Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Entscheidung betrifft einen Teilkomplex der bundesweit bekannt gewordenen Schließung eines Fleischereibetriebs im Kreis Gütersloh nebst Allgemeinverfügung zur Absonderung im Juni 2020 im Zuge der Corona-Pandemie.
In dem Verfahren klagte ein Unternehmen, welches sich als Werkunternehmerin verpflichtet hatte, im Betrieb der T. GmbH & Co. KG in R. Zerlegearbeiten zu tätigen, wegen eines Erstattungsanspruchs nach §§ 56 Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG sowie § 57 Abs. 1 und 2 IfSG gegen das Land Nordrhein-Westfalen. Dieses Unternehmen hatte mit Arbeitsvertrag vom 14.11.2018 Herrn M. unbefristet als Arbeitnehmer eingestellt und diesen im Juni 2020 auf dem Betriebsgelände der T. GmbH & Co. KG in R. eingesetzt. Aufgrund von Massentestungen im Juni 2020 wurde festgestellt, dass eine Vielzahl der Beschäftigten am Standort R. mit dem Coronavirus infiziert waren. Daraufhin wurde die Schließung des Betriebsstandortes und ein Betretungsverbot durch Anordnungen des Kreises G. und der Stadt R. bis zum 17.07.2020 verfügt.
Außerdem ordnete der Kreis G. mit Allgemeinverfügung vom 18.06.2020 gegenüber allen in der Produktion tätigen Personen die Absonderung in häusliche Quarantäne an. Begründet wurde diese Maßnahme damit, dass aufgrund der örtlichen Bedingungen und der Unterbringung die Gefahr einer Ansteckung besonders wahrscheinlich sei. Diese Allgemeinverfügung wurde am 20.06.2020 modifiziert und erstreckte sich sodann auf alle auf dem Betriebsgelände tätigen Personen und lief zunächst bis zum 02.07.2020. Mit Allgemeinverfügung vom 01.07.2020 ordnete das nordrhein-westfälische Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales die Verlängerung der Absonderung vom 03. bis zum 17.07.2020 an. Nach Ablauf der Allgemeinverfügung verfügte die Stadt R. gegenüber Herrn M. eine weitere Absonderung bis zum 24.07.2020.
Während dieser Zeit leistete das klagende Unternehmen Zahlungen an Herrn M. in Höhe des vereinbarten Arbeitsentgeltes und führte auch die entsprechenden Sozialabgaben ab. Am 28.07.2020 beantragte die Klägerin Erstattung der Beträge für Juni 2020, wovon zuletzt noch 748,00 Euro streitig waren. Das Land lehnte die Erstattung ab und verwies darauf, dass Herr M. keinen Entschädigungsanspruch nach dem IfSG habe, da § 616 Satz 1 BGB greife und den subsidiären Anspruch aus dem IfSG ausschließe und die Klägerin außerdem gegen Arbeitsschutzvorschriften verstoßen habe, so dass sie zur Zahlung des Lohnes in dieser Zeitspanne verpflichtet gewesen sei.
Hiergegen klagte das Unternehmen erfolgreich vor dem VG Minden. Auf die Berufung der Beklagten beim Oberverwaltungsgericht wurde das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Nach Auffassung des OVG Münster schied eine Entschädigung aus, weil die insgesamt fünfwöchige Absonderungspflicht ein persönliches Leistungshindernis für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit gemäß § 616 Satz 1 BGB darstelle, so dass Herr M. deswegen von der Klägerin Vergütung beanspruchen könne und daher kein Raum für einen Entschädigungsanspruch existiere.
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Klageziel, die Erstattung der an M. geleisteten Zahlungen, weiter. Sie stützt ihr Vorbringen im Wesentlichen auf zwei Argumente. Zum einen trägt sie vor, dass aufgrund der Allgemeinverfügungen schon kein persönliches Hindernis bestanden habe. Zum anderen vertritt sie die Auffassung, dass es sich bei der fünf Wochen währenden Quarantäne gerade nicht um eine nicht erhebliche Zeitspanne gehandelt habe. § 616 Satz 1 BGB sei eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift und greife allenfalls für ein paar Tage ein. Keinesfalls könnten die Wertungen von § 3 EFZG übertragen werden.
Das BVerwG hält die zulässige Revision für begründet, da das Urteil des OVG Münster Bundesrecht verletzt. Insoweit hat es das Urteil aufgehoben. Ob die Entscheidung des OVG aus anderen Gründen richtig war, lässt das Gericht mangels getroffener Feststellungen offen und hat die Sache insoweit zurückverwiesen.
