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Anmerkung zu:BVerwG 1. Senat, Beschluss vom 09.09.2025 - 1 C 1.25
Autor:Dr. Robert Keller, Vors. RiBVerwG
Erscheinungsdatum:03.11.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 78 AsylVfG 1992, § 139 VwGO, § 173 VwGO, § 60 VwGO
Fundstelle:jurisPR-BVerwG 22/2025 Anm. 1
Herausgeber:Verein der Bundesrichter bei dem Bundesverwaltungsgericht e.V.
Zitiervorschlag:Keller, jurisPR-BVerwG 22/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Wiedereinsetzung bei plötzlicher Erkrankung und wegen eines noch nicht beschiedenen PKH-Antrags



Orientierungssatz zur Anmerkung

Ein Wiedereinsetzungsantrag erfordert eine aus sich heraus verständliche, geschlossene und widerspruchsfreie Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus der sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen die Fristversäumnis beruht und auf welche Weise es zur Versäumung der Frist gekommen ist.



A.
Problemstellung
Der Beschluss befasst sich mit den Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn diese wegen einer plötzlichen Erkrankung des Prozessbevollmächtigten beantragt wird. Die hierfür geltenden strengen Darlegungserfordernisse waren im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Ferner war die maßgebliche Frist nicht gerade wegen eines noch nicht beschiedenen Prozesskostenhilfeantrags versäumt worden; auch dieser Umstand führte daher nicht zur Wiedereinsetzung.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Der Kläger, ein in Griechenland als international schutzberechtigt anerkannter afghanischer Staatsangehöriger, wandte sich gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, mit dem im Wesentlichen sein Asylantrag als unzulässig abgelehnt und ihm die Abschiebung nach Griechenland angedroht wurde.
Während die hiergegen erhobene Klage vor dem VG Erfolg hatte, hat der VGH auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Revision nach § 78 Abs. 8 AsylG zugelassen.
Gegen den dem Prozessbevollmächtigten am gleichen Tag zugestellten Beschluss des VGH vom 06.12.2024 hat der Kläger fristgerecht Revision eingelegt. Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers hat das BVerwG die Frist zur Begründung der Revision bis einschließlich 06.03.2025 verlängert. Die Revisionsbegründungsschrift des Klägers ist am 07.03.2025 um 23:54 Uhr über das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) beim BVerwG eingegangen.
Zur Begründung seines mit der Revisionsbegründung hilfsweise für den Fall einer vom Gericht angenommenen Fristversäumnis gestellten Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hingewiesen, dass der Revisionsbegründungsschriftsatz am 04.03.2025 bereits erstellt und für den 06.03.2025 ein persönliches Mandantengespräch zwischen ihm und dem Kläger geplant gewesen sei, in dem der Begründungsschriftsatz abschließend abgestimmt und noch am gleichen Tag bei Gericht eingereicht werden sollte. Aufgrund einer Erkrankung des Prozessbevollmächtigten ab dem 05.03.2025 habe das geplante Treffen am 06.03.2025 nicht stattfinden und der Anwalt auch nicht im Kanzleibüro anwesend sein können, weshalb die Revisionsbegründung erst am 07.03.2025 habe eingereicht werden können.
Die angekündigte zeitnahe Nachreichung einer entsprechenden Glaubhaftmachung ist in der Folgezeit unterblieben. Auf den gerichtlichen Hinweis, hinreichende Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand seien innerhalb der Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht vorgetragen worden, hat der Klägerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 29.08.2025 weiter vorgetragen, er sei am 05.03.2025 überraschend und akut an einem grippalen Infekt mit Fieber, Schüttelfrost und starken Kopf- sowie Gliederschmerzen erkrankt. Aufgrund der plötzlich eintretenden schweren Krankheitssymptome sei es ihm gesundheitlich unmöglich gewesen, seine beruflichen Pflichten auszuüben. Er habe unverzüglich ärztliche Hilfe aufgesucht; ein entsprechendes ärztliches Attest vom 05.03.2025 werde „erneut“ vorgelegt. Das für den 06.03.2025 anberaumte persönliche Gespräch mit dem Mandanten zur abschließenden Abstimmung habe wegen seiner Erkrankung weder vor Ort noch digital erfolgen können, da er sich krank und bettlägerig zu Hause aufgehalten habe. Obwohl er die Fristwahrung stets sorgfältig organisiere, sei aufgrund der Schwere der Erkrankung und seiner Alleinvertretung in der Kanzlei eine Vertretung durch Mitarbeitende und Kollegen nicht möglich gewesen. Er habe zu diesem Zeitpunkt weder einen Kanzleimitarbeitenden noch eine Vertreterin oder einen Vertreter gehabt. Zugang zum besonderen behördlichen Anwaltspostfach habe aus technischen sowie gesundheitlichen Gründen vom Krankenbett aus nicht bestanden. Die Verzögerung sei trotz höchstmöglicher anwaltlicher und organisatorischer Sorgfalt nicht zu vermeiden gewesen. Bei Auftreten erster Krankheitssymptome sei die Fristwahrung noch als möglich eingeplant gewesen, erst durch den akuten Verlauf sei auch eine kurzfristige Beauftragung eines Vertreters ausgeschlossen gewesen. Nach Wegfall der Krankheitssymptome und sobald es ihm gesundheitlich möglich gewesen sei, habe er die Revisionsbegründung am 07.03.2025 unverzüglich übermittelt.
