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Anmerkung zu:LArbG Köln 7. Kammer, Urteil vom 19.08.2025 - 7 SLa 647/24
Autor:Thomas Buchner, RA, FA für Arbeitsrecht und FA für Verkehrsrecht
Erscheinungsdatum:12.11.2025
Quelle:juris Logo
Normen:§ 276 BGB, § 307 BGB, § 305 BGB, Art 12 GG, § 305c BGB
Fundstelle:jurisPR-ArbR 45/2025 Anm. 1
Herausgeber:Prof. Franz Josef Düwell, Vors. RiBAG a.D.
Prof. Klaus Bepler, Vors. RiBAG a.D.
Zitiervorschlag:Buchner, jurisPR-ArbR 45/2025 Anm. 1 Zitiervorschlag

Wirksamkeit von Klauseln über die Rückzahlung von Ausbildungskosten



Leitsätze

1. Für den in einer Rückzahlungsklausel verwendeten Begriff des Vertretenmüssens kommen zwei vertretbare Auslegungsmöglichkeiten in Betracht: Der Begriff kann i.S.d. § 276 BGB als Verschulden durch vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten interpretiert werden. Er kann aber auch als dahin gehend interpretiert werden, dass er alle Gründe umfasst, die aus der jeweiligen Verantwortungs- und Risikosphäre stammen.
2. Eine Rückzahlungsklausel ist auch dann unangemessen benachteiligend i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB, wenn sie den Arbeitnehmer, der das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Bindungsdauer kündigt, weil es ihm z.B. aufgrund eines durch eigene leichteste Fahrlässigkeit verursachten Unfalls nicht mehr möglich ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, zur Erstattung der Fortbildungskosten verpflichten soll.
3. Eine Rückzahlungsklausel im Vertrag eines Brandmeisteranwärters, die vorsieht, dass die während der 18-monatigen Ausbildung zum Brandmeister gezahlte Bruttovergütung bei einem vorzeitigen Ausscheiden zeitratierlich zurückzuzahlen ist, benachteiligt den Arbeitnehmer unangemessen i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.



Orientierungssatz zur Anmerkung

Knüpft eine Rückzahlungsklausel an den Begriff des „Vertretenmüssens“ an, so geht eine mehrdeutige Auslegungsmöglichkeit zulasten des Arbeitgebers als Verwender der Klausel.



A.
Problemstellung
Die Weiterbildung von Arbeitnehmern führt für den Arbeitgeber oftmals zu einem Spannungsfeld. Einerseits hat er regelmäßig ein betriebliches Interesse daran, dass der Arbeitnehmer durch zusätzliche Qualifikationen sein Einsatzgebiet erweitert und Fähigkeiten erwirbt, die er gewinnbringend für das Unternehmen einsetzen kann. Andererseits sind gerade mehrjährige Aus- und Weiterbildungen mit hohen Kosten verbunden, nicht nur im Hinblick auf die reinen Fortbildungskosten, sondern auch mit Blick auf das regelmäßig fortgezahlte Entgelt und die Zeit, in welcher der Arbeitnehmer aufgrund der Fortbildung dem Betrieb nicht zur Verfügung steht. Vielfach wird versucht, die Risiken beider Parteien durch gesonderte Fortbildungsvereinbarungen und eine hierin getroffene Kostenregelung zu verteilen. Oftmals sehen solche Regelungen vor, dass Teile der Ausbildungskosten zurückgezahlt werden müssen, wenn das Arbeitsverhältnis aufgrund zuvor definierter Gründe und zu bestimmten Zeitpunkten endet. Für den Arbeitgeber kann es sich dabei als teures Unterfangen erweisen, wenn sich die Klauseln als nicht wirksam herausstellen. Über eine solche Fallgestaltung hatte das LArbG Köln zu entscheiden.


B.
