Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Im Mai 2019 beschloss eine Einigungsstelle per Spruch einen Sozialplan, nach dem der Klägerin ein Abfindungsanspruch (wegen einer von ihr nicht angegriffenen Kündigung der Arbeitgeberin) zustand. Nach Nr. 5 des Sozialplans entstehen diese Ansprüche – sofern keine Kündigungsschutzklage erhoben wird – mit seinem Abschluss und werden mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig. Die Arbeitgeberin focht den Einigungsstellenspruch wegen Überdotierung des Sozialplans an und zahlte die Abfindung zunächst nicht aus.
Das ArbG Dresden und das LArbG Chemnitz wiesen die Anfechtung ab. Nachdem auch das BAG die Nichtzulassungsbeschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen hatte, zahlte diese die Abfindung ohne Verzugszinsen an die Klägerin aus.
Die Klägerin hat mit ihrer Klage zuletzt noch Verzugszinsen auf die Abfindung geltend gemacht. Die Arbeitgeberin hat in dem Verfahren die Ansicht vertreten, der Anspruch der Klägerin auf eine Abfindung nach dem Sozialplan sei erst mit Rechtskraft der Entscheidung im Beschlussverfahren über die Wirksamkeit des Einigungsstellenspruchs fällig geworden. Jedenfalls habe sie sich nicht schuldhaft im Verzug befunden, weil bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschlussverfahrens unklar gewesen sei, ob eine rechtliche Grundlage für die Zahlung einer Abfindung bestand. Die Klage blieb vor dem ArbG Dresden und dem LArbG Chemnitz erfolglos.
Das BAG hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Arbeitgeberin verurteilt, die Verzugszinsen an die Klägerin zu zahlen. Der Zinsanspruch ergebe sich aus den §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 BGB, da sich die Arbeitgeberin in Verzug befunden habe. Die Klägerin sei – ohne Klageerhebung – aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, so dass ihr Abfindungsanspruch gemäß Nr. 5 des Sozialplans zu dem Zeitpunkt des Ausscheidens fällig geworden sei.
Der Fälligkeit des Abfindungsanspruchs stehe nicht entgegen, dass die Arbeitgeberin den Spruch der Einigungsstelle gerichtlich angefochten hat. Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts komme einer Entscheidung über die Anfechtung eines Spruchs über einen Sozialplan keine rechtsgestaltende, sondern lediglich feststellende Wirkung zu. Entsprechend sei der Antrag auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Spruchs und nicht auf seine Aufhebung zu richten (vgl. BAG, Beschl. v. 14.02.2023 - 1 ABR 28/21 Rn. 15 und BAG, Beschl. v. 07.05.2019 - 1 ABR 54/17 Rn. 12 m.w.N.).
Nach § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB habe es für den Eintritt des Verzugs keiner Mahnung bedurft. Nach dieser Norm bedürfe es keiner Mahnung, wenn der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt. Ein typischer Fall eines solchen Ereignisses sei die Kündigung (vgl.
BT-Drs. 14/6040, S. 145, unter Verweis auf § 284 Abs. 2 Satz 2 BGB a.F.).
Der Eintritt des Schuldnerverzugs sei auch nicht nach § 286 Abs. 4 BGB ausgeschlossen gewesen. Nach § 286 Abs. 4 BGB kommt der Schuldner nicht in Verzug, solange er einwendet, dass die Leistung aufgrund eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat. Die Arbeitgeberin habe den Einwand damit begründet, während des gerichtlichen Beschlussverfahrens über die Wirksamkeit des Einigungsstellenspruchs habe „Unsicherheit über die Grundlage der Leistungen“ bestanden. Damit habe sie nur einen – unbeachtlichen – Rechtsirrtum geltend gemacht. Die Annahme eines solchen Falls sei an strenge Voraussetzungen geknüpft und komme nur dann in Betracht, wenn die Rechtslage besonders zweifelhaft und schwierig ist und sich eine einheitliche Rechtsprechung noch nicht gebildet hat. Das Risiko einer gänzlich ungeklärten Rechtslage falle dem Schuldner nicht zur Last. Ein normales Prozessrisiko entlastet ihn dagegen nicht (BAG, Urt. v. 30.01.2024 - 1 AZR 74/23 Rn. 25 und BAG, Urt. v. 12.09.2022 - 6 AZR 261/21 Rn. 32 m.w.N.).
Die Arbeitgeberin habe nicht dargelegt, dass die Rechtslage in Bezug auf die Wirksamkeit des Einigungsstellenspruchs besonders zweifelhaft und schwierig gewesen wäre. Für die Überprüfung eines – auf einem Einigungsstellenspruch beruhenden – Sozialplans wegen Überdotierung existiere vielmehr eine ständige Rechtsprechung (vgl. nur BAG, Beschl. v. 07.05.2019 - 1 ABR 54/17 Rn. 16 ff.; BAG, Beschl. v. 22.01.2013 - 1 ABR 85/11 Rn. 14 ff. und BAG, Beschl. v. 24.08.2004 - 1 ABR 23/03).