Zur Glaubhaftmachung hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers eine eidesstattliche Versicherung sowie ein am Sonntag, dem 09.03.2025, um 21:58 Uhr über eine Telemedizin-Plattform ausgestelltes ärztliches Attest über eine vom 06. bis zum 07.03.2025 bestehende Arbeitsunfähigkeit wegen einer akuten Infektion der oberen Atemwege eingereicht.
Das BVerwG hat die Revision als unzulässig verworfen, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 139 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Satz 3 VwGO, der mangels einer abweichenden Regelung in § 78 Abs. 8 AsylG im vorliegenden Verfahren Anwendung findet, begründet worden ist und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO nicht gewährt werden kann.
Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehene Beschluss des VGH ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 06.12.2024 zugestellt worden. Die Frist für die Begründung der Revision endete nach antragsgemäß gewährter Fristverlängerung nach § 139 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Satz 3 VwGO am 06.03.2025. Die Revisionsbegründung ist erst am 07.03.2025 und damit verspätet beim BVerwG eingegangen.
Dem Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 Abs. 1 VwGO konnte nicht stattgegeben werden, weil sein Prozessbevollmächtigter nicht ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Frist des § 139 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Satz 3 VwGO einzuhalten.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt nach § 60 Abs. 1 VwGO voraus, dass der Betroffene ohne Verschulden an der Einhaltung einer gesetzlichen Frist gehindert war. Verschuldet i.S.d. § 60 Abs. 1 VwGO ist eine Fristversäumnis dann, wenn der Beteiligte die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden geboten ist und die ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten ist. Dabei ist ihm ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zuzurechnen (§ 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO). Die „Beweislast“ für die Umstände, die dafürsprechen, dass die Fristversäumnis unverschuldet war, liegt bei dem Betroffenen, der die Wiedereinsetzung begehrt. Der Wiedereinsetzungsantrag erfordert eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe, aus der sich ergibt, auf welchen konkreten Umständen die Fristversäumnis beruht und auf welche Weise es zur Versäumung der Frist gekommen ist. Gelingt die Glaubhaftmachung nicht oder bleibt nach den glaubhaft gemachten Tatsachen zumindest die Möglichkeit offen, dass die Fristversäumung von dem Beteiligten oder seinem Prozessbevollmächtigten verschuldet war, so kann Wiedereinsetzung nicht gewährt werden.
Gemessen hieran hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit seinem Vorbringen zu seinem krankheitsbedingten Ausfall ab dem 05.03.2025 nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er ohne Verschulden gehindert gewesen ist, die versäumte Frist einzuhalten.
Zwar kann die plötzliche Erkrankung oder eine familiäre Notlage eines als Einzelanwalt tätigen Prozessbevollmächtigten grundsätzlich als unverschuldeter Hinderungsgrund für die Einhaltung einer Frist anzusehen sein. Ein Einzelanwalt ist aber verpflichtet, schon vor Eintritt eines Vertretungsfalles zumutbare Maßnahmen wie zum Beispiel die Absprache mit einem vertretungsbereiten Kollegen zu ergreifen, die sicherstellen, dass bei einem unerwarteten Ausfall etwa infolge einer Erkrankung oder eines Unfalls unaufschiebbare Prozesshandlungen vorgenommen werden können. Auf einen krankheitsbedingten Ausfall muss sich der Rechtsanwalt aber nur durch konkrete Maßnahmen vorbereiten, wenn er einen solchen Ausfall vorhersehen kann. Wird er unvorhergesehen krank, muss er nur das unternehmen, was ihm zur Fristwahrung dann noch möglich und zumutbar ist. Diese Grundsätze gelten auch, wenn ein Rechtsanwalt die Frist zur Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels bis zum letzten Tag ausschöpft und daher wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos erhöhte Sorgfalt aufzuwenden hat, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen.