Anders als die Vorinstanz hat das BVerwG einen Anspruch auf Entschädigung angenommen. Zwar liege ein persönliches Hindernis vor, doch sei die fünfwöchige Absonderungspflicht des ansteckungsverdächtigen M. im konkreten Fall gerade keine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit i.S.d. § 616 Satz 1 BGB, und eine pauschale Orientierung an der Sechs-Wochen-Frist des § 3 EFZG sei gerade nicht indiziert.
Kontext der Entscheidung
Der Entscheidung ist insoweit zuzustimmen, als sie die Abwälzung der Kosten über den Umweg der Ausweitung des § 616 Satz 1 BGB für die schon zum damaligen Zeitpunkt erkennbar zu weitgehende und unverhältnismäßige Maßnahme der Massenabsonderung von Ansteckungsverdächtigungen begrenzt.
Das BVerwG hat sich im Rahmen der Entscheidung mit drei Fragen befasst. Zuerst musste es klären, ob ein Vergütungsanspruch nach § 616 Satz 1 BGB einen Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG ausschließt. Sodann war zu klären, ob vorliegend ein persönlicher Verhinderungsgrund gegeben war, und schließlich, ob die Verhinderung nur eine verhältnismäßig unerhebliche Zeit bestanden hat.
I. Verhältnis von § 616 Satz 1 BGB und § 56 Abs. 1 IfSG
Nach h.M. ist der Entschädigungsanspruch aus dem IfSG subsidiär zum Anspruch aus § 616 Satz 1 BGB (OVG Lüneburg, Beschl. v. 02.07.2021- 13 LA 258/21; LArbG Erfurt, Urt. v. 08.08.2023 - 1 Sa 41/23; VG Göttingen, Urt. v. 20.07.2023 - 4 A 150/21; Legleitner in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., Stand: 29.04.2025, § 616 Rn. 12; Eckart/Kruse in: BeckOK Infektionsschutzrecht, 24. Edition, Stand: 01.04.2025, § 56 IfSG Rn. 37). Die Befürworter berufen sich auf den Wortlaut, denn § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG macht den Anspruch von einem Verdienstausfall abhängig. Ein solcher liegt üblicherweise vor, wenn die Vergütung wegen § 616 Satz 1 BGB weitergezahlt werden muss. Der Gesetzgeber hat bei der Änderung des § 56 Abs. 1a IfSG im Jahr 2021 zudem deutlich herausgestellt, dass er auch Entgeltersatzleistungen als vorrangig ansieht (
BT-Drs. 19/27291, S. 61).
Die Befürworter der h.M. argumentieren mit der historischen Auslegung, nach der der Gesetzgeber seinerzeit mit der Entschädigung nur bezweckte, dass Arbeitnehmer vor materieller Not geschützt werden, wenn aus Gründen der gesundheitlichen Gefahrenabwehr ein potenziell ansteckungsverdächtiger Arbeitnehmer nicht arbeiten darf und er weder Vergütung noch – beispielsweise wegen Erkrankung – eine andere Lohnersatzleistung erhält (Eckart/Kruse in: BeckOK Infektionsschutzrecht, § 56 IfSG Rn. 37; Henssler in: MünchKomm BGB, 9. Aufl. 2023, § 616 Rn. 9; BAG, Urt. v. 20.03.2024 - 5 AZR 234/23 - NJW 2024, 2705 Rn. 18 ff.).
Der Subsidiaritätsgrundsatz wird indes vielfach als nicht überzeugend kritisiert. Die Kritik zielt u.a. darauf ab, dass das Risiko zwischen Arbeitgeber und Solidargemeinschaft ungerecht verteilt ist, insbesondere weil § 616 Satz 1 BGB dispositiv ist und damit den Arbeitgeber belohnt, der weniger Verantwortung übernimmt. Zudem ist der Tatbestand des § 56 Abs. 1 IfSG unpräzise, und § 3 EFZG könne nicht in Konkurrenz stehen, weil man entweder krank sei oder ein Fall des § 56 IfSG vorliege (insgesamt kritisch Henssler/von Medem, RdA 2024, 1, 7; kritisch im Verhältnis zu § 616 Satz 1 BGB Balkau, NZA 2025, 468, sowie Schmidt-Lauber/Naber/Ruth, NZA 2023, 1220; ablehnend im Hinblick auf § 3 EFZG Kingreen, NVwZ 2025, 16). Als besonders problematisch wird dabei angesehen, dass im Falle des § 616 Satz 1 BGB die Frage, wer letztlich die Kosten für die Quarantäne zu tragen hat, von weiteren Rechtsfragen abhängt, nämlich, wann ein persönlicher Verhinderungsgrund vorliegt und wann von einem verhältnismäßig unerheblichen Zeitraum auszugehen ist (so Schmidt-Lauber/Naber/Ruth, NZA 2023, 1220; Henssler/von Medem, RdA 2024, 1, 7).
