Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
I. Die Klägerin vermietete im Jahr 2009 der Beklagten eine Halle nebst Lagerbüro und außenliegenden Stellplätzen. Im Jahr 2012 wurden weitere Gewerbeflächen angemietet. Gleichzeitig vereinbarten die Vertragsparteien, dass sich das Mietverhältnis für die gesamten Flächen nach Ablauf des ersten Jahres ab Übergabe der weiteren Teilflächen jeweils um ein Jahr verlängert, falls es nicht von einer Vertragspartei unter Einhaltung einer Frist von drei Monaten vor Ablauf der Mietzeit gekündigt wird.
Mit Schreiben vom 10.03.2020 erklärte die Beklagte die Kündigung des Mietverhältnisses „zum nächstmöglichen Zeitpunkt 17.06.2020“. Der Kläger wies darauf hin, dass das Mietverhältnis aufgrund der Kündigung deutlich später ende. In der Folgezeit nutzte die Beklagte das Mietobjekt bis zum 31.12.2020 weiter und warf an diesem Tag die Schlüssel in den Hausbriefkasten des Klägers. Mit Schreiben vom 07.01.2021 erklärte der Kläger, dass die Rückgabe der Schlüssel ausdrücklich gegen seinen Willen erfolgt und er nicht empfangsbereit sei. Im Juni 2021 forderte der Kläger die Beklagte schriftlich unter Androhung der Selbstvornahme auf, im Einzelnen benannte Mängel und Schäden an der Mietsache zu beseitigen. Nach Ablauf der im Schreiben gesetzten Frist verlangte er die Zahlung von Schadensersatz sowie die Begleichung rückständiger Mieten.
Der auf Antrag des Klägers vom 26.08.2021 wegen dieser Forderungen erlassene Mahnbescheid ist der Beklagten am 30.08.2021 zugestellt worden. Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung rückständiger Mieten verurteilt und die Klage im Übrigen wegen Verjährung der Schadensersatzansprüche abgewiesen. Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.
II. Auch die vom Senat zugelassene Revision blieb erfolglos. Die vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzansprüche wegen vertragswidrigen Zustands der Mieträume seien verjährt.
1. Das mietrechtliche Verjährungsregime
Gemäß § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB verjähren Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache in sechs Monaten. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhält. Rückerhalt der Mietsache im Sinne dieser Vorschrift setzt grundsätzlich eine Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Vermieters voraus, weil dieser erst durch die unmittelbare Sachherrschaft in die Lage versetzt wird, sich ungestört ein umfassendes Bild von etwaigen Veränderungen oder Verschlechterungen der Sache zu machen und ggf. verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 31.08.2006 - 10 U 46/06 - NZM 2006, 866; Blank/Börstinghaus/Siegmund/Börstinghaus, Miete, 7. Aufl., § 548 BGB Rn. 17 m.w.N.). Weiter ist für den Rückerhalt erforderlich, dass der Mieter den Besitz vollständig und unzweideutig aufgibt.
2. Der Rückerhalt der Mietsache
Der Rückerhalt i.S.d. § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB setzt weder die Rückgabe der Mietsache i.S.d. § 546 Abs. 1 BGB noch die Beendigung des Mietverhältnisses voraus. Vielmehr ist der Rückerhalt der Mietsache auch dann für den Verjährungsbeginn maßgeblich, wenn der Mietvertrag noch nicht beendet ist. Das kann zur Folge haben, dass ein Anspruch i.S.d. § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB bereits vor Beendigung des Mietverhältnisses verjähren kann. Dementsprechend hat der BGH ein Zurückerhalten i.S.d. § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB bejaht, wenn der Mieter nach Kündigung, aber vor Beendigung des Mietverhältnisses dem Vermieter bzw. dessen Bevollmächtigtem die Schlüssel zurückgibt.
a) Die Bedeutung des Schlüsseleinwurfs
Nach Ansicht des BGH wurde der Lauf der Verjährungsfrist im zu entscheidenden Fall durch Einwurf der Schlüssel in den Hausbriefkasten des Klägers in Gang gesetzt, weil dieser hierdurch die Mieträume zurückerhalten hat. Nach dem Einwurf der Schlüssel in den Briefkasten des Klägers ist die für einen Rückerhalt i.S.d. § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderliche Änderung der Besitzverhältnisse zugunsten des Klägers als Vermieter im Sinne eines Übergangs des unmittelbaren Besitzes jedenfalls im Zeitpunkt seiner Kenntnis von der vollständigen Besitzaufgabe der Beklagten und der eigenen Sachherrschaft eingetreten. Dass diese Änderung dem Kläger durch den Einwurf der Schlüssel in seinen Briefkasten aufgedrängt wurde, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Denn die Beklagte hatte nach den tatrichterlichen Feststellungen keinen Zugang mehr zu den Mieträumen, während der Kläger ungehinderten Zugriff und damit die Möglichkeit der ungestörten Untersuchung erhalten hatte.
Die Erlangung des unmittelbaren Besitzes setzt zwar grundsätzlich einen Besitz(begründungs)willen voraus. Jedoch genügt hierfür der nach außen erkennbar gewordene generelle Besitz- oder Sachbeherrschungswille (vgl. Fritzsche in: BeckOK BGB, Stand: 01.11.2024, § 854 Rn. 25 m.w.N.). Dieser ist auch bei einer aufgedrängten Sachherrschaft grundsätzlich anzunehmen, wenn der Vermieter im (alleinigen) Besitz der Schlüssel ist und diese nicht etwa an den Mieter zurückgibt. Insbesondere ist der fehlende Rücknahmewille nicht ohne Weiteres dem fehlenden Besitzwillen gleichzusetzen. Denn dem Interesse des Vermieters entspricht es im Regelfall nicht, dass an der Mietsache kein unmittelbarer Besitz mehr besteht, also ein besitzloser Zustand eintritt.
b) Aufgedrängte Besitzerlangung
Nach Ansicht des Senats steht diesem Ergebnis auch nicht entgegen, dass der Vermieter nicht verpflichtet ist, die Mietsache jederzeit – sozusagen „auf Zuruf“ – zurückzunehmen. Denn hat der Vermieter die Mietsache tatsächlich i.S.d. § 548 Abs. 1 Satz 2 BGB zurückerhalten, dann ist die Frage, ob er zur Rücknahme vor Ablauf der Mietzeit verpflichtet gewesen wäre, für den Verjährungsbeginn ohne Belang. Dem Vermieter entstehen in diesen Fällen auch keine unbilligen Nachteile. Vielmehr wird eine rasche Auseinandersetzung zwischen den Parteien des Mietvertrags gewährleistet, eine beschleunigte Klarstellung der Ansprüche wegen des Zustands der überlassenen Sache bei Rückgabe erreicht und damit dem Gesetzeszweck Rechnung getragen. Durch den Rückerhalt der Mietsache beginnt zwar Verjährung und der Vermieter wird damit zur Vermeidung der Verjährung bestehender Schadensersatzansprüche gezwungen, zeitnah verjährungshemmende Maßnahmen zu ergreifen. Der Rückerhalt lässt aber weder etwaige Mietzahlungsansprüche entfallen noch schließt er Schadensersatzansprüche des Vermieters wegen Pflichtwidrigkeiten des Mieters vor Ende der Mietzeit aus.