Die fristwahrenden Maßnahmen eines unvorhergesehen erkrankten Einzelanwalts ohne eigenes Personal können sich darin erschöpfen, die Vertretung, für die er zuvor im Rahmen der ihm obliegenden allgemeinen Vorkehrungen für Verhinderungsfälle Vorsorge zu treffen hatte, zu kontaktieren und um die Beantragung einer Fristverlängerung zu bitten. Auch bei einer unvorhergesehenen Erkrankung muss ein Rechtsanwalt aber alle ihm dann noch möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Wahrung einer Frist ergreifen. An einem dem Verfahrensbeteiligten zurechenbaren Verschulden fehlt es nur dann, wenn infolge der Erkrankung weder kurzfristig ein Vertreter eingeschaltet noch ein Fristverlängerungsantrag gestellt werden konnte.
Hier fehlt es bereits an einer hinreichend konkreten, schlüssigen und in sich widerspruchsfreien Schilderung, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers im maßgeblichen Zeitraum tatsächlich so plötzlich und schwer erkrankt war, dass er nicht mehr in der Lage war, mit zumutbaren Vorsorgemaßnahmen der Fristversäumnis entgegenzuwirken. Er hat lediglich vorgetragen, am 05.03.2025 überraschend und akut an einem grippalen Infekt mit Fieber, Schüttelfrost und starken Kopf- und Gliederschmerzen erkrankt zu sein; es sei ihm aufgrund der plötzlich eintretenden, schweren Krankheitssymptome gesundheitlich unmöglich gewesen, seine beruflichen Pflichten auszuüben. Er habe unverzüglich ärztliche Hilfe aufgesucht, hierzu werde ein entsprechendes ärztliches Attest erneut vorgelegt, wobei der Prozessbevollmächtigte auf ein Attest vom 05.03.2025 Bezug nimmt. Nähere Einzelheiten, insbesondere zum zeitlichen Eintritt und Verlauf der Erkrankung werden nicht geschildert; auch wird an anderer Stelle und dem eigenen Vorbringen einer plötzlich und unerwartet aufgetretenen Erkrankung widersprechend ausgeführt, dass bei Auftreten erster Krankheitssymptome die Fristwahrung noch als möglich eingeplant gewesen sei. Hiernach war es bereits nicht unzumutbar, sich in dieser Situation Gedanken über die vorsorgliche Unterrichtung eines Vertreters zu machen und durch dessen rechtzeitige und ausreichende Information dafür Sorge zu tragen, dass dieser ggf. den nach eigenem Vorbringen bereits erstellten Revisionsbegründungsschriftsatz einreicht oder einen (weiteren) Fristverlängerungsantrag stellt. Dass der Klägerbevollmächtigte, wie er selbst vorträgt, in dem hier maßgeblichen Zeitraum keine Maßnahmen für einen unvorhergesehenen Verhinderungsfall, insbesondere keine Vertretungsregelung, getroffen hat, geht als schuldhaftes Versäumnis zu seinen Lasten.