Im Ergebnis jedenfalls überzeugt der Subsidiaritätsgrundsatz nicht, denn er belastet die Arbeitgeber, vor allem auch kleine Betriebe, über Gebühr, da diese neben den Lohnkosten ggf. auch noch weitere Kosten zu tragen haben. Gerade in Anbetracht der Tatsache, dass der Staat bei der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen in Pandemiezeiten in Summe nicht so genau hingesehen hat, ist es nicht akzeptabel, dass diese Eingriffe auch noch auf dem Rücken der Arbeitgeber erfolgten. Der Arbeitgeber muss daher nicht nur das leisten, wozu er nach den Zivilrecht verpflichtet ist, nämlich dem Arbeitnehmer aufgrund der arbeitgeberseitigen Fürsorgepflicht bei unverschuldeter Unmöglichkeit, die dessen Rechtskreis entstammt, seinen Lohnanspruch zu erhalten, sondern der Arbeitgeber wird aufgrund eines staatlich angeordneten Eingriffs zur Zahlung der Vergütung herangezogen (so auch Balkau, NZA 2025, 468), womit er eben nicht rechnen muss. Darüber hinaus wird für Arbeitgeber so ein Anreiz geschaffen, § 616 Satz 1 BGB abzubedingen mit der Folge, dass sie sich auch in pandemiefernen Situationen, wie z.B. besonderen Betreuungssituationen ihrer Fürsorgepflicht entziehen. Auch benachteiligt diese Rechtsprechung vor allem kleine Betriebe ohne eigene Rechtsabteilung, die sich der Folgen von § 616 Satz 1 BGB in der Regel nicht bewusst sind und diese wohl nur selten ausschließen.
Gleichwohl streiten zumindest der Wortlaut und die Gesetzesbegründung aus 2021 für den Subsidiaritätsgrundsatz (a.A. Henssler/von Medem, RdA 2024, 1, 7), so dass der Gesetzgeber gut beraten wäre, im Hinblick auf eine gerechte Lastenverteilung eine gesetzliche Klarstellung vorzunehmen. Kommt man infolgedessen nicht über den Grundsatz der Subsidiarität hinweg, sollten die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 616 Satz 1 BGB eng ausgelegt werden, um gerechte Ergebnisse zu erzielen.
II. Vorliegen eines persönlichen Verhinderungsgrundes
Der Arbeitnehmer kann die Fortzahlung der Vergütung und damit keine Entschädigung nach § 56 Abs. 1 IfSG beanspruchen, wenn er durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert ist. Der Verhinderungsgrund muss in der Person des Arbeitnehmers liegen, also seiner persönlichen Sphäre entstammen, wobei die Ursache nicht in den persönlichen Eigenschaften liegen muss (Legleitner in: jurisPK-BGB, § 616 Rn. 4). Dafür muss jedoch zwischen persönlichem Verhinderungsgrund und Nichtleistung ein Kausalzusammenhang bestehen (OVG Münster, Urt. v. 10.03.2023 -18 A 1460/22 Rn. 123 bis 127; Bieder in: BeckOGK, Stand: 01.07.2022, § 616 BGB Rn. 34).
Ausgenommen werden allerdings objektive Leistungshindernisse. Solche objektiven Leistungshindernisse liegen vor, wenn sie ihre Ursache nicht in der persönlichen Sphäre eines einzelnen Arbeitnehmers haben, sondern zur selben Zeit für mehrere Arbeitnehmer gleichzeitig vorliegen (Joussen in: BeckOK Arbeitsrecht, 75. Edition, Stand: 01.03.2025, § 616 BGB Rn. 19). Argument für den Ausschluss ist, dass eine Leistungspflicht des Arbeitgebers in solchen Fällen diesen überlasten würde, da er aus der Fürsorgepflicht nur verpflichtet ist, die üblichen persönlichen Hinderungsgründe aufzufangen, aber eben gerade nicht allgemeine Vorkommnisse, die nicht seinem Verantwortungsbereich entspringen (Joussen in: BeckOK Arbeitsrecht, § 616 BGB Rn. 19).