Inhalt und Gegenstand der Entscheidung
Die Parteien stritten über die Rückzahlung von Fortbildungskosten. Die klagende Arbeitgeberin machte gegen den Arbeitnehmer – einen zunächst angehenden Feuerwehrmann – einen entsprechenden Anspruch gerichtlich geltend. Vor deren Beginn schlossen sie über die Fortbildung eine Vereinbarung, in der es u.a. heißt:
„§ 4 Rückzahlungsverpflichtung: Weiterbildungskosten
(1) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, die nach § 3 vom Arbeitgeber tatsächlich übernommenen Kosten ganz oder teilweise an diesen zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Jahren (= 36 Monate) nach erfolgreicher Beendigung der Fortbildung aus vom Arbeitnehmer zu vertretenden Gründen von diesem selbst, dem Arbeitgeber oder im gegenseitigen Einvernehmen auf Veranlassung des Arbeitnehmers beendet wird. Die vorgenannte Rückzahlungsverpflichtung entsteht somit nicht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus Gründen, die der Verantwortungs- und Risikosphäre des Arbeitgebers zuzurechnen sind.
(2) Für jeden vollen Beschäftigungsmonat nach Beendigung der Fortbildung vermindert sich der Rückzahlungsbetrag um 1/36.
(3) Eine Rückzahlungspflicht besteht auch, wenn der Arbeitnehmer die Fortbildung ohne wichtigen Grund vorzeitig abbricht. Sie besteht ferner, wenn der Arbeitnehmer schuldhaft das Ziel der Fortbildung nicht erreicht oder das Arbeitsverhältnis vor Abschluss der Fortbildung aus vom Arbeitnehmer zu vertretenden Gründen von diesem selbst, dem Arbeitgeber oder im gegenseitigen Einvernehmen auf Veranlassung des Arbeitnehmers beendet wird. Abs. 2 dieser Vorschrift findet in den vorgenannten Fällen keine Anwendung. § 4 Abs. 1 Satz 2 dieser Vereinbarung gilt entsprechend. Bei vorzeitigem Abbruch oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Fortbildungsende sind die bis dahin tatsächlich entstandenen Kosten (§ 3) zu erstatten.
(4) Der jeweilige Rückzahlungsbetrag ist in voller Höhe zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis fällig und kann gegen pfändbare finanzielle Ansprüche des Arbeitnehmers aufgerechnet werden.
§ 5 Rückzahlungsverpflichtung: Freistellungsvergütung (brutto)
(1) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich ferner, die nach § 2 vom Arbeitgeber während der Freistellung gezahlte (Bruttomonats-)Vergütung – ohne Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung – ganz oder teilweise an diesen zurückzuzahlen, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Jahren (= 36 Monate) nach erfolgreicher Beendigung der Fortbildung aus vom Arbeitnehmer zu vertretenden Gründen von diesem selbst, dem Arbeitgeber oder im gegenseitigen Einvernehmen auf Veranlassung des Arbeitnehmers beendet wird. Die vorgenannte Rückzahlungsverpflichtung entsteht somit nicht bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus Gründen, die der Verantwortungs- und Risikosphäre des Arbeitgebers zuzurechnen sind.
(2) Für jeden vollen Beschäftigungsmonat nach Beendigung der Fortbildung vermindert sich der Rückzahlungsbetrag um 1/36.
(3) Die Rückzahlungspflicht nach Abs. 1 besteht auch, wenn der Arbeitnehmer die Fortbildung ohne wichtigen Grund vorzeitig abbricht. Sie besteht auch, wenn der Arbeitnehmer schuldhaft das Ziel der Fortbildung nicht erreicht oder das Arbeitsverhältnis vor Abschluss der Fortbildung aus vom Arbeitnehmer zu vertretenden Gründen von diesem selbst, dem Arbeitgeber oder im gegenseitigen Einvernehmen auf Veranlassung des Arbeitnehmers beendet wird. Abs. 2 dieser Vorschrift findet in den vorgenannten Fällen keine Anwendung. § 5 Abs. 1 Satz 2 dieser Vereinbarung gilt entsprechend. Bei vorzeitigem Abbruch oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Fortbildungsende sind die bis dahin tatsächlich entstandenen Kosten (§ 2) zu erstatten.