Im Unklaren bleibt in diesem Zusammenhang zudem, wie er den bereits anberaumten Termin am 06.03.2025 mit seinem Mandanten hat absagen können, wenn er gleichzeitig aufgrund der behaupteten plötzlichen Erkrankung und ohne einen Kanzleimitarbeitenden nicht mehr imstande gewesen sein will, noch irgendwelche Vorkehrungen zur Verhinderung der Fristversäumnis zu treffen. Widersprüchlich erscheinen des Weiteren die Ausführungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers zur behaupteten ärztlichen Behandlung und dem eingereichten ärztlichen Attest. So erweckt sein Vorbringen, er sei am 05.03.2025 überraschend und akut erkrankt und habe unverzüglich ärztliche Hilfe aufgesucht, zusammen mit seinem Hinweis auf ein „erneut“ eingereichtes Attest vom 05.03.2025 den Anschein, er habe sich bereits an diesem Tag in ärztliche Behandlung begeben. Das – erstmals und nicht erneut – bei Gericht eingereichte ärztliche Attest mit einer bescheinigten Arbeitsunfähigkeit für den 06. und 07.03.2025 ist aber nicht auf den 05.09.2025 datiert, sondern ist am Sonntag, den 09.03.2025 um 21:58 Uhr über eine Telemedizin-Plattform ausgestellt worden. Diese Umstände widersprechen dem Vorbringen des Prozessbevollmächtigten, unverzüglich ärztliche Hilfe in Anspruch genommen zu haben. Vielmehr hat er sich hiernach lediglich rückwirkend ein ärztliches Attest ausstellen lassen. Hinzu kommt, dass der Klägerbevollmächtigte in seiner eidesstattlichen Versicherung selbst angegeben hat, den Schriftsatz „nach Wegfall der Krankheitssymptome“ am 07.03.2025 eingereicht zu haben; in dem ärztlichen Attest vom 09.03.2025 kann daher rückwirkend nur das bescheinigt worden sein, was er selbst gegenüber dem Arzt angegeben hat. Eine eigene ärztliche Begutachtung der Symptome auch mittels Videokonferenz, die zu der attestierten akuten Erkrankung der oberen Atemwege für den 06. und 07.03.2025 geführt hat, dürfte hiernach nicht mehr möglich gewesen sein. Die aufgezeigten Widersprüchlichkeiten und Ungereimtheiten werden durch das Vorbringen des Klägerbevollmächtigten nicht aufgelöst.
Nach alledem hat der Prozessbevollmächtigte nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, so plötzlich und unerwartet erkrankt zu sein, dass ihm spätestens nach dem Auftreten erster Krankheitssymptome keine Zeit verblieben sei, vorsorgliche Vorkehrungen zur Wahrung der Frist zu ergreifen.
Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die vorgenannten, im Wesentlichen erst auf richterlichen Hinweis mit Schriftsatz vom 29.08.2025 und damit weit nach Ablauf der Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO ergangenen weiteren Ausführungen zum Wiedereinsetzungsantrag überhaupt noch als (zulässige) Ergänzungen des bisherigen Vorbringens gewertet werden oder angesichts des erheblich erweiterten Vortrags zu der plötzlich aufgetretenen Erkrankung und ihres akuten Verlaufs als nach Ablauf der Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO nachgeschobene Umstände ohnehin keine Berücksichtigung mehr hätten finden können.
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der Kläger innerhalb der Revisionsbegründungsfrist Prozesskostenhilfe beantragt hat, über deren Gewährung erst nach Ablauf dieser Frist entschieden worden ist. Zwar liegt regelmäßig ein Grund zur Wiedereinsetzung vor, wenn die unterlegene Partei, die sich für bedürftig halten durfte, innerhalb der Rechtsmittelbegründungsfrist einen vollständigen Antrag auf Prozesskostenhilfe eingereicht hat, um abhängig von der Entscheidung über die Gewährung von Prozesskostenhilfe darüber zu befinden, ob das Rechtsmittel durchgeführt werden soll, das Gericht – wie hier – über diesen Antrag aber nicht innerhalb der Frist für die Rechtsmittelbegründung entschieden hat. Wiedereinsetzung ist nach ständiger Rechtsprechung indessen nur dann zu gewähren, wenn die fristgemäße Einlegung oder Begründung des Rechtsmittels gerade „wegen“ der ausstehenden Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag unterblieben ist. Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher, dass zwischen dem unverschuldeten Hindernis und der Fristversäumung ein Kausalzusammenhang besteht. Die fehlende Begründung des Rechtsmittels muss gerade auf die Bedürftigkeit der Partei zurückzuführen sein. Die Kausalität kann verneint werden, wenn der Rechtsmittelführer nicht zu erkennen gegeben hat, dass der Rechtsanwalt, der das Rechtsmittel eingelegt hat, nur dann zu einem weiteren Tätigwerden im Rechtsmittelverfahren bereit ist, wenn Prozesskostenhilfe bewilligt wird.