Vorliegend war es M. wegen der behördlichen Quarantäneanordnung, die zunächst auf Basis einer Allgemeinverfügung erging, unmöglich, seiner Arbeit im Schlachtbetrieb nachzukommen. Es stellt sich hier durchaus die Frage, ob darin nicht ein objektives Leistungshindernis gesehen werden muss. Die Befürworter dieser Sichtweise führen an, dass die Wahrscheinlichkeit, in der Corona-Pandemie ansteckungsverdächtig zu werden, so hoch war, dass es sich hier um ein objektives Leistungshindernis handle (so ArbG Iserlohn, Urt. v. 03.05.2022 - 2 Ca 1848/21 Rn. 67 f.; Weller/Lieberknecht/Habrich, NJW 2020, 1017, 1019). Hiergegen führt die h.M. an, dass es keinen Maßstab gäbe, wann eine Wahrscheinlichkeit zu einem objektiven Hindernis werde, und außerdem berufen sich deren Vertreter darauf, dass es ausreiche, wenn sich ein objektives Hindernis auf die persönliche Sphäre des Arbeitnehmers in besonderem Maße auswirke (Krause in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht, 11. Aufl. 2024, § 616 BGB Rn. 18: Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137, 1140). Auch wenn es sich um ein weltweites Risiko handle, verwirklicht sich die Quarantäneanordnung letztlich in der Person des jeweiligen Arbeitnehmers, so dass eben doch ein persönlicher Hinderungsgrund bestehe (Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137, 1140). Hieran ändere sich auch nichts, wenn viele andere Kollegen ebenfalls betroffen seien und per Allgemeinverfügung agiert würde, solange der bestimmbare Personenkreis so eng gefasst sei, dass eben nicht jede Person das Risiko habe, hiervon betroffen zu sein, sondern nur bestimmte Personen, die in der Produktion in R. gearbeitet haben (Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413, 415). Auch wenn gerade das letzte Argument nicht vollständig überzeugt, denn spätestens mit der zweiten Quarantäneverfügung, von der alle Mitarbeiter in R. betroffen waren, könnte man auch von einer betriebs- und gerade nicht mehr personenbezogenen Allgemeinverfügung sprechen, ist letztlich dem BVerwG in der Einordnung als persönlicher Hinderungsgrund zuzustimmen, denn das Risiko von der Quarantäneanordnung betroffen zu sein, wurzelt nicht im allgemeinen Lebensrisiko, sondern steht bei Herrn M. im Zusammenhang mit der Tätigkeit für die Klägerin, so dass es angemessen erscheint, diese als Arbeitgeberin für den M. einstehen zu lassen.
III. Verhinderung nur für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit
Wenn man den Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG als nachrangig zu § 616 Satz 1 BGB betrachtet, ist diese Tatbestandsvoraussetzung sozusagen das letztmögliche Korrektiv, um eine gerechte Verteilung zwischen arbeitgeberseitiger Fürsorgepflicht und staatlicher Einstandspflicht für das Corona-Management zu erreichen.
Aufgrund der normativen Weite des Begriffes „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ stellt sich die Frage, wie eine sinnvolle Begrenzung des Arbeitgeberrisikos in den zahlreichen Fällen der Quarantäneanordnung von Ansteckungsverdächtigen gelingt. Grundsätzlich besteht Einigkeit darüber, dass sich die erhebliche Zeit nach den Umständen des Einzelfalles richtet (BAG, Urt. v. 11.08.1988 - 8 AZR 721/85 Rn. 42), wobei oft an die Dauer des Arbeitsverhältnisses angeknüpft wird, und im Falle des Überschreitens der Erheblichkeitsschwelle der Anspruch auf Vergütung von Anfang an entfällt. Fraglich ist nun, wo diese Grenze liegt. Der BGH hatte 1978 entschieden, dass eine Zeit bis zu sechs Wochen noch eine unerhebliche Zeit sein könne (BGH, Urt. v. 30.11.1978 - III ZR 43/77 Rn. 37). Überwiegend wird jedoch vertreten, dass die Grenze bei wenigen Tagen bis hin zu zwei Wochen bzw. 16 Tagen zu ziehen ist (guter Überblick bei Henssler/von Medem, RdA 2024, 1, 7 f.; Preis/Greiner in: ErfKomm, 25. Aufl. 2025, § 616 BGB Rn. 12b).