(4) Der jeweilige Rückzahlungsbetrag ist in voller Höhe zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis fällig und kann gegen pfändbare finanzielle Ansprüche des Arbeitnehmers aufgerechnet werden.“
Nach Abschluss der Ausbildung zahlte die Klägerin das Gehalt des Beklagten zunächst nur unvollständig aus. Die Nachzahlungen erfolgten erst im Dezember 2023 und Januar 2024. Mit Schreiben vom 28.01.2024 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis ohne Angabe von Gründen ordentlich zum 29.02.2024. Mit Schreiben vom 06.03.2024 machte die Klägerin die anteilige Rückzahlung von Fortbildungskosten i.H.v. 70.296,25 Euro geltend, hierbei entfielen 10.359,94 Euro auf die reine Fortbildung und 59.936,30 Euro auf die gezahlte Vergütung. Der Beklagte leistete keine Zahlung.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Rückzahlungsvereinbarung halte einer AGB-Kontrolle nicht stand. Insbesondere sei der Beklagte dadurch unangemessen benachteiligt, dass auch eine Rückzahlungspflicht bestehe, wenn eine zur Kündigung führende Leistungsunfähigkeit auf einer einfachen Fahrlässigkeit des Beklagten beruhe. Es mache für das Vorliegen einer unangemessenen Benachteiligung keinen Unterschied, ob ein Arbeitnehmer unverschuldet oder aber aufgrund einer Fahrlässigkeit in den Zustand dauerhafter Arbeitsunfähigkeit gerate. Die Rückzahlungsverpflichtung der Vergütung würde zudem bedeuten, dass der Beklagte in den Monaten, in denen er die Ausbildung gemacht habe, kostenlos für die Klägerin im Rahmen derselbigen gearbeitet hätte. Dies sei unbillig. Letztlich habe die Klägerin auch nicht dargelegt, dass das Arbeitsverhältnis aus vom Beklagten zu vertretenden Gründen beendet worden sei.
Das LArbG Köln hielt die Berufung der Arbeitgeberin für unbegründet.
Zwar scheitere der Rückzahlungsanspruch nicht bereits daran, dass die Klägerin die Eigenkündigung des Beklagten zu vertreten habe. Sie habe mit der verspäteten Zahlung der Gehälter für Oktober und November 2023 ihre arbeitsvertraglich geschuldete Hauptleistungspflicht verletzt, die Gehaltsrückstände seien zum Kündigungszeitpunkt jedoch schon ausgeglichen gewesen. Bei den in der „Fortbildungsvereinbarung“ getroffenen Abreden handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Es handelt sich um von der Klägerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin vorformulierte Vertragsbedingungen. Die Rückzahlungsklausel in § 4 der Fortbildungsvereinbarung führe zu einer unangemessenen Benachteiligung des Beklagten i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und sei deshalb unwirksam. Unangemessen sei jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt sei oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen werde. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setze eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Dabei bedürfe es einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Bei der Beurteilung der Unangemessenheit sei ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Abzuwägen seien die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Im Rahmen der Inhaltskontrolle seien Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen (BAG, Urt. v. 23.01.2024 - 9 AZR 115/23 Rn. 37). Einzelvertragliche Vereinbarungen, nach denen sich ein Arbeitnehmer an den Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung zu beteiligen habe, soweit er vor Ablauf bestimmter Fristen aus dem Arbeitsverhältnis ausscheide, seien grundsätzlich zulässig. Sie benachteiligten den Arbeitnehmer nicht generell unangemessen. Es sei jedoch nicht zulässig, die Rückzahlungspflicht schlechthin an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung des Arbeitnehmers innerhalb der vereinbarten Bindungsfrist zu knüpfen. Vielmehr müsse nach dem Grund des vorzeitigen Ausscheidens differenziert werden. Da solche Verpflichtungen geeignet seien, das Grundrecht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG einzuschränken, müsse einerseits die Rückzahlungspflicht einem begründeten und billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen und andererseits den möglichen Nachteilen für den Arbeitnehmer ein angemessener Ausgleich gegenüberstehen. Letzteres sei der Fall, wenn der Arbeitnehmer mit der Ausbildung eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalte. Sei der Arbeitnehmer aber ohne sein Verschulden dauerhaft nicht mehr in der Lage, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, sei der arbeitsvertraglich vorgesehene Leistungsaustausch nicht mehr möglich. Der Umstand, dass sich die Investition in die Fortbildung eines Arbeitnehmers aufgrund unverschuldeter dauerhafter Leistungsunfähigkeit für den Arbeitgeber nicht amortisiere, sei dem unternehmerischen Risiko zuzurechnen (BAG, Urt. v. 01.03.2022 - 9 AZR 260/21 Rn. 24).