Einen kausalen Zusammenhang zwischen der geltend gemachten Mittellosigkeit und der Fristversäumnis hat die Klägerseite nicht zu erkennen gegeben; ein solcher ist auch nicht ersichtlich. Der Kläger bzw. sein Prozessbevollmächtigter hat vielmehr in der Revisionsbegründung selbst vorgetragen, dass der Revisionsbegründungsschriftsatz bereits am 04.03.2025 und damit unabhängig von der Gewährung von Prozesskostenhilfe erstellt gewesen sei und am 06.03.2025 nur noch mit dem Kläger final habe abgestimmt werden sollen. Auch hat der Prozessbevollmächtigte die Fristversäumnis allein auf seine Erkrankung gestützt. Gegen die erforderliche Kausalität spricht auch der bisherige Gang des Revisionsverfahrens. Der Klägerbevollmächtigte hat die Revision ohne Abwarten einer Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag begründet und zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich oder konkludent angekündigt, eine Begründung der Revision von der Bewilligung der Prozesskostenhilfe abhängig zu machen.


C.
Kontext der Entscheidung
Das BVerwG hat seine Entscheidung auf der Grundlage der ständigen Rechtsprechung zu den Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand getroffen.
Der Beschluss betont – in Anknüpfung an Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Beschl. v. 06.09.2022 - VIII ZB 24/21 Rn. 18 m.w.N.) – die Darlegungsobliegenheiten im Rahmen eines Wiedereinsetzungsantrags, der eine geschlossene und aus sich heraus verständliche Darstellung der maßgeblichen Umstände enthalten muss. Genügt das Vorbringen diesen Anforderungen nicht, so hat der Antrag keinen Erfolg (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.09.2023 - 1 C 10/23 Rn. 12 m.w.N.).
Im vorliegenden Fall sind in erster Linie die Vorkehrungen bedeutsam, die ein Einzelanwalt für den Fall einer Erkrankung und der deshalb notwendigen Vertretung zu treffen hat (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 28.08.2008 - 6 B 22/08 - Rn. 15; BVerwG, Beschl. v. 29.11.2023 - 6 B 10/23 - Rn. 16 f.; BVerwG, Beschl. v. 11.06.2024 - 9 B 7/24 Rn. 20 ff.; BGH, Beschl. v. 26.09.2013 - V ZB 94/13 Rn. 7 ff.; BGH, Beschl. v. 24.04.2025 - III ZB 81/24 Rn. 8). An einem Verschulden fehlt es in einer derartigen Situation dann, wenn wegen der Erkrankung weder ein Vertreter beauftragt noch ein Fristverlängerungsantrag gestellt werden konnte (vgl. BVerwG, Beschl. v. 03.09.2003 - 7 B 74/03 Rn. 13). Dies war im vorliegenden Fall zu verneinen.
Soweit die vom Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgetragenen Umstände erst nach Ablauf der Frist des § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO geltend gemacht wurden, lässt die Entscheidung ausdrücklich offen, ob es sich dabei um zulässige bloße Ergänzungen früheren Vortrags handelte (vgl. zur Abgrenzung BVerwG, Urt. v. 22.03.2012 - 3 C 21/11 Rn. 25 m.w.N.).
Der Prozessbevollmächtige des Klägers hat schließlich nicht dargelegt, dass die fristgemäße Begründung des Rechtsmittels gerade wegen einer ausstehenden Entscheidung über einen vollständig gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unterblieben ist (vgl. hierzu BVerwG, Beschl. v. 10.08.2016 - 1 B 93/16 Rn. 5 f. unter Hinweis auf BVerfG, Beschl. v. 11.03.2010 - 1 BvR 290/10 Rn. 14 ff., insbesondere Rn. 18 m.w.N.; BVerwG, Beschl. v. 05.06.2009 - 5 B 28/09 Rn. 6; BGH, Beschl. v. 29.03.2012 - IV ZB 16/11 Rn. 15 ff.; BGH, Beschl. v. 06.08.2024 - IX ZB 26/23 Rn. 10 ff.; OVG Münster, Beschl. v. 25.05.2016 - 18 A 2206/12 Rn. 29 ff.; VGH München, Beschl. v. 31.03.2022 - 13a B 22.30123 Rn. 17; OVG Weimar, Beschl. v. 31.07.2018 - 4 ZKO 269/18 Rn. 13).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung verdeutlicht in einem konkreten Einzelfall die nicht gering zu schätzenden Anforderungen an die Darlegungen zur Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags und nimmt dabei die Aspekte der plötzlichen Erkrankung des Prozessbevollmächtigten und der noch ausstehenden Bescheidung eines Prozesskostenhilfeantrags in den Blick.



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