Zu begrüßen ist, dass das BVerwG dem OVG Münster, welches fünf Wochen als unerhebliche Zeitspanne ansah, Einhalt geboten hat. Zugleich hat das Gericht bemerkenswert deutlich klargestellt, dass die Zeitspanne des § 616 Satz 1 BGB für einen nur Ansteckungsverdächtigen nicht an der Zeitspanne, die sich aus § 3 EFZG ergibt, angelehnt werden könne, denn beide Vorschriften enthielten unterschiedliche Wertungen, und nur § 3 EFZG ermögliche dem Arbeitgeber ein Ausgleichsverfahren (so auch Henssler/von Medem, RdA 2024, 1, 11 f.).
Das BVerwG hat allerdings auch entschieden, dass aufgrund der gebotenen Einzelfallbetrachtung nicht stets von einem nur wenige Tage umfassenden Zeitraum ausgegangen werden könne (so aber Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413). Vielmehr legt es die seinerzeit bekannte maximale 14-tägige Inkubationszeit zugrunde und kommt zu dem Ergebnis, dass insoweit eine Absonderungsdauer von vollen 14 Tagen eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit sei (so ausdrücklich in der Parallelentscheidung BVerwG, Urt. v. 05.12.2024 - 3 C 8/23 Rn. 22). Damit liegen erstmals richtungsweisende Leitentscheidungen des BVerwG vor, an der sich voraussichtlich die Gerichte in den noch zahlreichen Klagen orientieren werden.
Fraglich ist, ob die Festlegung auf 14 Tage nicht der eigenen Sichtweise, dass nämlich stets der Einzelfall entscheide, widerspricht. Balkau hält die Orientierung an der Inkubationszeit nicht für sachgerecht, weil das persönliche Hindernis auf einen staatlichen Akt zurückgehe und mit dieser Entscheidung auch entschieden werde, wer das Lohnrisiko zu tragen habe. Dies könne nach seiner Auffassung nur mit einer belastungsorientierten Betrachtungsweise gelingen, die beachte, dass das Arbeitshindernis der staatlichen Sphäre entspringe und daher auch vom Staat ausgeglichen werden müsse, so dass eine Zeit von mehr als zehn Tagen in der Regel diese Grenze überschreite (Balkau, NZA 2025, 468). Auch Henssler/von Medem, RdA 2024, 1, 13) sehen nicht nur die sechswöchige Frist als problematisch an, sondern lehnen mit Blick auf die Funktion von § 56 IfSG und § 616 Satz 1 BGB im Rechtssystem eine Verantwortung des Arbeitgebers für mehr als fünf Tage ab, denn die staatliche Entscheidung darüber, wie streng und effektiv Infektionskrankheiten bekämpft werden, kann nicht auf dem Rücken der Arbeitgeber erfolgen (Henssler/von Medem, RdA 2024, 1). Dem ist zuzustimmen. Zutreffend argumentieren die Autoren damit, dass die Norm des § 616 Satz 1 BGB heutzutage überwiegend als Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes „minima non curat praetor“ zu verstehen ist und das Ziel verfolgt, dass unerhebliche Leistungshindernisse, die von vornherein bei der Beauftragung der Dienste einkalkuliert werden können, nicht in kleinlicher Weise zu einer Kürzung des Entgelts führen sollen (so auch Oetker in: Staudinger, BGB, 2022, § 616 Rn. 15 ff.; Joussen in: BeckOK ArbR, 63. Ed., Stand: 01.09.2023, § 616 BGB Rn. 3; Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413, 415). Diesem Verständnis folgend haben zahlreiche Tarifverträge spezialgesetzliche Sonderreglungen bei persönlicher Arbeitsverhinderung getroffen, die in der Regel nur einige Tage oder auch Stunden betragen. Diesem Verständnis entsprechend sollte auch § 616 Satz 1 BGB verstanden werden, wenn man ihn denn überhaupt für anwendbar hält (Henssler/von Medem, RdA 2024, 1).
Dieser Auffassung ist zuzustimmen, denn die Entscheidung des Staates beim Umgang mit Quarantäneanordnungen – von nur Ansteckungsverdächtigen – im Rahmen des Pandemiemanagements ist eine staatliche Entscheidung zum Schutz der Allgemeinheit gewesen, die nicht auf dem Rücken der Arbeitgeber ausgetragen werden darf, sondern dann auch von der Allgemeinheit zu tragen ist. Dies gilt umso mehr, da gerade kleinere Unternehmen, die weder einzelvertraglich noch tarifvertraglich § 616 Satz 1 BGB abbedungen haben und aufgrund dessen in derartigen Fallkonstellationen finanziell über Gebühr zur Verantwortung gezogen werden, betroffen sind.