Für den in § 4 des Fortbildungsvertrags verwendeten Begriff des Vertretenmüssens kämen zwei vertretbare Auslegungsmöglichkeiten in Betracht, von denen keine den klaren Vorzug verdiene (vgl. auch LArbG Nürnberg, Urt. v. 14.08.2024 - 2 SLa 101/24 Rn. 35). Zum einen komme eine Auslegung in Frage, die vom Begriff des Vertretenmüssens i.S.v. § 276 BGB ausgehe, der Schuldner also Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten habe. Zum anderen könne der Begriff des Vertretenmüssens auch so verstanden werden, dass er alle Gründe umfasse, die aus der Sphäre des Arbeitnehmers stammten. Hier sei kein schuldhaftes und daher notwendigerweise an eine Pflichtverletzung des Beklagten anknüpfendes Verhalten i.S.d. § 276 BGB notwendig, ein „zu vertretender Grund“ könne vielmehr schon dann gegeben sein, wenn der Auslöser, Anlass oder die Ursache für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus dem alleinigen Verantwortungs- und Risikobereich des Beklagten und damit ausschließlich aus seiner Sphäre stamme (vgl. BAG, Urt. v. 20.06.2023 - 1 AZR 265/22 Rn. 26). Nach der letzteren Auslegung wäre der Beklagte auch bei einer unverschuldeten Eigenkündigung (etwa wegen dauernder Leistungsunfähigkeit) zur Rückzahlung verpflichtet, weshalb nach der Rechtsprechung des BAG die Rückzahlungsklausel unangemessen benachteiligend i.S.d. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB wäre (vgl. BAG, Urt. v. 01.03.2022 - 9 AZR 260/21 Rn. 24). Seien beide Ergebnisse vertretbar und verdiene kein Ergebnis klar den Vorzug, gehe dies nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten der Klägerin. Es sei auch die besondere Eigenart des Arbeitsverhältnisses im Feuerwehrdienst zu beachten, denn es handele sich um eine gefährliche Arbeit mit besonderen Risiken und besonderen Ansprüchen an die körperliche Leistungsfähigkeit. Das Risiko einer dauerhaften Leistungsunfähigkeit im Feuerwehrdienst sei deutlich höher als bei vielen anderen Berufen. Erleide der Beklagte einen Unfall, den er durch leichteste Fahrlässigkeit verursacht habe und der zu einer Feuerwehrdienstuntauglichkeit führe, müsse er während der Bindungsfrist ein sinnentleertes Arbeitsverhältnis fortführen, um einer Rückzahlungsverpflichtung aufgrund einer Eigenkündigung zu entgehen, und zwar nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums sogar ohne Gegenleistung des Arbeitgebers. Hieran könne die Arbeitgeberin kein ernsthaftes und billigenswertes Interesse haben. Die Rückzahlungsklausel in § 5 der Fortbildungsvereinbarung führe aus denselben Gründen ebenfalls zu einer unangemessenen Benachteiligung des Beklagten i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB und sei deshalb unwirksam. Letztlich sei auch die Erstattungspflicht ihrem Umfang nach dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben nicht zumutbar. Denn sie umfasse maximal die Bruttovergütung für einen Zeitraum von 18 Monaten, vorliegend ca. 70.000 Euro. Dies seien mehr als zwei Netto-Jahresvergütungen eines dienstjungen Brandmeisters im öffentlichen Dienst. Der Beklagte gehe mithin vollkommen zu Recht davon aus, dass die Klausel ruinös und damit unangemessenen benachteiligend i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sei.


