beim Nachlassgericht eingereichte Kopie eines privatschriftlichen Ehegattentestaments mit wechselseitiger Alleinerbeneinsetzung der Eheleute, welches von ihr, dem Erblasser und einem Zeugen persönlich unterzeichnet worden war.
Der Beschwerdegegner und Sohn des Erblassers aus erster Ehe beantragte daraufhin seinerseits einen Erbschein kraft gesetzlicher Erbfolge, welcher die Beschwerdegegnerin als Miterbin zu 1/2 und ihn und seine Schwester zu je 1/4 als Miterben vorsehen sollte. Diesen Erbscheinsantrag korrigierte er in der Annahme, der Erblasser sei in Gütertrennung verheiratet gewesen in der weiteren Folge noch einmal mit dann gesetzlichen Erbquoten zu je 1/3.
Das zuständige Nachlassgericht gab dem Erbscheinsantrag der Beschwerdegegnerin statt mit der Begründung, die vorgelegte Testamentskopie erfülle die Voraussetzungen der §§ 2047, 2267 BGB: Das der Kopie zugrunde liegende Original sei eigenhändig abgefasst und von beiden Eheleuten unterzeichnet worden. Es bestehe bei einem nicht auffindbaren Testament keine Vermutung für eine Widerrufsabsicht. Die formgültige Errichtung belegen auch die eidesstattliche Versicherung der Beschwerdegegnerin und die Aussage des Zeugen. Hiergegen legte der Sohn des Erblassers Beschwerde zum Oberlandesgericht ein, welcher das Nachlassgericht nicht abgeholfen, sondern die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hatte.
Das OLG Brandenburg hat den Beschluss des Nachlassgerichts aufgehoben und den Erbscheinsantrag zurückgewiesen.
Die Beschwerde ist nach Ansicht des Oberlandesgerichts begründet: Der Erblasser sei entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts kraft gesetzlicher Erbfolge mangels Vereinbarung einer Gütertrennung zu 1/2 von der Beschwerdegegnerin und zu je 1/4 vom Beschwerdeführer und von dessen Schwester beerbt worden.


C.
Kontext der Entscheidung
Der Beschluss des OLG Brandenburg beschäftigt sich mit Fragen der Feststellungslast im Erbscheinsverfahren im Zusammenhang mit einem nicht mehr auffindbaren Testament. Die Feststellungslast trägt zunächst stets derjenige, der sich auf das die Erbenstellung begründende verschwundene Testament beruft (Grziwotz in: BeckOGK BGB, § 2255 Rn. 14 m.w.N.). Grundsätzlich ist ein nicht mehr auffindbares Testament nicht allein deswegen unwirksam, weil es nicht gefunden wird. Seine Existenz – Form und Inhalt – kann mit allen zulässigen Beweismitteln nachgewiesen werden. Hierfür kommt auch die Vorlage einer Kopie und eine Zeugeneinvernahme in Betracht (Weidlich in: Grüneberg, BGB, § 2255 Rn. 9). Insbesondere gibt es keine generelle Vermutung für eine einem Widerruf gleichkommende Vernichtung der Urschrift (OLG Schleswig, Beschl. v. 12.08.2013 - 3 Wx 27/13 - NJW-RR 2014, 73; OLG Köln, Beschl. v. 19.07.2018 - 2 Wx 261/18 u.a. Rn. 9 - NJW-RR 2019, 71; Grziwotz in: BeckOGK BGB, § 2255 Rn. 14.; Baumann in: Staudinger, BGB, § 2255 Rn. 34). An die Beweisführung sind wegen der für die Errichtung eines Testaments erforderlichen strengen Voraussetzungen der §§ 2231 BGB ff. allerdings hohe Anforderungen zu stellen. Die vom Gesetzgeber vorgegebene Formstrenge ist erforderlich, da nur auf diese Weise Erbstreitigkeiten unter den Beteiligten entgegengetreten werden kann (OLG Hamm, Beschl. v. 09.02.2024 - 10 W 60/23 Rn. 15).
Zweifel an der Existenz des Originals gehen deshalb zulasten desjenigen, der die Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung behauptet.
Im vorliegend zu entscheidenden Fall genügten die Angaben der Beschwerdegegnerin und des angehörten Zeugen infolge diverser Diskrepanzen nicht, den strengen Anforderungen an den Nachweis gerecht zu werden. Zweifel aufseiten des Gerichts an der Existenz des Originals konnten nicht ausgeräumt werden. Aus diesem Grund war von gesetzlicher Erbfolge auszugehen.


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung zeigt, wie wichtig es ist, die Mandanten entsprechend darüber aufzuklären, dass die Möglichkeit der Hinterlegung letztwilliger privatschriftlicher Verfügungen beim Nachlassgericht und deren optionale zusätzliche Registrierung im zentralen Testamentsregister eine sinnvolle Vorgehensweise ist, um sicherzustellen, dass die Originaldokumente im Erbfall auch sicher eröffnet werden und eben nicht verloren gehen. Umgekehrt zeigt es dem Berater, dass die oft am Ende des Mandats gestellte Frage nach der Sinnhaftigkeit der Anfertigung von Testamentskopien und Verteilung derselben im Familienkreis nicht eindimensional, sondern vielschichtig beantwortet werden muss: Geht ein Originaltestament tatsächlich verloren, kann die Vorlage einer Testamentskopie den letzten Rettungsanker im nachlassgerichtlichen Verfahren darstellen. Umgekehrt kann sie aber auch eine an sich eindeutige Erbfolge gehörig durcheinanderwürfeln, eben gerade, weil auch eine Testamentskopie (eines möglicherweise nicht auffindbaren oder potenziell widerrufenen Testaments – wobei auch der behauptete Widerruf desselben wohl nachgewiesen werden müsste) nicht nur zwingend abgegeben werden muss bei Gericht, sondern eben auch ein Beweismittel zur Ermittlung des Erblasserwillens darstellen kann. Die richtige Empfehlung an die Mandanten lautet daher wohl: Testamentskopie besser nicht anfertigen, wenn überhaupt, dann nur eine einzige für den eigenen Ordner zuhause und die muss zwingend mitvernichtet werden, sofern das Original später abgeändert oder widerrufen wird.



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