C.
Kontext der Entscheidung
Die für Klauseln der dargestellten Art geltenden Vorgaben sind in der Rechtsprechung des BAG bereits in mehreren Entscheidungen konturiert worden. Im Grundsatz handelt es sich dabei regelmäßig um AGB, weil solche Verträge üblicherweise außer den persönlichen Daten des Arbeitnehmers und der Angabe des konkreten Aus- oder Fortbildungszeitraums keinerlei individuelle Besonderheiten aufweisen. Dies begründet neben dem äußeren Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung dafür, dass es sich um AGB i.S.v. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB handelt (vgl. etwa BAG, Urt. v. 09.07.2024 - 9 AZR 227/23 Rn. 18). Verpflichtet eine Klausel den Arbeitnehmer auch in den Fällen zur Erstattung von Fortbildungskosten, in denen der Grund für die Eigenkündigung aus der Sphäre des Arbeitgebers stammt, benachteiligt sie den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (vgl. etwa BAG, Urt. v. 23.01.2024 - 9 AZR 115/23 Rn. 38). Dabei ist es für die Beurteilung der Wirksamkeit der Rückzahlungsklausel unerheblich, ob und aufgrund welcher Umstände der Arbeitnehmer beispielsweise zur Eigenkündigung veranlasst wurde. Die gesetzlichen Vorschriften der §§ 305 ff. BGB missbilligen nämlich bereits das Stellen inhaltlich unangemessener Formularklauseln, nicht erst deren unangemessenen Gebrauch im konkreten Einzelfall. Der Rechtsfolge der Unwirksamkeit sind auch solche Klauseln unterworfen, die in ihrem Übermaßteil in zu beanstandender Weise ein Risiko regeln, das sich im Entscheidungsfall nicht realisiert hat (st. Rspr., vgl. etwa BAG, Urt. v. 23.01.2024 - 9 AZR 115/23 Rn. 41). Schon bei der Klauselgestaltung muss daher größtes Augenmerk darauf gelegt werden, dass diese den Vorgaben der Rechtsprechung entspricht. Ausgangspunkt ist dabei stets, dass Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG neben der freien Wahl des Berufs auch die freie Wahl des Arbeitsplatzes garantiert und hierzu bei abhängig Beschäftigten auch die Wahl des Vertragspartners zählt; dies gilt auch für Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.01.2011 - 1 BvR 1741/09 Rn. 69). Neben der Entscheidung für eine konkrete Beschäftigung ist daher auch der Wille des Einzelnen geschützt, die Beschäftigung beizubehalten oder aufzugeben (vgl. BAG, Urt. v. 20.06.2023 - 1 AZR 265/22 Rn. 29). Klauseln, welche die Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosten vorsehen, dürfen daher keinen unangemessenen „Bleibedruck“ für den Arbeitnehmer ausüben. Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses hat nach der Rechtsprechung des BAG grundsätzlich der Arbeitgeber das unternehmerische Risiko zu tragen, dass sich von ihm getätigte finanzielle Aufwendungen zur Personalbeschaffung nachträglich nicht „lohnen“, weil der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis während oder nach der Probezeit beendet. Es besteht kein billigenswertes Interesse eines Arbeitgebers, solche Kosten auf einen Arbeitnehmer zu übertragen, der von seinem ihm zustehenden Kündigungsrecht Gebrauch macht (vgl. BAG, Urt. v. 20.06.2023 - 1 AZR 265/22 Rn. 30). Bei der Abfassung solcher Klauseln darf sich der Verwender grundsätzlich juristischer Fachausdrücke und unbestimmter Rechtsbegriffe bedienen, soweit dies im konkreten Kontext nicht den Verständnishorizont des durchschnittlichen Vertragspartners übersteigt (vgl. BAG, Urt. v. 05.09.2023 - 9 AZR 350/22 Rn. 41). Tut er das aber, gehen Unklarheiten bei der Auslegung grundsätzlich zu seinen Lasten (§ 305c Abs. 2 BGB).
Dabei entsprach es schon der bisherigen Rechtsprechung des BAG, dass eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers nicht nur in Fällen anzunehmen ist, in denen es der Arbeitnehmer nicht in der Hand hat, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungsverpflichtung zu entgehen, weil er durch Gründe in der Sphäre des Arbeitgebers zu einer Kündigung veranlasst oder mitveranlasst wird. Eine Rückzahlungsklausel ist auch dann unangemessen benachteiligend, wenn sie auch den Arbeitnehmer, der das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der Bindungsdauer kündigt, weil es ihm unverschuldet dauerhaft nicht möglich ist, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen, zur Erstattung der Fortbildungskosten verpflichten soll. Auch unter dieser Voraussetzung ist eine Bindung des Arbeitnehmers an das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Rückzahlungsverpflichtung von Fortbildungskosten weder durch billigenswerte Interessen des Arbeitgebers noch durch gleichwertige Vorteile des Arbeitnehmers gerechtfertigt (vgl. etwa BAG, Urt. v. 01.03.2022 - 9 AZR 260/21 Rn. 23). Ist eine Auslegung dergestalt, dass die von der Klägerin des vom LArbG Köln entschiedenen Verfahrens verwendete Klausel auch Sachverhalte umfasst, in welchen eine unverschuldete dauerhafte Leistungsänderung des Arbeitnehmers zur Rückzahlungsverpflichtung führt, möglich, wie das Gericht festgestellt hat, so liegt eine verbotene Benachteiligung in der Tat auf der Hand. Das BAG ist hierbei auch tatsächlich sehr streng: An den Arbeitgeber als Verwender der Rückzahlungsklausel würden keine unzumutbaren Anforderungen gestellt, ihm sei es ohne weiteres möglich, die Fälle von der Rückzahlungspflicht auszunehmen, in denen der Arbeitnehmer sich zur Eigenkündigung entschließe, weil er vor Ablauf der Bindungsdauer wegen unverschuldeter Leistungsunfähigkeit die durch die Fortbildung erworbene oder aufrechterhaltene Qualifikation in dem mit dem Verwender der Klausel bestehenden Arbeitsverhältnis nicht (mehr) nutzen könne (vgl. BAG, Urt. v. 01.03.2022 - 9 AZR 260/21 Rn. 26 f.).


D.
Auswirkungen für die Praxis
Die Entscheidung zeigt einmal mehr, dass es aus Arbeitgebersicht gar nicht so einfach ist, eine Klausel zu gestalten, welche den hohen Anforderungen der Rechtsprechung gerecht wird. Das LArbG Köln hatte wegen grundsätzlicher Bedeutung und einer Entscheidung des LArbG Nürnberg (2 SLa 101/24), gegen welche bereits unter dem Az. 9 AZR 266/24 ein Revisionsverfahren beim BAG anhängig ist, die Revision zugelassen. Diese wurde von der Arbeitgeberin aber offenbar ebenso wenig eingelegt wie im Parallelverfahren vor der gleichen Kammer des LArbG Köln.



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